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Auf dem Weg zur NPO 2.0

Am vergangenen Samstag hielt ich als Sprecherin auf der re:campaign 2010 in Berlin den Vortrag “Auf dem Weg zur NPO 2.0”. Hier sind die Folien auf slideshare.

Die folgenden Punkte möchte ich aus dem Vortrag besonders herausgreifen:

1. Immer wieder wird im Netz die Frage diskutiert – so auch kürzlich im Blog von Christian Henner-Fehr – ob die Organisationskultur für den Social Media-Einsatz einer Einrichtung wichtig ist und wenn ja, welche Voraussetzungen intern vorliegen sollten.

Meiner Ansicht nach belegt die Empirie ganz deutlich, dass Social Media an sich neutral sind und auch zur einseitigen Kommunikation ohne interaktive Perspektive eingesetzt werden können und eingesetzt werden, wie man speziell an vielen Twitteraccounts sieht. Das Potential von Social Media wird so aber nicht ansatzweise ausgeschöpft. Auch NPOs wollen häufig nur werben, aber keinen Dialog führen, so dass ihre Internetpräsenz verglichen werden kann mit “alter Kommunikation in neuen Kanälen”, wie meine Bloggerkollegin Katrin Kiefer das treffend formuliert.

Ich habe mir – in Anlehnung an einen Aufsatz von Bryer (2009) – Gedanken über die Frage gemacht, welche NPO-Eigenschaften die erfolgreiche Social Media-Nutzung fördern und welche Eigenschaften diese hemmen (Folien 10 und 11) und bin zu folgendem Ergebnis gekommen.

Förderliche Eigenschaften: Wahrnehmung einer Ressourcenabhängigkeit von zivilgesellschaftlichen Akteuren, Partnerschaftsperspektive gegenüber Bürger-Stakeholdern, Interesse an externem Wissen, Selbstwahrnehmung als demokratischer Akteur

Hemmende Eigenschaften: Fixierung auf staatliche Gelder und Stakeholder, fehlende partnerschaftliche Perspektive gegenüber Bürger-Stakeholdern, Rückzug auf den eigenen Expertenstatus, Selbstwahrnehmung als reiner Dienstleister ohne demokratische Funktion

2. Wichtig war mir desweiteren aufzuzeigen, über welche Kompetenzen NPOs verfügen, die mit Social Media kompatibel sind und sehr gut in den digitalen Raum eingebracht werden können (Folien 12 und 13). Dieser ressourcenorientierte Blick stärkt NPOs und führt sie nicht als defizitäre Organisationen vor. Nonprofits sind keine Anfänger, was die dialogorientierte Perspektive angeht und hier häufig viel weiter als staatliche und viele privatwirtschaftliche Organisationen.

3. Die Rolle des Staates darf nicht aus dem Blick geraten, wenn man über hiesige Nonprofits im Sozialbereich spricht. Im Grunde benötigt eine NPO 2.0 eine Staatsverwaltung 2.0 (Folien 26 und 27). Ohne einen kooperativen Staat und entsprechend kooperative Leistungsvereinbarungen mit sozialen Dienstleistern wird es für NPOs im Sozialsektor schwierig werden, den Weg zu einer NPO 2.0, der mehr Dialog, Vernetzung und Partizipation impliziert, zu gehen. Denn eine interaktive, partnerschaftliche Haltung kostet viel Zeit und damit auch Geld. Andererseits profitieren Staat und Kommune von einem Nonprofit-Sektor 2.0, der mit der Zivilgesellschaft online und offline breit vernetzt ist.

4. Über all die Kampagnen hinweg, die im Mittelpunkt der re:campaign standen und im Fokus der dortigen NPOs, sollte man nicht die auf einen längerfristigen Zeitraum hin ausgerichtete Vernetzung mit der Zivilgesellschaft vergessen. Kampagnen tragen einen kurzlebigen Charakter. Der Nonprofit-Sektor könnte aber gerade durch nachhaltige Strategien, deren Zeithorizont über die Gegenwart hinausreicht, zum Beispiel für Politik und Wirtschaft werden, die dem kurzfristigen Denken verhaftet sind durch ihre Konzentration auf den nächsten Wahltermin oder auf die Bilanz des aktuellen Geschäftsjahres.

