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Kategorie-Archiv: Web2.0
Mentale Stolpersteine verhindern effektives Fundraising
Jeff Brooks vom Donor Power Blog stellt in einem Beitrag für das FundRaising Success Magazin eine Liste von sechs Stolpersteinen zusammen, die verantwortlich sind für das Scheitern von Fundraising. Er stellt die These auf, dass diese mentalen Hürden eine dominantere Rolle spielen als mangelnde Ressourcen oder die schlechte Wirtschaftslage. Welches sind laut Brooks die Stolpersteine?
1. Fundraising wird als peinlich empfunden
Einerseits benötigen Nonprofits für ihre Programme private Mittel, andererseits ist es manchen Organisation unangenehm, ihre Abhängigkeit zu akzeptieren, und Außenstehende nach Mitteln zu fragen. Dies führt zu einer, wie Brooks es nennt, brezelartigen Gestalt der Argumentation, die in etwa so verläuft: ‘Vielleicht möchten Sie etwas spenden, es ist aber auch o.k., wenn Sie nichts geben, wir haben noch viele andere Finanzierungsquellen, aber es wäre nett, wenn Sie dennoch spenden”. Brooks hält dagegen und schreibt, dass diese defensive Form der Argumentation unehrlich ist, weil sie die eigene Abhängigkeit leugnet und den Antrieb der Spender nicht richtig einschätzt. “Donors want to be wanted. They need to be needed. They intend to make the world a better place. Coming to the rescue makes them happy. So if you need your donors, go ahead and tell them (…) Asking is a great service. Be proud of it” (Brooks).
2. Der Fundraiser spricht von sich selbst, nicht von den Spendern
Die Gründe, die eine Nonprofit-Einrichtung und deren Fundraiser motivieren, müssen nicht den Spender ansprechen. Laut Brook ist es wichtig, die Sichtweise des potentiellen Geldgebers einzunehmen und aufzugreifen und nicht auf die eigenen Botschaften fixiert zu sein: “For nearly all donors, giving is the medium trough which they relate to you and your cause. Their gifts are the way they translate their values into action” (Brooks).
3. Entscheidungen beim Fundraising werden instinktiv und nicht auf der Basis von Fakten gefällt
Laut Brooks sind die drei folgenden Einschätzungen falsch: die Meinung, dass Spender nicht häufiger angesprochen werden sollten, weil sie eine Pause zwischen den Spenden bräuchten; die Einschätzung, dass die Adressaten es nicht mögen angerufen zu werden und schließlich dass niemand mehr lange Briefe lese. Diese Auffassungen seien nicht bewiesen. Brooks fordert dazu auf, auch Dinge auszuprobieren, die man intuitiv für wenig erfolgreich einschätzt und Fakten darüber zu sammeln, ob manche Strategien dann nicht doch effektiver sind als ursprünglich gedacht.
4. Das Fundraising basiert auf einem Angst-Szenario und nicht auf Entscheidungen, die die Chancen in den Blick nehmen
Brooks spricht davon, dass viele Organisationen sich auf die möglichen Risiken von Handlungen konzentrieren, statt auf die Chancen. Damit baue eine Organisation letztlich Mauern um sich herum, durch die Innovationen nicht mehr dringen (die Sicherheit aber nicht zunimmt). Er appelliert an Nonprofits, Ängste abzulegen.
5. Fundraising-Programme werden zu oft geändert
Brooks ist der Auffassung, dass erfolgreiche und bewährte Fundraising-Programme nicht gestoppt oder grundlegend geändert werden sollten. Er plädiert vielmehr für kleine Änderungsschritte bzw. ein inkrementalistisches Vorgehen. Einschneidende Änderungen könnten zu einem grossen Spendenverlust führen.
6. Fundraiser stemmen sich gegen den Wandel und lehnen Veränderungen ab
Brooks geht davon aus, dass Nonprofits auf eine neue Ära zugehen: die alte Spendergeneration stirbt, die neuen Spender der geburtenstarken Jahrgänge sind in vielem anders als ihre Vorgänger. Anders ist auch der technologische Rahmen, in dem das Fundraising zukünftig stattfinden wird, nämlich dominiert vom Internet. Deshalb ist es laut Brooks notwendig, sich auf das neue Medium im Fundraising einzulassen: “Change or die”. Er sagt voraus, dass diejenigen Nonprofits, die den Wandel nicht begreifen und in ihre Strategien aufnehmen, untergehen werden.
Insgesamt ein lesenswerter Beitrag, der prägnant die Stolpersteine aufzählt, an denen das Fundraising von gemeinnützigen Organisationen Scheitern kann. Das Problem laut Brooks ist: die mentalen Stolpersteine können nur sehr schwer beiseite geschafft werden.
Situation in der Pflege – Reaktionen von der Basis
Beruflich war ich in dieser Woche drei Tage auf der Messe Pflege&Reha in Stuttgart, wo ich gemeinsam mit Cora Burger einen Stand hatte zum Thema Nonprofits und Web 2.0.
Wir hatten u.a. die Möglichkeit, hier mit vielen Pflegekräften ins Gespräch zu kommen. Was berichten die ‘front line worker’ von ihrem Alltag? Grundsätzlich, dass hinten und vorne die Zeit in den Einrichtungen fehlt und es schwierig ist, mehr als eine Satt-und Sauber-Pflege zu leisten. Dass das Einkommen niedrig ist und der berufliche Status von Pflegern sehr ambivalent (einerseits schätzt jeder die Pflegenden, selbst machen wollen den Job aber nur wenige). Die Heime haben wohl Probleme, gute Fachkräfte zu bekommen. Überhaupt ärgern sich viele über den Einsatz von so vielen Ungelernten oder Angelernten in der Pflege. Das entwertet ihrer Ansicht nach ihren Beruf. Schwierig ist auch die Abgrenzung zum Ehrenamt, das zum Teil als Bedrohung des Berufstandes gesehen wird. Obwohl man meines Erachtens das Profil des Berufsstandes durch die Zusammenarbeit mit dem Ehrenamt noch aufwerten könnte. Denn die Pflegenden würden dann zu einer Art ‘Gemeinwesenmanager’, weil sie durch die Einbindung der freiwilligen Helfer wichtige Integrations- und Fortbildungsarbeit erbringen. Das müsste natürlich honoriert werden, denn dem Berufsstand wird schon so genügend aufgebürdet.
Der Dachverband der baden-württembergischen Pflegeberufsverbände, der uns gegenüber einen Stand hatte, sieht die Zukunft des Pflegeberufes positiv: die steigende Nachfrage nach Pflegekräften angesichts der Überalterung der Gesellschaft werde zu steigenden Einkommen und steigendem Status in dem Beruf führen. Ich hoffe, die Verbandsvertreter behalten hier recht. Aber ich denke, dass in Zukunft ein breites Netzwerk an Ehrenamtlichen unerlässlich sein wird für die Einrichtungen und die Kooperation zwischen Fachkräften und Laien sich weiterentwickeln wird und muss.
Was Web 2.0 bzw. die Möglichkeiten des Internets für gemeinnützige Organisationen angeht, so sind die Heimträger hier noch Lichtjahre vom Thema entfernt. Manche sehen aber die Notwendigkeit, in diese Richtung zu denken. Wobei ich mich frage, ob sie den mentalen und kulturellen Wandel, der hinter den interaktiven Anwendungen steht, auch in den Blick fassen. Dieser läuft der hierarchischen Steuerung diametral entgegen, welche, so das Feedback der Pflegekräfte, den stationären Sektor noch dominiert.
Nachtrag: mit der oben durchgestrichenen Formulierung bin ich über das Ziel hinausgeschossen und ernte dafür Vorwürfe. Also: ganz so schwarz ist die Situation nicht. Die Wortwahl geht auf meine Ungeduld zurück, mit der ich den Nonprofit-Sektor begleite, den ich sehr schätze und von dem ich mir mehr Enthusiasmus gegenüber dem Social Web wünschen würde. Wenn man jemanden sympathisch findet, wie ich gemeinnützige Organisationen, bleibt man nicht gleichgültig. Die ganze Leidenschaft steckt dann in der Überzeugungsarbeit. Und manchmal bricht die Frustration durch, leider.