Auf welche Weise man die Wirkung gemeinnütziger Projekte auf die Gesellschaft – den “social impact” – messen kann und ob man den impact der Projekte überhaupt messen sollte, ist im Dritten Sektor immer noch hoch umstritten.
Die kontroverse Debatte zwischen zivilgesellschaftlichen Akteuren und Vertretern der Wirkungsmessung wurde auch im Unterausschuss “Bürgerschaftliches Engagement” des Bundestags sichtbar. Hier stand PHINEO, eine Bertelsmann-Gründung, mit den eigenen Wirkungsanalysen in der Kritik. PHINEO reiht sich ein in die vielen unterschiedlichen Projekte, die weltweit entwickelt werden, um die Leistungsfähigkeit von gemeinnützigen Organisationen transparenter zu machen. Auf diese Weise will man Spendern, Stiftern und engagierten Unternehmen, die eine gute Organisation für ihr “Investment” suchen, Informationen und Hilfe an die Hand geben. Zu nennen sind hier Plattformen und Projekte wie Give Well, Philanthropedia, Charity Navigator, das Center for Effective Philanthropy und das Charting Impact Projekt. Einen guten Überblick über die Akteure der strategischen bzw. outcome-orientierten Wohltätigkeit liefert der Beitrag von Paul Brest in der Stanford Social Innovation Review.
Wie virulent das Thema Wirkungsmessung ist, zeigt auch die Gründung der “Social Impact Analysis Association” in London – ebenfalls ein Bertelsmann-Projekt – , die professionelle Wirkungsanalysten zu einem Austausch über Messmethoden zusammenbringen möchte.
In einem Aufsatz für das International Journal of Nonprofit and Voluntary Sector Marketing setzen sich Polonsky und Grau (2011), zwei amerikanische Forscher, mit den Methoden zur sozialen Wirkungsmessung auseinander.
Ihnen zufolge liegt das Grundproblem des Themas darin, dass es keine allgemein akzeptierte Definition des “social impact” gibt, – jeder Akteur – Spender, NPO-Mitarbeiter, Unternehmensvertreter, Nutzer von Diensten – versteht darunter etwas anderes und würde die Wirkungsanalyse anhand unterschiedlicher Kriterien durchführen. Die beiden Forscher ziehen sich auf die Definition zurück, dass unter dem “social impact” die gesamte Wirkung zu verstehen ist, die eine gemeinnützige Organisation auf ihre Stakeholder hat (Polonsky/Grau 2011, 196).
Weshalb eine Evaluation der Wirkung von Nonprofits sinnvoll ist, beantworten Polonsky/Grau wie folgt (2011,197f):
1. Eine solche Untersuchung kann zur kritischen Überprüfung von Organisationspraxis und -strukturen beitragen. So ist z.B. unklar, ob die in den vergangenen Jahren durchgeführte Ökonomisierung der gemeinnützigen Dienstleister tatsächlich zu besseren gesellschaftlichen Ergebnissen ihrer Projekte geführt hat.
2. Spender wünschen sich zunehmend mehr Transparenz im Nonprofit-Sektor. Sie wollen von den Trägern wissen, wie effektiv Spenden eingesetzt werden, d.h. wie gut – oder weniger gut – soziale Probleme von der Organisation gelöst werden konnten
3. Das Aufzeigen der eigenen Wirkung kann zu einer größeren Gleichbehandlung von Projekten führen, die momentan aufgrund der unterschiedlichen Popularität von Themen und Klienten nicht gegeben ist
Welche Argumente zählen die Forscher gegen die Wirkungsmessung auf?
1. Nonprofits werden zu strategischem Verhalten, das auf Effektivität zielt, animiert.
2. Der Zwang zu möglichst hohem impact schränkt die Risikofreude und die Lust am Experimentieren und damit auch die Lernmöglichkeiten ein.
3. Wenn die Wirkungsmessung von externen Partnern verlangt wird – von Spendern, Stiftungen, dem Staat – dann werden Nonprofits Indikatoren aufgezwungen, die sie selbst für ihre Arbeit niemals wählen würden. Polonsky und Grau sprechen von dem Gefühl Gemeinütziger, “that they are being micro-managed by major funders” (2011, S. 198).
4. Werden die Ergebnisse der Wirkungsmessung veröffentlicht oder wird ein Ranking erstellt, dann müssen Einrichtungen mit geringem impact mit einem Abfluß von Spendenmitteln rechnen.
Polonsky und Grau stellen die populärsten Ansätze, die zur Wirkungsmessung in der Praxis benutzt werden, vor. Das Problem ist, dass die Ansätze sich sehr voneinander unterscheiden und insofern auch die Messergebnisse untereinander nicht vergleichbar sind. Jeder Ansatz verfolgt eine ganz bestimmte, eingeschränkte Perspektive, die der Multidimensionalität von Nonprofits nicht gerecht wird.