Kooperation von Fundraising-Plattformen

Ein Thema, das auf dem SocialCamp am vergangenen Wochenende immer wieder angesprochen wurde, war die notwendige Kooperation zwischen Netzwerken und Plattformen unter dem Stichwort ‘Synergie 2.0’.

Passend zu dieser Diskussion kommt via Bloglines und Helpedia der Link auf einen Blogbeitrag von Lucy Bernholz von Philanthropy 2173 . Bernholz schildert die Herausforderung, vor der ein spendenwilliger Internetnutzer in den USA steht: für welche Online Fundraising-Plattform soll er sich entscheiden? Es gibt mehr als zwanzig dieser Plattformen allein im amerikanischen Raum, und ihre Zahl wächst permanent. Das Profil dieser Plattformen ist nicht immer eindeutig. Mehrere haben sich bspw. entwicklungspolitischen Zielen verschrieben. Für einen Außenstehenden ist häufig nicht klar, wo genau die Unterschiede zwischen den Angeboten liegen. Überdies sammeln manche Plattformen nicht nur Geld, manche vermitteln auch Ehrenamtliche oder online-Unterstützer. Auch hier ist die Bandbreite verwirrend.

Noch nicht so unübersichtlich ist die Szene in Deutschland, aber auch hier gibt es immer mehr Plattformen. Es besteht die Gefahr, dass der potentielle Spender den Überblick verliert. Lucy Bernholz empfiehlt den Plattformen, ein gemeinsames Start-Verzeichnis zu schaffen, als Service für die Nutzer und um mehr öffentliche Aufmerksamkeit zu gewinnen. Ein Beispiel, wie man Informationen von unterschiedlichen Webseiten aggregieren kann, liefert Peter Deitz mit seinem Mashup of 29+ Social Action Plattforms . Dieses führt über die Abfrage von Feeds die Informationen von zahlreichen Fundraising Plattformen auf einem Portal zusammen. Der Nutzer kann über das Portal nach sämtlichen Projekten suchen, die von den einzelnen Plattformen angeboten werden. Allerdings wird nicht die komplette Projektbeschreibung angezeigt, sondern das Projekt inhaltlich nur angerissen und dann auf die jeweilige Plattform verlinkt. Der Nutzer landet also in jedem Fall auf einer der Plattformen und kann die Spende nicht über das Mashup abwickeln.

Was auf den ersten Blick bei Nonprofits vielleicht Ängste schürt – immerhin werden bei dem Mashup auch die Treffer der Konkurrenz angezeigt und nicht nur die eigenen Projekte – relativiert sich beim zweiten Hinsehen. Denn der Vorteil einer gemeinsamen Plattform besteht darin, dass die Projekte einer gemeinnützigen Einrichtung überhaupt gefunden werden, was bei der großen Anzahl von Plattform-Anbietern nicht selbstverständlich ist. Über ein solches Mashup verliert man möglicherweise einzelne Spender an eine konkurrierende Organisation, gleichzeitig gewinnt man aber solche hinzu, die die eigene Organisation nicht kannten.

Bernholz stellt die These auf, dass die Tendenz des Internets, die Vermittler zwischen Angebot und Nachfrage überflüssig zu machen (Disintermediation) einen neuen Bedarf produziert: man braucht zunehmend Dienstleister und Infrastruktur, die Kooperationsmöglichkeiten zwischen online Anbietern schaffen und zu Synergien führen. Nur so kann die Masse an Angeboten und Informationen aus dem Internet für den Kunden überschaubar bleiben.

Bei hiesigen Plattform-Anbietern wie Helpedia.org und betterplace.de hat man die Zeichen der Zeit erkannt und diskutiert über eine stärkere Kooperation untereinander, wie es das folgende Protokoll unter dem Titel ‘Engagement 2.0’ belegt.

Meines Erachtens ist nicht nur die stärkere Kooperation zwischen Plattformen notwendig, sondern auch die Schärfung des Profils der einzelnen Anbieter. Obwohl ich mich intensiver mit den Plattformen befasse, könnte ich in einigen Fällen nicht aus dem Stegreif definieren, wie das genaue Leistungsangebot der einzelnen Plattform aussieht und auf welche Zielgruppe sie zugeschnitten ist. Zu wenig fokussiert sind manche Projekte. Aber ein exakt herausgearbeitetes Profil ist Voraussetzung für den Aufbau einer Marke, die der Kunde von anderen Angeboten leicht unterscheiden kann.

