Kategorie-Archiv: Partizipation

Nutzen von Web 2.0 für Nonprofits

Das amerikanische Public Learning Media Laboratory hat gemeinsam mit Citizen Schools im März eine kleine Umfrage über den Nutzen von Web2.0-Tools für Nonprofit-Organisationen veröffentlicht. An der freiwilligen Online-Befragung haben sich 59 Nonprofit-Vertreter beteiligt. Da die Umfrage über Blogs und Foren lanciert wurde, trifft sie von vornherein auf Adressaten, die im Netz aktiv sind. Die Ergebnisse lassen sich also nicht verallgemeinern, sondern erhellen lediglich die Erfahrungen dieser spezifischen Nonprofits, die an der Umfrage teilgenommen haben.

Auf die Frage, welche der neuen Technologien die teilnehmenden NPOs schon für ihre Einrichtung nutzen oder genutzt haben, geben 71% Blogs an, 65% Facebook und 55% YouTube. Andere Tools spielen eine geringere Rolle. Befragt nach dem Nutzen, die Web2.0 diesen NPOs schon gebracht hat, sagen 60% der Teilnehmer, dass Blogs einen mittleren/hohen Nutzen mit sich brächten ebenso wie YouTube (51%). Wobei kleine Organisationen noch deutlicher für Blogs votieren und schwächer für Youtube, während die Ergebnisse für grosse Organisationen genau umgekehrt ausfallen.

Über 60% der Befragten schätzen den bisherigen Nutzen von Communities (wie Facebook, Flickr und MySpace) für die eigene Organisation als gering ein (S.10). Die Communities werden geschätzt, um mit ihrer Hilfe Events zu organisieren oder Nachrichten über die eigene Organisation zu veröffentlichen. Aber ihr Nutzen hinsichtlich des Fundraising, der Mitarbeiter-oder Freiwilligenrekrutierung ist den meisten Befragten bisher nicht klar ersichtlich. Wobei kleine Organisationen den Nutzen der Communities positiver einschätzen als große NPOs, die ihrerseits schon in größere Netzwerke eingebunden sind, so dass sich der Mehrwert des Social Webs den Kleinen noch am Besten zeigt (S.11).

Die Ergebnisse der Befragung überraschen beim näheren Hinschauen nicht. Dass Blogs und Videos, veröffentlicht auf Youtube, so beliebt sind, liegt daran, dass sie zu den weniger partizipativen Web2.0-Tools gehören (Die Kommentarfunktion lässt sich bei Blogs auch ausschalten). Diese beiden Instrumente, die dazu dienen, die eigene Botschaft zu veröffentlichen, lassen sich folglich leichter in traditionell hierarchische Organisationen eingliedern, die sich momentan in einer Übergangsphase zu mehr Offenheit nach außen hin befinden.

Die Produktionskosten von Videos fallen bei großen Nonprofits nicht so ins Gewicht, deshalb ihre bessere Bewertung von Youtube verglichen mit dem Urteil der kleinen Einrichtungen.

Dass Communities in der Befragung nicht so gut abschneiden, hat etwas mit ihrem unberechenbaren Charakter zu tun. Die Steuerung einer Community durch eine Nonprofit-Organisation ist ungleich schwerer und im Zweifel weniger erfolgreich als das bloggen, bei dem man die Kontrolle über die Inhalte behält. Deshalb werden Communities noch für wenig komplexe Aufgaben eingesetzt (Events, Newsletter-Verteilung). Ihre Potentiale (Community-Mitglieder als Prosumenten, die die Dienstleistungen von Nonprofits mitgestalten; die Partizipation von potentiellen Spendern über Communities usw.) werden noch nicht genutzt oder nicht in der Form genutzt, dass sie Erfolg brächten.

Eine Online-Community bringt nur dann Nutzen, wenn seitens der Nonprofit-Organisation Hierarchie und Kontrolle abgebaut und Transparenz, Vertrauen und die Integration der Stakeholder aufgebaut werden. Diese Herausforderung haben die meisten NPOs noch nicht angenommen, – und manch eine Organisation entscheidet sich bewusst gegen Communities im Internet und verharrt lieber im Status quo, als sich etwaigen Risiken auszusetzen. Was auch legitim ist (aber in der Internetökonomie langfristig nicht ganz so erfolgreich).

Wer sich für die Public Learning Media Laboratory- Studie interessiert, kann auch noch eine Besprechung dazu im London Region ICT Champion-Blog lesen.

Links für Nonprofits

Zum Thema Fundraising:

Wie wichtig es für Nonprofits sein muss, die jüngere Generation als Spender zu gewinnen, zeigt ein Artikel des britischen Guardian, der sich mit der online Spenden-Plattform Justgiving.com befasst. Auf Justgiving gibt es mehr als 300.000 Seiten, über die Privatleute Spenden für soziale Zwecke sammeln und mehr als 3000 registrierte Nonprofits. Über Justgiving wurden seit der Plattform-Gründung im Jahr 2001 250 Millionen Pfund für soziale Zwecke eingesammelt. Die Plattform ist in Großbritannien so erfolgreich, weil sie es geschafft hat, junge Menschen bzw. die Internet-Generation anzusprechen. