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Mangelnde Transparenz im Nonprofit-Sektor: Folgen für das Spendenaufkommen

Das Spendenvolumen in Deutschland ist im ersten Halbjahr 2008 wieder gestiegen. Das ist die gute Nachricht. Die schlechte ist, dass die Gesamtspendenbereitschaft in der Bevölkerung deutlich sinkt und nur noch rd. 24% Spenden für selbstverständlich halten. Die ‘Bilanz des Helfens’ des Deutschen Spendenrates zeigt: die Skepsis der Bürger gegenüber dem Nonprofit-Sektor wächst. Die Kosten für Organisation und Verwaltung werden für zu hoch gehalten.

Offensichtlich wünschen sich die meisten Spender, dass ihr finanzieller Beitrag möglichst vollständig bei dem ausgewählten Projekt oder beim Hilfsbedürftigen selbst ankommt. Dementsprechend gibt es auch einen Trend zu Spenden in der Nachbarschaft oder an die Hilfsbedürftigen, die einem Spender persönlich bekannt sind. Etablierte Trägerorganisationen riskieren, ihre Mittlerrolle zwischen Spendern und Hilfsprojekten zu verlieren, weil die Spender zunehmend zu Fundraising-Plattformen und Initiativen wandern, die das Geld ohne Abzug dem Spendenzweck zuführen (dazu hier mehr).

Das wachsende Misstrauen in der Bevölkerung haben Nonprofit-Organisationen selbst verschuldet. Ursächlich hierfür ist die mangelnde Transparenz des Sektors, der im vergangenen Jahr in der Unicef-Affäre gipfelte. So gut wie keine Organisation klärt die Spender öffentlich darüber auf, wie professionell im Nonprofit-Sektor gearbeitet werden muss, um nachhaltige Ergebnisse zu erzielen. Dies impliziert Ausgaben für Verwaltung, Controlling, Fundraiser usw. Solange man die Spender über die Arbeitsbedingungen im Unklaren lässt, können Misstrauen und Vorwürfe in der Bevölkerung gedeihen. Erst wenn eine Organisation Budgets, Abläufe und Kosten offenlegt, kann man in einen Dialog mit den Spendern eintreten. Vorher ist dies unmöglich, weil NPO und Spender hinsichtlich des Informationsstandes nicht auf derselben Augenhöhe agieren.

Die Forderung nach Transparenz wird durch das Internet noch verstärkt werden. Hier haben Spender die Möglichkeit, sich von zu Hause aus in aller Ruhe ein umfassendes Bild von den unterschiedlichen Nonprofit-Organisationen zu machen. Wie wichtig das Internet für Spender zwischenzeitlich ist, belegt eine amerikanische Studie, die ich im letzten Blogbeitrag besprochen habe.

Die Organisation, die sich offen präsentiert, wird den Wettbewerb um private Spenden gewinnen. Wenn die etablierten Nonprofits nicht endlich die Geheimniskrämerei bezüglich ihrer Organisation und ihren Finanzen beenden, dann wird die Spendenbereitschaft noch weiter sinken und werden Spender noch häufiger zu den Graswurzel-Initiativen abwandern, die einen vertrauenswürdigeren Eindruck machen und Spender als Ressourcenlieferanten ernst nehmen. Da ein Großteil der Mittel, die professionelle Nonprofit-Dienstleister erhalten, aus öffentlichen Quellen stammt, hat die Öffentlichkeit ein Recht auf Aufklärung und Transparenz.

Wie wichtig Offenheit in Zeiten von skeptischen Spendern ist wird auch im Nonprofit Consultant Blog und im Donor Power Blog diskutiert. Jeff Brooks Rat an Nonprofit-Organisationen: "When you don’t make information easily availab1le, you seem to be hiding something. Don’t let that happen to you!".

Das Internet wird für Spender immer wichtiger

Die Empfänger von Nonprofit-Spendenbriefen recherchieren immer häufiger im Internet, bevor sie einer gemeinnützigen Organisation Geld überweisen. Dies ist das Ergebnis einer amerikanischen Studie, die im Wild Apricot Blog besprochen wird. Von den 1000 befragten Personen suchen 44% (2005:25%) im Internet nach Informationen über die Nonprofit-Organisation. Die meisten Nutzer steuern die Webseite der NPO an (37%), weniger recherchieren in Datenbanken wie GuideStar (24%) oder in Online-Diskussionsgruppen (10%) und Blogs (8%). Keineswegs sind es nur die jüngeren Nutzer, sie sich vor einer Spende im Internet kundig machen. Gerade bei den älteren Menschen über 65 Jahren verdreifachte sich die Zahl derjenigen, die das Internet zu Rate ziehen.

Die Befragung zeigt, welchen enormen Stellenwert eine Nonprofit-Webseite hat. 2005 suchten nur 19% der Befragten die Organisations-Webseite auf, 2008 hat sich die Anzahl fast verdoppelt (37%). Die Organisations-Webseite erweist sich als die Anlaufstelle im Netz, wenn Informationen über eine gemeinnützige Einrichtung gesucht werden.

Spendenbriefe und Webseite können infolgedessen nicht unabhängig voneinander betrachtet werden, so als hätten beide nichts miteinander zu tun, weil das eine im Print- und das andere im Online-Bereich existiert. Vielmehr muss eine Nonprofit-Organisation, die erfolgreich Spenden sammeln möchte, beide Kommunikationswege aufeinander abstimmen. Das heißt, auf der Webseite müssen sich Informationen befinden, die den Spendenbrief inhaltlich ergänzen. Der Nonprofit Times-Studie zufolge sollte die Verbindung zwischen Webseite und Spendenbrief auch optisch deutlich werden, indem man ein gemeinsames Symbol benutzt, das dem Internetnutzer zeigt: hier gibt es auf der Webseite weitere Informationen zum Spendenbrief bzw. einer bestimmten Spendenkampagne.