Der ROI (Return on Investment) fokussiert auf die Finanzströme in gemeinnützigen Organisationen. Untersucht wird, welcher finanzielle Mehrwert den Investitionen gegenüber steht. Der SROI (Social Return on Investment) untersucht auch Finanzströme, bezieht aber die Kosten und den outcome für die unterschiedlichen Stakeholder mit ein. Der QIA (Qualitative Impact Approach) konzentriert sich auf die qualitative Erhebung der Leistungsfähigkeit einer Organisation bzw. ihrer capacities.
Aus den Ausführungen der Forscher über die drei Messmethoden lässt sich ihr jeweiliges Profil bestimmen:
Häufig wird versucht, die Ansätze zu kombinieren und quantitative und qualitative Messmethoden zusammenzubringen. Dennoch wird es unmöglich sein, von “oben herab” ein Messmodell zu entwickeln, das alle befriedigt – zu unterschiedlich sind die Auffassungen darüber, was der Dritte Sektor leisten soll, welche Wirkungen erwünscht sind und wie man diese am Besten analysieren kann.
Holger Kimmer vom Projekt Zivilgesellschaft in Zahlen regt an, in den Wirkungsanalysen über den Nonprofit-Bereich neben Effizienz und Effektivität auch die zivilgesellschaftlichen Aktivitäten einer gemeinnützigen Organisation bzw. ihre demokratische Leistungsfähigkeit zu berücksichtigen. Wie könnte dies jenseits von top-down-Konzepten realisiert werden?
Man müsste vor Ort in den Einrichtungen die Evaluationskriterien mit den unterschiedlichen Stakeholdern gemeinsam erarbeiten. Die Rolle der Freiwilligen wäre es, hier die bürgerschaftliche Perspektive in die Diskussion einzubringen. Die dezentral und kollaborativ erarbeiteten Evaluationskriterien müssten dann auf Sektorebene zu einem Katalog zusammengefasst werden, der wiederum auf die lokale Ebene wirkt. Man könnte so die Pluralität der Perspektiven – auch die zivilgesellschaftliche – besser in der Evaluation abbilden, als dies top-down-Konzepte leisten.
Die Evaluationskriterien der Stakeholder könnte eine Organisation im Rahmen eines World-Cafés oder einer Open Space-Veranstaltung abfragen, – siehe meinen letzten Blogbeitrag über “Führung in Vereinen, – vom ‘Held’ zum ‘Gastgeber'”.
Zusätzlich könnte der Dritte Sektor bzw. könnten die großen Verbände auch online eine öffentliche Diskussion darüber anstoßen, was Bürger von Nonprofits erwarten, was ihnen ganz besonders wichtig ist und welche Kriterien sich für eine Messung des impacts eignen könnten.
Mehr Öffentlichkeit und Bürgerbeteiligung wird aber gescheut von den großen Trägern. Sie bevorzugen Gespräche hinter verschlossenen Türen und “untereinander” (UA 2011, S. 13), statt mit den Bürgern. Dabei ist Transparenz das A und O, wenn es um Evaluation geht. Evaluationskriterien und -abläufe müssen offengelegt werden, damit jeder beurteilen kann, auf welcher Grundlage und durch wen der impact eines Trägers gemessen wurde.
Gemeinnützige Organisationen fühlen sich gegenüber Akteuren wie PHINEO in der Defensive – die Diskussion im oben erwähnten Unterausschuss belegt dies. Nonprofits sollten in der Tat selbst aktiv werden und Wirkungsansätze entwickeln, die ihren Vorstellungen und ihrer Komplexität besser entsprechen, – aber nicht hinter verschlossenen Türen, sondern gemeinsam mit ihren (Bürger)Stakeholdern.
Vielen Dank für den Aufschlag. Aus Organisationssicht finde ich einen allgemeinen Messwert sehr schwierig. Letzten Endes geht es um Erfolg, also das Erreichen selbst gesetzter Ziele. Jeder generelle Messwert, kann sich nur auf generelle Ziele beziehen. Das ist okay, wenn ich eine Aussage für Investoren/Spender machen will. Organisationen brauchen aber erst einmal eine Methode um ihren eigenen Erfolg zu messen und damit immer und immer wieder zu überprüfen ob sie auf dem richtigen Weg sind IHRE Ziele zu erreichen. (Das sie dafür klar definierte Ziele brauchen steht auf einem anderen Blatt und ist durchaus für manche Organisationen ein Problem.)
Danke für den Kommentar!
Unabhängig von der Bedeutung der individuellen Ziele einer Organisation halte ich die Vergleichbarkeit von Einrichtungen sehr wichtig. Nicht nur wegen den Anforderungen von Spendern und Investoren, sondern wegen den Lern- und Weiterentwicklungsmöglichkeiten der einzelnen Einrichtung. Nonprofits lernen in erster Linie von Nonprofits – und nicht so sehr von anderen Bereichen.
Ein Katalog mit Messkriterien auf sektoraler Ebene, die dezentral und kollaborativ entwickelt werden, böte die Gewähr, dass sich Nonprofits mit ihren individuellen Zielen darin wiederfinden würden. Gleichzeitig wäre so aber auch die Vergleichbarkeit von Einrichtungen weiterhin gegeben.