Web2.0 – Marketing-Tool oder Konversationsinstrument ?

Auf Kivi’s Nonprofit Communications Blog ist eine kontroverse Diskussion zwischen Nonprofit-Bloggern entstanden. Die Diskussion dreht sich um die Frage, ob es legitim ist, wenn Nonprofits Online-Netzwerke zu Marketing-Zwecken nutzen. Oder ob in den Netzwerken nicht die Konversation mit den Stakeholdern im Vordergrund stehen sollte, d.h. das ‘Hören’ und ‘Lernen’ und nicht das ‘Werben’.

Kivi Leroux Miller selbst zählt zu den Marketing-Befürwortern und betont, dass insbesondere kleine Nonprofits mit geringem Budget auf Online-Netzwerke als Vermarktungskanal angewiesen sind. Beth Kanter hingegen neigt eher zu der idealistischen Haltung, die den Wert der nicht-nutzenorientierten Konversation mit den Stakeholdern betont.

Wie sieht – unabhängig von der Diskussion zwischen Bloggern – die Realität aus? Gibt es überhaupt eine breite Bewegung unter den Nonprofits, die Online-Netzwerke zu Marketing-Zwecken nutzt? Oder allgemeiner gefragt: Welche Ziele verfolgen Nonprofits mit Ihrer Internetpräsenz?

Die empirische Studie von Linda Jean Kenix ‘The Internet as a tool for democracy? A survey of nonprofit Internet decision-makers and Web users’ in der Juli-Ausgabe von First Monday bringt Licht ins Dunkel. Die Autorin hat fast 700 Personen aus kleinen amerikanischen Nonprofit-Organisationen befragt, darunter mehr als 400 Personen, die für die Web-Inhalte ihrer Einrichtung verantwortlich sind.

Die Studie zeigt, dass 41% der befragten 429 Online-Autoren aus NPOs den Hauptzweck ihrer Internetpräsenz darin sehen, Informationen bereitzustellen. 38,6% möchten für ihre Organisation werben. Nur 6,5% wollen über ihre Internetpräsenz in die Diskussion mit den Stakeholdern eintreten. Nur 3,5% zielen auf das Online-Fundraising (S. 7).

Obwohl die befragten Nonprofit-Akteure den Schwerpunkt im Internet auf die Information legen, nutzen sie laut der Studie die Möglichkeiten, die eine Webseite hier bietet, nur mangelhaft aus und versäumen es, Newsletter, freie Stellen, Protestformulare usw. ins Netz zu stellen. Gleichzeitig zeigt die Untersuchung, dass 81% der Befragten, die der Nonprofit-Organisation verbunden sind, ohne selbst Inhalte einzustellen, von den Informationen ihrer gemeinnützigen Einrichtung gar nicht profitieren, weil sie deren Internetauftritt nicht besuchen und sich Informationen über persönliche Kontakte beschaffen.

Letzteres macht deutlich, dass den befragten Nonprofits die Verbindung zu den Stakeholdern noch nicht gelingt und – wie oben erwähnt – diese Interaktivität auch kein vordringliches Ziel für die Verantwortlichen darstellt. Auch die angestrebte Werbung für die eigene Organisation wird in der Praxis so nicht umgesetzt. Nur ein Fünftel der befragten Nonprofit-Akteure, die Inhalte für das Netz erstellen, berichten, dass sie das Internet tatsächlich auch für Marketingzwecke nutzen (S. 11).

Das Fazit der Autorin:"Thus the Internet appeared to be primarily a tool for gathering and providing information for non-profit organizations, rather than contact with members, fund-raising or promotion" (Kenix 2008, S. 12).

Angesichts der beschränkten Zahl von untersuchten Nonprofits kann man das Ergebnis nicht verallgemeinern, aber die Tendenz herauslesen, dass NPOs die bestehenden Online-Netzwerke weder massiv für Marketingzwecke nutzen noch zur intensiven Konversation mit den Stakeholdern. Die kontroverse Diskussion in der Blogosphäre zu diesem Thema, die eingangs erwähnt wurde, spiegelt wohl eher die persönlichen Wünsche und Einstellungen der Autoren wider, statt die tatsächlichen Verhältnisse. Momentan scheinen Nonprofit-Organisationen noch im Zustand von Web 1.0 zu verharren (Informationsbereitstellung) und den Weg zur Interaktivität (Web2.0) noch nicht gefunden zu haben.

4 Gedanken zu „Web2.0 – Marketing-Tool oder Konversationsinstrument ?

  1. Interessante Ergebnisse, die diese Studie hervorbringt. Wenn ich es richtig verstanden habe, dann verfolgen die NPO mit ihrer Internet-Präsenz konkrete Ziele (Information, Diskussion, Fundraising), sind aber nicht in der Lage, sie wirklich zu erreichen.

    Wenn man nun davon ausgeht, dass es sich um realistische Ziele handelt, dann liegt das Problem in der Phase der Umsetzung. Entweder fehlt es am Wissen darüber, wie man Social Media nutzt? Oder es fehlen die entsprechenden Tools?

    In beiden Fällen müssten sich NPO dann noch sehr viel intensiver beraten lassen oder sich auf andere Art und Weise das notwendige Know-How verschaffen.

  2. @Christian Henner-Fehr: Für mich war es interessant, überhaupt einmal Daten über die Ziele von NPOs bezüglich ihrer Internetpräsenz zu sehen. Aus dem deutschsprachigen Raum sind mir keine entsprechenden Studien bekannt. Die Nonprofit-Forschung ist hierzulande einfach noch nicht so breit gefächert wie in angelsächsischen Ländern.

    Dass die Interaktivität von Webseiten für NPOs ein so nachgeordnetes Ziel darstellt, überrascht in der Deutlichkeit. Andererseits ist dieses Ergebnis an den Webauftritten der gängigen NPOs im Sozialbereich gut sichtbar. Schade, dass Nonprofits die Chancen der Interaktivität noch nicht nutzen. Es überwiegt hier die Angst vor Kontrollverlust. Dabei verfügen Nonprofits über einen phantastischen Bestand an Ressourcen (Wissen, Erfahrung, offline-Netzwerke, Botschaften usw.), auf den sie stolz sein können und der eigentlich genügend Rückgrat für eine Öffnung nach außen bieten müsste. Ich weiß nicht, weshalb sich Nonprofits im Sozialbereich so defensiv verhalten.

  3. Naja, ich sehe das gar nicht so negativ, denn schließlich ist es in anderen Bereichen, z.B. dem Profit-Bereich nicht wirklich anders. Wir haben einfach eine andere Kommunikationskultur, der z.B. die Leichtigkeit fehlt wie etwa den angelsächsischen Ländern. Allein die Tatsache, dass die englische Sprache nicht zwischen Du und Sie unterscheidet, führt viel schneller zu einem “vertrauteren” Umgang mit meinem Gegenüber.

    Da ist es doch verständlich, dass wir auch im Internet etwas zurückhaltender sind, oder?

    Ein weiterer Aspekt, der mir zum Thema Fundraising einfällt: auch hier hat sich Europa in eine etwas andere Richtung entwickelt. Wir nutzen z.B. das Handy ganz anders und wenn die Zahlen stimmen, auch intensiver. Spenden werden immer häufiger über das Handy eingeworben und dann bequem vom Mobilfunkanbieter mit der nächsten Rechnung abgebucht.

    Da tut sich das Internet schwer, aber ich bin mir sicher, es ist nur eine Frage der Zeit. Irgendwann platzt auch hier der Knoten. Deshalb bloggen und twittern wir ja schon die ganze Zeit. 🙂

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