Die Studie bestätigt, dass online und offline-Aktionen miteinander kombiniert werden müssen. Sie können nicht in getrennten Sphären stattfinden, nach dem Motto: für ältere Menschen Spendenbriefe, für jüngere Zielgruppen die Webseite. Die Adressaten nutzen unterschiedliche Informationskanäle, entsprechend vielfältig und aufeinander abgestimmt sollten auch die Fundraising- und Marketing-Aktivitäten einer Nonprofit-Organisation sein.

Wenn Spender immer häufiger die NPO-Webseite ansteuern und diese als Haupt-Anlaufstelle einer NPO im Netz begreifen, dann muss dies auch Folgen für den Aufbau und die Inhalte des NPO-Internetauftritts haben. Notwendig sind Transparenz und Interaktivität. Oder wie es im Wild Apricot Blog heißt: “what do your prospective donors find, learn, and experience, when they visit your organization’s website?”. Mehr zum Thema ‘Transparenz von Nonprofit-Webseiten’ im nächsten Blog-Beitrag….

Web2.0 – Marketing-Tool oder Konversationsinstrument ?

Auf Kivi’s Nonprofit Communications Blog ist eine kontroverse Diskussion zwischen Nonprofit-Bloggern entstanden. Die Diskussion dreht sich um die Frage, ob es legitim ist, wenn Nonprofits Online-Netzwerke zu Marketing-Zwecken nutzen. Oder ob in den Netzwerken nicht die Konversation mit den Stakeholdern im Vordergrund stehen sollte, d.h. das ‘Hören’ und ‘Lernen’ und nicht das ‘Werben’.

Kivi Leroux Miller selbst zählt zu den Marketing-Befürwortern und betont, dass insbesondere kleine Nonprofits mit geringem Budget auf Online-Netzwerke als Vermarktungskanal angewiesen sind. Beth Kanter hingegen neigt eher zu der idealistischen Haltung, die den Wert der nicht-nutzenorientierten Konversation mit den Stakeholdern betont.

Wie sieht – unabhängig von der Diskussion zwischen Bloggern – die Realität aus? Gibt es überhaupt eine breite Bewegung unter den Nonprofits, die Online-Netzwerke zu Marketing-Zwecken nutzt? Oder allgemeiner gefragt: Welche Ziele verfolgen Nonprofits mit Ihrer Internetpräsenz?

Die empirische Studie von Linda Jean Kenix ‘The Internet as a tool for democracy? A survey of nonprofit Internet decision-makers and Web users’ in der Juli-Ausgabe von First Monday bringt Licht ins Dunkel. Die Autorin hat fast 700 Personen aus kleinen amerikanischen Nonprofit-Organisationen befragt, darunter mehr als 400 Personen, die für die Web-Inhalte ihrer Einrichtung verantwortlich sind.

Die Studie zeigt, dass 41% der befragten 429 Online-Autoren aus NPOs den Hauptzweck ihrer Internetpräsenz darin sehen, Informationen bereitzustellen. 38,6% möchten für ihre Organisation werben. Nur 6,5% wollen über ihre Internetpräsenz in die Diskussion mit den Stakeholdern eintreten. Nur 3,5% zielen auf das Online-Fundraising (S. 7).

Obwohl die befragten Nonprofit-Akteure den Schwerpunkt im Internet auf die Information legen, nutzen sie laut der Studie die Möglichkeiten, die eine Webseite hier bietet, nur mangelhaft aus und versäumen es, Newsletter, freie Stellen, Protestformulare usw. ins Netz zu stellen. Gleichzeitig zeigt die Untersuchung, dass 81% der Befragten, die der Nonprofit-Organisation verbunden sind, ohne selbst Inhalte einzustellen, von den Informationen ihrer gemeinnützigen Einrichtung gar nicht profitieren, weil sie deren Internetauftritt nicht besuchen und sich Informationen über persönliche Kontakte beschaffen.

Letzteres macht deutlich, dass den befragten Nonprofits die Verbindung zu den Stakeholdern noch nicht gelingt und – wie oben erwähnt – diese Interaktivität auch kein vordringliches Ziel für die Verantwortlichen darstellt. Auch die angestrebte Werbung für die eigene Organisation wird in der Praxis so nicht umgesetzt. Nur ein Fünftel der befragten Nonprofit-Akteure, die Inhalte für das Netz erstellen, berichten, dass sie das Internet tatsächlich auch für Marketingzwecke nutzen (S. 11).

Das Fazit der Autorin:"Thus the Internet appeared to be primarily a tool for gathering and providing information for non-profit organizations, rather than contact with members, fund-raising or promotion" (Kenix 2008, S. 12).

Angesichts der beschränkten Zahl von untersuchten Nonprofits kann man das Ergebnis nicht verallgemeinern, aber die Tendenz herauslesen, dass NPOs die bestehenden Online-Netzwerke weder massiv für Marketingzwecke nutzen noch zur intensiven Konversation mit den Stakeholdern. Die kontroverse Diskussion in der Blogosphäre zu diesem Thema, die eingangs erwähnt wurde, spiegelt wohl eher die persönlichen Wünsche und Einstellungen der Autoren wider, statt die tatsächlichen Verhältnisse. Momentan scheinen Nonprofit-Organisationen noch im Zustand von Web 1.0 zu verharren (Informationsbereitstellung) und den Weg zur Interaktivität (Web2.0) noch nicht gefunden zu haben.