Alle Artikel von Brigitte Reiser

Folgen der Finanzkrise für Nonprofit-Organisationen

Wie wird sich die Finanzkrise auf den Nonprofit-Sektor auswirken? Die folgenden acht Punkte skizzieren die erwartbare Entwicklung:

  1. Viele der Banken, die jetzt insolvent sind oder der Unternehmen, die in finanzielle Schwierigkeiten kommen, sind Förderer von Kultur- und Sozialeinrichtungen. Wenn ihre Unterstützung wegfällt, bedeutet dies, dass in manchem Museum ein erhofftes Bild nicht gekauft und eine geplante Ausstellung nicht verwirklicht werden kann. Christian Henner-Fehr fragt, was es für den Kulturbereich bedeutet, wenn der Förderer pleite geht, und sieht in der Krise die Chance für einen Neuanfang. Zuerst kommt jedoch der Verlust, und der wird für einige Kultur- und Sozialeinrichtungen bitter sein.
  2. Wenn Staaten öffentliche Mittel in den Bankensektor pumpen, dann fehlt dieses Geld an anderer Stelle im Haushalt. Eine wirtschaftliche Rezession, mit der Experten rechnen, führt zu Steuerausfällen und verschärft noch die Situation der öffentlichen Haushalte. Dies wird sich auch auf den Nonprofit-Sektor auswirken, der in manchen Bereichen mit geringeren öffentlichen Mitteln rechnen muss. Man wird Unabdingbares finanzieren, anderes kommt auf den Prüfstand.
  3. Verbraucher werden in Folge der Krise ihre Ausgaben reduzieren und verstärkt sparen. Dies wird Auswirkungen auf ihre Spendenbereitschaft haben. Zwar werden die überzeugten Spender – dazu zählen jedoch nur 25% der hiesigen Bevölkerung – ihre Zahlungen nicht einstellen. Aber sie werden öfters Spendensummen reduzieren bzw. ihr eingeplantes Spendenbudget auf mehrere Träger verteilen.
  4. Die Krise wird sich auch bei manch einem potentiellen Stifter negativ auswirken, so dass Nonprofit-Stiftungen im Einzelfall mit weniger Mitteln rechnen müssen.
  5. Der Wettbewerb um öffentliche Gelder wird unter Nonprofits zunehmen. Wenn das zu verteilende Budget knapper wird, wächst die Konkurrenz unter den gemeinnützigen Träger noch weiter.
  6. Der Wettbewerb um private Spender wird sich verschärfen. Das Internet und hier speziell das Online-Fundraising machen es möglich, dass ausländische Hilfsorganisationen in den deutschen Spendenmarkt einsteigen. Hilfsorganisationen aus Ländern, die von der Finanzkrise besonders betroffen sind, wie bspw. aus den USA, werden sich beim Fundraising noch stärker um die Spender in den Ländern bemühen, die von der Krise nicht ganz so stark betroffen sind.
  7. Die Nachfrage nach sozialen Hilfen wird wachsen. In Großbritannien ist diese Entwicklung schon sichtbar. Je nach Spezialisierung kann eine Nonprofit-Organisation von dieser Nachfrage profitieren oder nicht.
  8. Nicht zuletzt sind Nonprofits auch als Bankkunden potentiell von der Krise betroffen. In der Wochenend-Ausgabe der Süddeutschen Zeitung ist auf S. 23 zu lesen, dass das Bistum Aachen beim Bankhaus Lehman-Brothers Geld angelegt hat. In den USA hätten in den letzten Tagen schon viele Kirchengemeinden viel Geld verloren. Dies hat negative Folgen für ihre Sozialeinrichtungen.

Wie die Situation für Nonprofits derzeit in Großbritannien und in den USA aussieht, schildern das UK Fundraising-Blog und die Washington Post .

Wieviel Zeit benötigt man für Web 2.0?

Wenn sich eine Nonprofit-Organisation für den Einsatz von Web 2.0-Instrumenten entschlossen hat, wie viel Stunden pro Woche muss sie dann für ihre Online-Aktivitäten einkalkulieren? Die Antwort: sehr viele. Wer sich im Mitmach-Internet engagieren möchte, muss bereit sein, dafür viel Zeit zur Verfügung zu stellen.

