Auf lokaler Ebene bilden sich immer häufiger Netzwerke. Der Grund dafür sind knappe Budgets im öffentlichen und gemeinnützigen Bereich, komplexe Probleme, die De-Institutionalisierung sozialer Hilfen und eine zunehmende Sozialraumorientierung. Organisationen und Bürger schließen sich deshalb in immer mehr Fachbereichen zu Netzwerken zusammen. Auch das Bürgerengagement selbst findet zunehmend in Form von Netzwerken statt, ein gutes Beispiel sind hier die Flüchtlingsfreundeskreise Stuttgart. Bürgerinnen und Bürger bilden auch über das Internet Aktions- und Hilfsnetzwerke, siehe die “refugees welcome”-Initiativen.
Netzwerke sind durch Freiwilligkeit und Kooperation gekennzeichnet. Die Bildung eines Netzwerks macht dann Sinn, wenn Ziele nicht alleine, sondern nur in Kooperation mit anderen umgesetzt werden können. Gerade im bürgerschaftlichen Bereich sind Netzwerke häufig nur gering formalisiert, d.h. es gibt hier keinen festen institutionellen Rahmen, keine offiziellen prozeduralen Regeln, keine hauptamtliche Steuerung, kein ausgearbeitetes Leitbild. – vielleicht nur einen informellen Code of Conduct. Welches sind die Stärken und Schwächen von Netzwerken?
Die Stärken von Netzwerken
- sie bieten den Teilnehmern durch das Poolen und Teilen von Ressourcen (wie: Wissen, Kompetenzen, Räume, Kontakte, Gelder, Mitarbeiter usw.) neue Handlungschancen, um komplexe Probleme zu bewältigen
- sie sparen durch Wissens- und Erfahrungsaustausch Entwicklungs- und Umsetzungskosten ein
- sie bieten wegen der geringen Formalisierung Flexibilität und kurze Reaktionszeiten
- sie ermöglichen einen Umgang auf Augenhöhe
- sie fördern konsensuale Entscheidungen unter den Teilnehmern
- sie fördern den inhaltlichen Austausch über Fach-, Sektoren- und Raumgrenzen hinweg
- sie schaffen die Basis für gemeinsames Lernen durch horizontalen Wissenstransfer und damit gute Voraussetzungen für Innovation
- Bürger und Organisationen, aber auch Themen, werden durch Netzwerke sichtbarer
- Netzwerke können die Reputation ihrer Teilnehmer stärken
Die Auflistung ist sicher nicht vollständig, – je weiter man in die Netzwerkpraxis vordringt, desto mehr Netzwerk-Stärken werden sichtbar. Aber es gibt aufgrund der geringen Formalisierung auch Netzwerk-Schwächen und kritische Fragen nach ihrer Verbindlichkeit, Nachhaltigkeit und demokratischen Legitimation nach außen und innen.
Die Schwächen von Netzwerken
- Verbindlichkeit – wie ernst kann man Netzwerk-Zusagen nehmen?
- Nachhaltigkeit – wie lange wird das Netzwerk leben?
- Demokratie im Innern – wie werden im Netzwerk Entscheidungen gefällt?
- Repräsentation nach außen – wie demokratisch legitimiert ist die Vertretung nach außen?
- Legitimität des Netzwerks als Ganzes – wer ermächtigt das Netzwerk, für ein Politikfeld zu sprechen?
- Haftung – wer haftet für Entscheidungen des Netzwerks?
- Transparenz – wie werden Mittel verwaltet?
- Zielverschiebungen – wenn offizielle Leitbilder fehlen, wie kann dann eine Entwicklung in unzivile Richtungen verhindert werden?
Trotz ihrer Schwächen sind Netzwerke lokal auf dem Vormarsch. Viele engagierte Bürgerinnen und Bürger – mich eingeschlossen – schätzen sie wegen ihrer Flexibilität und weil sie das unkomplizierte, effektive Arbeiten über Organisations- und Fachgrenzen hinweg ermöglichen.
Für öffentliche Förderinstitutionen und private Stiftungen stellt sich die Frage, wie mit Bürgernetzwerken umzugehen ist, die quer zu Bürokratie und Vergaberecht liegen. Häufig können bürgerschaftliche Engagement-Netzwerke sich nicht um öffentliche Fördermittel bewerben, sondern nur Organisationen, die als gemeinnützig eingetragen sind, zum Teil auch nur Organisationen aus dem wohlfahrtsverbandlichen Bereich. Um dem Bürgerengagement in Netzwerkform Rechnung zu tragen, sollten inhaltliche Förder-Leitlinien ausgearbeitet werden, die Netzwerke in ihren Stärken stabilisieren und ihren Schwächen begegnen. Wie weit sind die öffentliche Hand und Stiftungen hier schon mit der Entwicklung zukunftsweisender Konzepte? Über Literatur und Hinweise freue ich mich.