Wer morgen Abend noch nichts vor hat und unbedingt wissen möchte, was ein Wiki ist und was man damit machen kann, ist herzlich zum 3. Stuttgarter Wiki Wednesday eingeladen. Hier versammeln sich Wiki-Pioniere, die gerne ihre praktischen Erfahrungen und ihr Wissen weitergeben. Informationen über die geplanten Themen sowie über Ort und Zeit gibt es in diesem Wiki.
Kategorie-Archiv: Social Software
Best Practice II: ärzte-ohne-grenzen.de
Die Webseite aerzte-ohne-grenzen.de gehört meines Erachtens zu den besten deutschsprachigen Nonprofit-Auftritten im Netz. Der gemeinnützige Verein Ärzte ohne Grenzen gehört zur internationalen Organisation Médecins Sans Frontières (MSF), die medizinische Nothilfe in Krisengebieten leistet. 1999 erhielt die Organisation den Friedensnobelpreis.
Die Webseite der Ärzte ohne Grenzen dient in erster Linie dem Fundraising. Selten sieht man im Nonprofit-Sektor eine Seite, die dieses Ziel so professionell verfolgt. Unter dem Stichwort ‘Spenden’ werden rund acht Spendenarten aufgelistet, ein Spendenassistent hilft dem Besucher weiter. Die Webseite will neben Geld aber auch Unterstützer und Mitarbeiter gewinnen. Für Unterstützer gibt es Aktionsvorschläge, die wieder dem Spendensammeln dienen. Aber auch an Online-Aktionen für Multiplikatoren im Netz ist gedacht (Webbanner zum Herunterladen usw.)
Welchen Nutzen hat der Besucher, wenn er auf die Ärzte ohne Grenzen-Seite geht? Er oder sie wird mit Hilfe unterschiedlicher Medien umfassend über die Tätigkeit der Sozialorganisation informiert. Der Besucher kann das Weblog eines Arztes lesen, der in Kenia medizinische Hilfe leistet. Oder ein Video über Versorgungsprobleme in Kambodscha ansehen. Oder ein Interview mit dem Präsidenten von Ärzte ohne Grenzen als Audiobeitrag anhören. Podcasts und RSS-Newsfeeds zu bestimmten Themen runden das Angebot ab. Ungewöhnlich für eine Nonprofit-Seite ist eine Flashwebsite, die es ermöglicht, sich in die Rolle eines Arztes oder Pflegers im Auslandseinsatz hineinzuversetzen.
Fazit: Web 2.0-Tools gibt es viele in diesem Auftritt. Der Besucher wird als Spender und Mulitplikator umworben. Was zu kurz kommt, ist der Dialog, d.h. der Austausch zwischen Organisation und Besucher bzw. unter den Besuchern.
Immerhin schafft es die Organisation, durch ihre professionelle Fundraising-Strategie soviel Spenden anzuwerben, dass sie unabhängig sein kann von öffentlichen Geldern. Fast 34 Mio Euro konnte sie im Jahr 2006 als Einnahmen verbuchen, davon waren mehr als 80% Spenden. Den Jahresabschluss 2006 kann man als pdf-Datei herunterladen. Diese Transparenz im Bereich Finanzen ist sehr ungewöhnlich im Nonprofit-Sektor. Wo sonst wird man im Netz so ausführlich über die Einnahmen und Ausgaben einer Sozialorganisation informiert?
Best Practice I: dieGesellschafter.de
Im Rahmen einer Best-Practice-Serie sollen hier in loser Folge die Webseiten von Sozialorganisationen vorgestellt werden, die durch die Integration von Web 2.0 Tools dialogorientiert sind und die Binnenperspektive hinter sich gelassen haben.
Die hier vorgestellten Webauftritte wurden – anders als beim Durchschnitt der NPO-Webseiten – zu einem guten Teil aus Sicht der Nutzer erstellt: was möchten die Besucher auf den NPO-Seiten machen? In die Diskussion mit anderen Benutzern eintreten? Sich für ein freiwilliges Engagement melden? Sich mit einer Idee oder einem Projekt einbringen? Einer Community als registriertes Mitglied beitreten? Online Geld spenden? Kampagnen per Mail oder Banner unterstützen?
Wer sich so in die Bedürfnisse und Wünsche der Benutzer hineinversetzt, wird eine andere Webseite kreieren, als die Organisation, die aus der Binnenperspektive heraus im Netz veröffentlicht. Da es letztlich für gemeinnützige Träger darum geht, Ressourcen aus der Umwelt zu erhalten, ist es ökonomisch rationaler, dialogorientierte Webseiten zu erstellen anstatt in einem binnenorientierten Webauftritt zu verharren.
Hier in Deutschland gibt es im Sozialbereich noch nicht viele dialogorientierte NPO-Webseiten. Web 2.0-Tools, die den Dialog ermöglichen, muss man mit der Lupe suchen. Aber es gibt sie, – die Organisationen, die voranschreiten, die neue Instrumente und Ideen aufgreifen und nutzen, um damit ihrer Botschaft und ihrer Klientel zu dienen.
Beispielhaft ist ein Projekt der Aktion Mensch. Die Aktion Mensch fördert Projekte der Behinderten(selbst)hilfe und Kinder- und Jugendhilfe. Im März 2006 hat sie das Projekt dieGesellschafter.de ins Leben gerufen. Unter der Überschrift: “In was für einer Gesellschaft wollen wir leben” bietet die Seite den Bürgern die Möglichkeit zu diskutieren, Mitglied des Projekts zu werden, sich für ein Ehrenamt zu melden und zu partizipieren, indem Projektvorschläge eingebracht und deren Förderung beantragt werden kann.
Noch ist keine Vernetzung mit anderen Benutzern möglich, d.h. der Unterstützerkreis (“ich will Gesellschafter werden”), der hier samt Adressdatenbank aufgebaut wird, nutzt derzeit nur der Aktion Mensch und nicht den Seitenbesuchern, die vielleicht nach Gleichgesinnten Ausschau halten.
Es werden einige Web 2.0-Tools genutzt, u.a. gibt es ein Projektblog, zusätzlich ein Blog mit wechselnden Autoren, Foren, RSS-Feeds. Für die Menschen, die nicht online sind, werden die wichtigsten Diskussionen auf der Webseite in einer Zeitung gedruckt, die an öffentlichen Stellen kostenlos ausliegt. Das ist ein schönes Beispiel für Benutzerfreundlichkeit, das Menschen ohne PC miteinschließt.
Insgesamt macht das Projekt dieGesellschafter.de, das übrigens von den großen Wohlfahrtsverbänden, von den Verbänden der Behinderten(selbst)hilfe und diversen Medien unterstützt wird, einen sehr frischen Eindruck, der eine Aufbruchstimmung vermittelt und sich aus dem statischen Einerlei der anderen NPO-Webseiten im Sozialbereich wohltuend abhebt.