Um die Installation der Tools geht es hier nicht. Die Technik ist, was den Zeitaufwand angeht, vollkommen nachrangig. Was Zeit kostet, sind die Beziehungen, die man über Web 2.0 aufbaut, die Erstellung der eigenen Inhalte, der Dialog mit den Stakeholdern und die Vermarktung der eigenen Organisation. Der Begriff ‘Social Media’, der für die neuen Mitmach-Tools steht, drückt dies gut aus: es geht nicht primär um Technik, sondern um den Austausch mit Menschen, und der ist zeitaufwändig.

Beth Kanter , die amerikanische Fachfrau für das Thema Nonprofits und Web 2.0, hat nun in einem aktuellen Beitrag versucht, den Zeitaufwand zu ermitteln, der für den Einsatz von Social Media veranschlagt werden muss. Die Zahlen sind nur beispielhaft und hängen im Einzelfall davon ab, wie viel Erfahrung eine Organisation schon mit Web 2.0 gesammelt hat, wie gut die Mitarbeiter im Umgang mit den Tools geschult sind, wie effektiv eine Organisation arbeitet usw. Dennoch geben die Zahlen eine Tendenz wieder und zeigen, dass es sich beim Einsatz von Social Media um keine Aufgabe handelt, die mal so nebenbei erledigt werden kann.

Beth Kanter veranschlagt die folgenden Stundenzahlen:

  • 5 Stunden pro Woche benötigt eine Organisation, um sich im Internet über relevante Beiträge bezüglich der eigenen Organisation und des eigenen Fachgebietes auf dem Laufenden zu halten. Kanter nennt diese Tätigkeit ‘Zuhören’. Sie läuft über Newsfeeds, Twitter, technorati usw.
  • 5 Stunden pro Woche nimmt es in Anspruch, wenn man aktiv an Online-Diskussionen teilnimmt und Kommentare schreibt, auf einzelne Beiträge eingeht usw. Dieser Aufwand läuft unter dem Stichwort ‘Partizipieren’.
  • 10-15 Stunden pro Woche muss eine Organisation für die Erstellung von eigenen Inhalten in Form von Blogs, Podcasts usw. veranschlagen. Da die Inhalte allein noch für keine Nachfrage sorgen, muss man diese entsprechend bekannt machen und im Netz vermarkten. Dies nennt Kanter ‘Generate Buzz’ . Die Vermarktung der eigenen Inhalte kostet eine Organisation noch einmal 10-15 Stunden pro Woche.
  • Mehr als 20 Stunden pro Woche benötigt eine Organisation, wenn sie aktiv eigene Online-Netzwerke aufbaut und diese pflegt oder aktiv an bestehen Online-Communities wie Facebook teilnimmt. Die Beantwortung von Anfragen, der gemeinsame Dialog, die Entwicklung neuer Ideen, der wertschätzende Umgang mit den einzelnen Netzwerk-Mitgliedern, – all dies kostet sehr viel Zeit. Aber ohne diesen Stundeneinsatz bringt eine Community keinen Nutzen. Wenn man vom Mitmach-Internet profitieren will, muss man bereit sein, diese Stunden zu investieren.

Ein Kommentator in Beth’s Blog bringt es auf den Punkt: je wichtiger einer Organisation der Austausch mit ihren Stakeholdern ist, desto mehr Zeit investiert sie in Social Media. Wer keine Zeit investiert, hält den Online-Dialog für bedeutungslos: "zero time, zero importance".

Bei bwlzweinull.de und dem Kulturmanagement-Blog wurde in den letzten Tagen auch darüber diskutiert, wie zeitaufwändig Blogs – ein Tool aus dem Social Media Repertoire – sind und inwiefern sie sich für FreiberuflerInnen und Organisationen lohnen. Fazit der Debatte: es gibt kein Patentrezept, jeder Autor/jede Organisation muss für sich entscheiden, ob sie diese Zeit investieren will.

