Die ambulante Betreuung von Senioren war in der Vergangenheit eine Domäne von Nonprofit-Organisationen. Zwischenzeitlich sind hier gewerbliche Träger und Privatpersonen, häufig aus Osteuropa, sehr aktiv und bilden eine starke Konkurrenz für gemeinnützige Einrichtungen.
Wer bisher nach einer Seniorenbetreuung suchte und sich nicht an die örtliche Sozialstation wenden wollte, musste sich zumeist auf eine beschwerliche Suche nach entsprechenden Anbietern machen und örtliche Beratungsstellen, Behörden, gewerbliche oder gemeinnützige Träger kontaktieren, im Bekanntenkreis recherchieren, eine Zeitungsanzeige aufgeben. Heute hat ein Interessent die Möglichkeit, im Internet nach entsprechenden Anbietern zu suchen.
Seit Dezember 2007 gibt es die Vermittlungs-Plattform Betreut.de. Hier können Anbieter ihr Betreuungsangebot einstellen und potentielle Kunden nach Betreuungsleistungen suchen. Die Plattform hat regionale Schwerpunkte in einer handvoll Großstädten (Berlin, München, Hamburg, Frankfurt). Ihr Schwerpunkt liegt in der Vermittlung von Babysittern, es gibt aber auch schon ein größeres Angebot an Seniorenbetreuern.
Von den Leistungsanbietern erfährt man mindestens die folgenden Kategorien: Name/Ort/Alter/Erfahrung. Ein Blick in das Berliner Angebot der Plattform zeigt, dass es sich bei den Anbietern in der Regel um junge Frauen um die 20 handelt ohne praktische Erfahrung und Qualifikation in der Seniorenbetreuung. Den Vertretern der Pflegeberufe läuft es wahrscheinlich kalt den Rücken hinunter, wenn sie sehen, wie massiv ihr Berufsstand von unqualifizierter Konkurrenz bedroht ist. Aber die Nachfrage von privater Seite nach günstigen Arbeitskräften ist da und schafft sich ihr Angebot.
Die Plattform Betreut.de ähnelt in ihrer Struktur stark der amerikanischen Plattform Care.com, die es seit 2006 gibt. Hier kann man ebenfalls nach Kinder-, Senioren- und Haustierbetreuung suchen und Nachhilfeanbietern. Bei der amerikanischen Plattform gibt es auch die regionale Schwerpunktbildung in zwischenzeitlich über 30 Städten. Und es gibt für die Anbieter fast die identischen Kategorien, aber – im Unterschied zur deutschen Seite – keine Bewertung der Anbieter durch die Kundschaft in Form von Sternchen.
Seniorenbetreuungsleistungen kann man auch über die Plattform minidienste.de (vormals ‘Beeings’) suchen oder anbieten. Allerdings bilden diese hier keinen Schwerpunkt, sondern nur ein kleines Segment der Plattform, die ein breites Spektrum rund um den häuslichen Bereich abdeckt.
Betreuungsangebote und -nachfragen finden sich auch bei exchange-me.de, einer Tauschplattform für private Dienste. D.h. hier werden die Leistungen nicht bezahlt, sondern mit anderen Diensten abgegolten. Diese Plattform kommt wahrscheinlich eher für die Angehörigen von Senioren in Frage, die dann die Gegenleistung für die erhaltene Seniorenbetreuung erbringen müssen.
Fazit: die Entwicklung der Märkte im Internet schreitet voran und die Besitzstände von Nonprofits sind bedroht, – es sei denn, sie nehmen die Herausforderungen des World Wide Web offensiv an und nutzen das Netz für ein besseres Marketing.
(Links via deutsche-startups.de)
Ein interessanter Trend: Das Web ist in Sachen Vermittlungsleistungen (egal welcher Art) in seiner Effizienz unschlagbar und deshalb auf dem Vormarsch. Ganz klar eine ungewohnte Perspektive für etablierte Anbieter, die auf dieser Ebene weder Konkurrenz erwarten noch eigene Kompetenzen aufbauen.
Aber wie können wir wirksam helfen, hier die Denkbarrieren abzubauen?
Gute Frage, Herr Schwenk. Aber ich glaube, dass im Nonprofit-Sektor sehr häufig gar keine Denkbarrieren existieren, sondern – viel einfacher – das Wissen über die Möglichkeiten des Internets noch gar nicht angekommen ist. Man hat eine eigene Webseite – und das Thema Internet ist damit abgehakt. Die Internet-Fachleute müssen sich noch stärker als Multiplikatoren begreifen und aus ihren Zirkeln hinaus in die Gesellschaft. Voraussetzung dafür: eine verständliche Sprache und ein Umgang auf Augenhöhe mit denjenigen, die sich noch nicht auskennen. Ich bin gespannt, ob es auf dem geplanten SocialCamp in Berlin gelingt, die Barrieren zwischen den Sektoren (IT/Nonprofit) zu überwinden. Oder ob hier erneut nur diejenigen präsent sind, die sich ohnehin schon auskennen.
Bei Ihrer Beobachtung stimme ich Ihnen voll und ganz zu! Auch meine Erfahrung mit vielen kleineren und mittleren Betrieben ist, dass sie sagen, sie hätten ja eine Website. Das Thema “Internet” ist damit wirklich abgehakt.
Zudem werden diese Websites oft von Agenturen betreut, so dass die Firmen selbst damit kaum mehr in Berührung kommen. Die Inhaber (Ärzte, Rechtsanwälte, Handwerksmeister, Ingenieure, Geschäftsführer…) haben zudem ein sehr umfängliches Tagesgeschäft um die Ohren, so dass weder Zeit noch Muße vorhanden sind, sich näher mit dem Internet zu befassen.
Meine Argumentation, sich auf das Web 2.0 einzulassen, scheitert fast immer am Zeitbudget: Den Verantwortlichen fehlt schlicht die Zeit, sich “lernend” auf das Web einzulassen, bevor sie überhaupt so weit kommen, dass durch den sinnvollen Einsatz bestimmter Instrumente ihr Zeitbudget an anderer Stelle wieder kompensiert werden kann.
Meine Vermutung für das SocialCamp: Sie werden viele alte Bekannte und leider (!) nur wenig neue Gesichter sehen…