Betreuungsleistungen via Internet

Im Internet bilden sich immer mehr Märkte heraus, die den Nonprofit-Bereich unmittelbar tangieren. Während sich für das Online-Fundraising schon zahlreiche Plattformen gebildet haben, die erfolgreich Spenden für gemeinnützige Organisationen sammeln, gibt es nun auch Plattformen für die Vermittlung von Betreuungsleistungen für Familien. Dazu zählt u.a. die Betreuung von Kindern, Senioren und – Haustieren.

Die ambulante Betreuung von Senioren war in der Vergangenheit eine Domäne von Nonprofit-Organisationen. Zwischenzeitlich sind hier gewerbliche Träger und Privatpersonen, häufig aus Osteuropa, sehr aktiv und bilden eine starke Konkurrenz für gemeinnützige Einrichtungen.

Wer bisher nach einer Seniorenbetreuung suchte und sich nicht an die örtliche Sozialstation wenden wollte, musste sich zumeist auf eine beschwerliche Suche nach entsprechenden Anbietern machen und örtliche Beratungsstellen, Behörden, gewerbliche oder gemeinnützige Träger kontaktieren, im Bekanntenkreis recherchieren, eine Zeitungsanzeige aufgeben. Heute hat ein Interessent die Möglichkeit, im Internet nach entsprechenden Anbietern zu suchen.

Seit Dezember 2007 gibt es die Vermittlungs-Plattform Betreut.de. Hier können Anbieter ihr Betreuungsangebot einstellen und potentielle Kunden nach Betreuungsleistungen suchen. Die Plattform hat regionale Schwerpunkte in einer handvoll Großstädten (Berlin, München, Hamburg, Frankfurt). Ihr Schwerpunkt liegt in der Vermittlung von Babysittern, es gibt aber auch schon ein größeres Angebot an Seniorenbetreuern.

Von den Leistungsanbietern erfährt man mindestens die folgenden Kategorien: Name/Ort/Alter/Erfahrung. Ein Blick in das Berliner Angebot der Plattform zeigt, dass es sich bei den Anbietern in der Regel um junge Frauen um die 20 handelt ohne praktische Erfahrung und Qualifikation in der Seniorenbetreuung. Den Vertretern der Pflegeberufe läuft es wahrscheinlich kalt den Rücken hinunter, wenn sie sehen, wie massiv ihr Berufsstand von unqualifizierter Konkurrenz bedroht ist. Aber die Nachfrage von privater Seite nach günstigen Arbeitskräften ist da und schafft sich ihr Angebot.

Die Plattform Betreut.de ähnelt in ihrer Struktur stark der amerikanischen Plattform Care.com, die es seit 2006 gibt. Hier kann man ebenfalls nach Kinder-, Senioren- und Haustierbetreuung suchen und Nachhilfeanbietern. Bei der amerikanischen Plattform gibt es auch die regionale Schwerpunktbildung in zwischenzeitlich über 30 Städten. Und es gibt für die Anbieter fast die identischen Kategorien, aber – im Unterschied zur deutschen Seite – keine Bewertung der Anbieter durch die Kundschaft in Form von Sternchen.

Seniorenbetreuungsleistungen kann man auch über die Plattform minidienste.de (vormals ‘Beeings’) suchen oder anbieten. Allerdings bilden diese hier keinen Schwerpunkt, sondern nur ein kleines Segment der Plattform, die ein breites Spektrum rund um den häuslichen Bereich abdeckt.

Betreuungsangebote und -nachfragen finden sich auch bei exchange-me.de, einer Tauschplattform für private Dienste. D.h. hier werden die Leistungen nicht bezahlt, sondern mit anderen Diensten abgegolten. Diese Plattform kommt wahrscheinlich eher für die Angehörigen von Senioren in Frage, die dann die Gegenleistung für die erhaltene Seniorenbetreuung erbringen müssen.

Fazit: die Entwicklung der Märkte im Internet schreitet voran und die Besitzstände von Nonprofits sind bedroht, – es sei denn, sie nehmen die Herausforderungen des World Wide Web offensiv an und nutzen das Netz für ein besseres Marketing.

(Links via deutsche-startups.de)