Sozialgenossenschaften bieten sich als Organisationsform für Projekte an, bei denen sich Bürger zusammenschließen, um im Rahmen der Selbsthilfe oder für andere Menschen soziale Aufgaben zu übernehmen, die ein einzelner aufgrund der damit verbundenen Investitions- und Betriebskosten nicht übernehmen kann: “Gemeinsam seine Ziele besser zu erreichen als im Alleingang, das ist der Grundgedanke einer jeden Genossenschaft” (DGRV).
Zwischen 2005 und 2014 sind in Deutschland 332 Sozialgenossenschaften gegründet worden, die Hälfte davon als Selbsthilfeeinrichtungen Betroffener, ein Drittel als sogenannte “solidarische Sozialgenossenschaften” zugunsten Dritter und des Gemeinwesens (Stappel 2017). Dorfläden, Wohnprojekte, Bürgerbusse, Kino– und Gaststättengenossenschaften, Schwimmbäder, Senioren- und Nachbarschaftshilfe, Stadtteilgenossenschaften, Flüchtlingsunterbringung, Streuobstwiesenerhalt- und pflege, – all dies lässt sich in Form einer Sozialgenossenschaft betreiben. Oft schließen sich auch Professionen zu einer Sozialgenossenschaft zusammen, gerade im Gesundheits- und Sozialbereich, um aus einer Hand und gleichberechtigt gemeinsam Leistungen anzubieten.
Italien ist weltweit der Vorreiter der Sozialgenossenschaftsbewegung mit über 7300 Sozialgenossenschaften und mehr als 260.000 Mitgliedern im Jahr 2005 (Münkner 2017). Aber auch in Frankreich und in Südeuropa sind (Sozial)Genossenschaften auf dem Vormarsch und Teil der hier wachsenden économie sociale/social economy, – siehe dazu einen der letzten Blogbeiträge.
Sozialgenossenschaften funktionieren nach den folgenden genossenschaftlichen Prinzipien:
Jedes Mitglied einer Genossenschaft zeichnet einen bestimmten Genossenschaftsanteil und zahlt diesen ein. Beim Austritt erhält ein Mitglied seinen einbezahlten Anteil wieder zurück. Die Genossenschaft erstellt für die Mitglieder oder – im Fall der solidarischen Sozialgenossenschaft – für das Gemeinwesen Leistungen. Sie produziert aber nicht für den Markt, d.h. nicht die Gewinnmaximierung steht im Vordergrund, sondern immer die Förderung der Mitglieder und deren soziale oder kulturelle Belange. Die Genossenschaft verwaltet sich selbst, d.h. nur Mitglieder können in die Gremien gewählt werden. Es gilt das gleiche Stimmrecht für alle Mitglieder, unabhängig von der Höhe der jeweiligen Kapitalbeteiligung. Wegen dieser partizipativen Ausrichtung und der Selbstverwaltung – jedes Mitglied ist zugleich Eigentümer, Kapitalgeber, Kunde/Lieferant/Mitarbeiter – wird den Genossenschaften eine herausragende Rolle zugeschrieben, wenn es darum geht, Beteiligung zu fördern und neue Formen des Wirtschaftens auf lokaler Ebene auszuprobieren.
Das Buch “Genossenschaft innovativ” von Ingrid Schmale/Johannes Blome-Drees (Hrsg.), das 2017 erschienen ist, untersucht das Phänomen der Genossenschaft in der Sozialwirtschaft von allen Seiten und blickt auch in andere europäische Länder. Aus diesem Buch stammen auch die beiden oben zitierten Autoren. Die Webseite “Sozialgenossenschaften” des bayerischen Staatsministeriums für Arbeit und Soziales informiert sehr gut und prägnant über diese Form der Selbstorganisation, gibt Tipps zur Gründung, zeigt Beispiele aus Bayern, hält einen Fördertopf vor und einen Gründungs-Ratgeber zum freien Download. Auf der Webseite des bayerischen Staatsministerium findet sich auch der folgende Vergleich der Rechtsformen von Genossenschaft, Verein und Kapitalgesellschaften, der übersichtlich die wichtigsten Unterschiede und Gemeinsamkeiten aufzeigt: