NPO-Verwaltungskosten und die Erwartungen von Spendern

Nonprofit-Organisationen stehen im Wettbewerb um Spenden, ebenso die Fundraising-Plattformen im Netz. Da es dutzende von Plattformen gibt, würde man erwarten, dass das Angebot an Hilfsprojekten in der Regel die Nachfrage übersteigt. Dass es auch anders herum geht, ist an Kiva zu beobachten, der amerikanischen Plattform, die Mikrodarlehen an Kleinunternehmer in Entwicklungsländer vermittelt. Weltweit können Menschen über Kiva entsprechende Darlehen vergeben, ab 25 Dollar ist man dabei. Das Versprechen der Organisation lautet: 100% des Darlehens kommen beim Empfänger an, d.h. Kiva behält von dem Geld nichts für die eigene Organisation ein. Nun ist Kiva über die Fernsehberichterstattung so populär geworden, dass die Nachfrage nach Kiva-Projekten massiv wuchs und das Angebot an Projekten weit übersteigt. Wäre Kiva ein Supermarkt, würde man sagen, sie sind komplett ausverkauft. Was also tun?

Der Autor des Tactical Philanthropy-Blogs schlägt vor, das Ungleichgewicht zwischen Angebot und Nachfrage durch eine Preiserhöhung zu beseitigen. Wenn der einzelne von seinem Darlehen nur 90% zurück bekäme und der Rest des Geldes an Kiva ginge, könnte die Organisation damit neues Personal einstellen und neue Projekte suchen. Kiva hat sich jedoch für eine Art Rationierung entschieden: die Höhe der Darlehen, die man geben kann, soll 25 Dollar nicht mehr überschreiten, so dass mehrere Menschen die Möglichkeit haben, sich bei Kiva als Darlehengeber einzubringen. 10% der Darlehen für die eigene Organisation zu nutzen, lehnt Kiva ab, weil es ihrer Botschaft widerspräche, dass 100% des Geldes bei den Empfängern ankommt.

Die Diskussion wirft die Frage auf, was eine Nonprofit-Verwaltung kosten darf bzw. welcher Anteil von den Spendengeldern einbehalten werden kann, um die sozialen Programme zu managen. Die Frage ist hier in Deutschland auch durch die Vorgänge bei Unicef sehr aktuell. Man sieht am Beispiel von Kiva, dass ein Geschäftsmodell, das die eigene Verwaltung ausblendet, an Grenzen stösst und die Nachfrage nach Hilfsprojekten nicht bedienen kann, obwohl objektiv Hilfsbedarf besteht.

Weshalb blenden Spender aus, dass Hilfsprojekte auch effektiv verwaltet werden müssen und diese Verwaltung Geld kostet? Weshalb strebt jeder danach, dass seine Spende zu 100% bei den Empfängern ankommt und berücksichtigt nicht die Steuerungsqualität, die den Projekten zugrunde liegen muss (und die natürlich Geld kostet)?

Ein Kommentator des Tactical Philanthropy-Beitrags stellt die These auf, dass Spender sich selbst als Programm-Administratoren fühlen wollen und nicht die Nonprofit-Organisation in dieser Rolle sehen:”Kiva’s breakthrough (in attracting donor attention) is also, in my opinion, its Achilles’ heel in terms of effectiveness. Donors like it because by giving $25, they feel like a program administrator, making an identifiable impact in someone’s life. But frankly, a $25 donor really shouldn’t be a program administrator. ”

Ich persönlich halte es für legitim, wenn ein gewisser Anteil der Spenden für Verwaltungsaufgaben eingesetzt wird. Für den Kunden bzw. den Spender einer NPO wäre es jedoch wünschenswert, wenn die Verwaltungskosten online vollkommen transparent gemacht würden. Insofern schließe ich mich der Hoffnung des obigen Kommentators an: “I’d like to see something Kiva-like where the donor sees the full cost of getting money/support into the hands of those who need it (appropriately screened, with the screening costs visible), along with context of WHY certain types of projects are likely to be effective.”

Fördert die Mitgliedschaft in Online-Communities das soziale Engagement?

Communities wie Facebook oder Spenden-Plattformen wie Change.org bieten die Möglichkeit, Netzwerke zu sozialen Themen oder zugunsten von Nonprofit-Organisationen zu bilden. Wird diese Möglichkeit von Community-Mitgliedern genutzt?

Daten gibt es hierzu aus den USA von der Annenberg School for Communication (University of Southern California). Im Rahmen ihres 2008 Digital Future Projects wurden 2000 Personen dazu befragt, inwieweit sie online sind und das Internet auch für soziales Engagement nutzen.

Dabei stellte sich heraus, dass 15% der befragten Internetnutzer Mitglied einer Online-Community sind. Dreiviertel der Community-Mitglieder sind auch in Netzwerken vertreten, die sich sozialen Themen widmen. Fast alle wurden durch ihre Community-Mitgliedschaft auf neue soziale Themen und Netzwerke aufmerksam. Das Internet hilft ihnen dabei, über ihre sozialen Anliegen informiert zu bleiben. Obwohl viele der Befragten im Internet für eine gute Sache aktiv sind, sagten nur 16%, dass sie infolge ihres Online-Engagements auch stärker in Offline-Aktivitäten eingebunden sind. Eine wachsende Anzahl berichtet, dass ihr soziales Engagement in Nonprofit-Organisationen gleich geblieben ist und durch ihre Online-Aktivitäten nicht wuchs.

Aus die Studie lässt sich folgendes Fazit ziehen: 1. Die Bedeutung der Mund-zu-Mund-Propaganda im Internet spielt auch bei der Auswahl von sozialen Projekten eine wichtige Rolle, 2. das soziale Engagement der Community-Mitglieder konzentriert sich auf Online-Formen (Online-Spenden, Online-Projektbegleitung) und nicht auf das konkrete Engagement vor Ort, 3. Nonprofits scheinen vom Engagement übers Internet zwar finanziell zu profitieren und in Form von politischer Unterstützung und Kampagnen, aber nicht in Form von konkretem freiwilligen Engagement, das offline stattfindet.

Gibt es entsprechende Daten auch für Deutschland oder die Europäische Union?

Wie verändert das Internet die Beziehungen zwischen NPOs und ihren Spendern?

Inspiriert von einem großartigen Beitrag vom britischen NCVO Third Sector Foresight über “charitable giving and fundraising in a digital world” möchte ich heute im Anschluss an meine Beiträge über Online Spenden-Plattformen das Verhältnis Spender-NPO nochmals genauer analysieren. Wie verändert das neue Mitmach-Netz diese Beziehung?

Das Web2.0 verändert die Machtverhältnisse zwischen Spendern und NPO. Während in der Vergangenheit die Kontrolle über die Botschaft, die Projekt-Informationen, die Projektgestaltung in der Hand der NPOs lagen und Spender zwar Geld geben, aber nicht partizipieren konnten, verschiebt das Internet die Machtbeziehungen zugunsten der Spender. Letztere entscheiden im Rahmen von Spenden-Plattformen immer differenzierter, wem sie ihr Geld geben und welchen Mehrwert (in Form von Informationen, persönlicher Ansprache, Mitwirkungsmöglichkeiten) sie dafür für sich persönlich erwarten. Immer mehr Spender werben auf ihren eigenen Webseiten oder in ihrem Netzwerk für eine NPO/ein Projekt. Diese Form des Fundraising über persönliche Beziehungen und Empfehlungen nimmt zu. NPOs haben darauf keinen direkten Einfluß.

Herausforderungen für Nonprofit-Organisationen:

  1. Viele Spendenwillige werden zukünftig häufiger direkt an ein Projekt spenden wollen und NPOs als institutionelle Träger umgehen, mit dem Argument: dann kommt das Geld unmittelbar zu den Bedürftigen und bleibt nicht zu einem Teil in der NPO-Verwaltung hängen. D.h. NPOs verlieren potentielle Spender an bürgerschaftliche Projekte und Initiativen. Es gibt mit GlobalGiving eine online Spenden-Plattform, die sich speziell an Spender richtet, die Hilfsprojekte direkt vor Ort unterstützen wollen.
  2. Spenden-Plattformen bieten solchen Projekten eine Chance, die inhaltliche Nischen abdecken. Das Internet mit seinen Suchmöglichkeiten sorgt dafür, dass Spender mit entsprechenden Interessen auch diese Nischenanbieter finden werden. D.h. es werden Gelder weg von den etablierten sozialen Dienstleistungen hin zu neuen Projekten und Diensten fließen.
  3. Da Spender immer gezielter nach einem Hilfsprojekt suchen können, das sie interessiert, werden bei NPOs die Spendenmittel für allgemeine Töpfe, die nicht projektgebunden sind, zurückgehen.
  4. Es wird für NPOs immer schwieriger werden, auf dem riesigen Markt an Projekten Spendenwillige für das eigene Nonprofit-Anliegen zu gewinnen. Welchen Content, welche Einflussmöglichkeiten muss eine NPO zukünftig Spendern bieten, um im Internet konkurrieren und bestehen zu können?
  5. Wie oben erwähnt: persönliche Empfehlungen zwischen Personen im Rahmen von online Netzwerken erlangen immer mehr Bedeutung. Die NPO hat darüber keine Kontrolle. Das traditionelle Modell der NPO “sitting at the centre of fundraising relationships is being challenged by ICT. Online activity such as blogs allow donors and recipients to directly share their own experiences with little technical knowledge, whilst online communities and networks mean messages can be spread horizontally between individuals rather than outwards from a central source.” (NCVO Third Sector Foresight)
  6. Die Öffentlichkeitsarbeit und das Marketing von NPOs werden sich ziemlich ändern müssen: weg vom Monolog (“is your fundraising a long, dull conversation?”), hin zum Dialog. Oder wie Jeff Brooks vom Donor Power Blog richtigerweise formuliert: es geht bei der Kommunikation mit den Spendern nicht darum, selbstreferentiell die eigene Botschaft zu präsentieren, sondern dem Spendenwilligen aufzuzeigen, wie die eigene NPO in das Leben des Spenders passt: “Fundraisers are fond of talking about themselves because their organizations have spent great effort being good at what they do. Why not tell everyone about that? they must figure. But just remember, it doesn’t work. Talk to the donor about the donor. The only things you say about yourself are the things that show how you fit into their world” (Jeff Brooks)
  7. Durch den Stellenwert, den das Thema ‘Online Fundraising’ erhält und die zunehmende Konkurrenz um Spenden besteht die Gefahr, dass NPOs sich auf Spender konzentrieren und andere Stakeholder, deren Ressourcen auf den ersten Blick nicht so offensichtlich sind wie im Fall der Spendenwilligen, vernachlässigt werden.
  8. Wenn Spender sich mehr in die von ihnen unterstützten Projekte einbringen wollen und nach inhaltlicher Mitbestimmung streben, dann taucht die Frage auf, wie unabhängig eine NPO noch arbeiten kann bzw. welche Gruppen mit welchem soziodemographischen Hintergrund mehr Einfluss auf die NPO gewinnen.