Ein gutes Argument für Blogs liefert jetzt Michael C. Gilbert . Blogs kosten zwar viel Zeit, aber sie helfen dem Autor oder der Organisation, die Informationsüberflutung in den Griff zu bekommen. Wer professionell bloggt, hat klare Themen und Ziele. Diese helfen, die eingehenden Informationen zu rastern und schneller zu verarbeiten, als wenn man ziellos den Informationen ausgesetzt ist. Sein Tipp: "Become a Blogger and relax".

Impressionen vom BarCamp Stuttgart

Zwei Tage lang traf sich die Web 2.0-Szene in Stuttgart. Ich konnte nur heute das BarCamp besuchen und habe einige Anregungen mit nach Hause mitgenommen. Da war zum einen die Session von Oliver Gassner und Robert Basic , in der wir u.a. darüber diskutierten, ob und in welcher Form die deutsche Blogosphäre eine Plattform braucht, die den inhaltlichen Reichtum und die Bandbreite von Blogs aufzeigen kann. Die Diskussion war kontrovers: während die einen eine solch zentrale Institution für überflüssig halten, bin ich der Ansicht, dass die Idee was hat. Eine entsprechende Plattform könnte Außenstehenden den Einstieg in die Blogosphäre erleichtern und das Medium ‘Blog’ noch stärker als (politische) Institution etablieren.

Johannes Kleske hielt eine Session über die POST-Strategie von Forrester Research, die Organisationen bei der Auswahl von Web2.0-Tools hilft. POST ist mir bekannt, ich habe vor einiger Zeit hier einen Beitrag darüber geschrieben. Bei POST geht es darum, dass Organisationen einige Fragen klären, bevor sie konkrete Tools auswählen:

1. Inwieweit sind unsere Zielgruppen (People) schon im Netz aktiv? Sind sie überhaupt nicht im Internet vertreten? Gehören sie zu den Zuschauern? Oder zu den Nutzern, die in Communities mitmachen? Sind sie als Sammler unterwegs, die bookmarken? Schreiben sie Kommentare? Oder produzieren sie selbst Inhalte?

2. Welche Ziele (Objectives) möchten wir mit Hilfe von web 2.0 erreichen?

3. Welche Mittel bzw. mögliche Umsetzungsstrategien (Strategy) stehen uns zur Verfügung? Hier ist eine Beschäftigung mit den Vor- und Nachteilen der einzelnen Web 2.0-Instrumente notwendig

4. Erst zum Schluß erfolgt eine Auswahl der Tools (Technology)

Wichtig: die Technik wird zum Schluß ausgewählt und nicht am Anfang, wie viele Organisationen das machen. Laut Kleske wird jede Organisation scheitern, die sich zuwenig mit den neuen Medien auseinander gesetzt hat. Als Beispiel nannte er die Werbekampagne für den Chevy tahoe, die von vielen im Netz persifliert wurde. Das Problem ist, dass solche Fehlleistungen eines Unternehmens noch ‘ewig’ im Netz zu sehen sind. Deshalb die Empfehlung an alle interessierten Organisationen: erst die Regeln des Mitmach-Webs studieren und sich über die eigene Situation Gedanken machen und danach die Web2.0-Instrumente auswählen.

Die letzte Session, die ich besuchte, befasste sich mit Twitter, wo ich unter dem Namen npo_vernetzt vertreten bin. Es ging um die Frage, welchen Nutzen man aus Twitter ziehen kann und welche Perspektiven Twitter (gemeinnützigen) Organisationen eröffnet. Dazu aber ein anderes Mal mehr.

Insgesamt empfand ich das BarCamp als sehr gelungen. Darüber hinaus habe ich mich mit vielen netten Leuten unterhalten, die ich bisher nur aus ihren Blogs oder über Twitter kannte.

Nachtrag: wer sich näher mit der POST-Strategie befassen will, findet den Ansatz in dem folgenden Buch: Charlene Li und Josh Bernoff: Groundswell. Winning in a World Transformed by Social Technologies (2008).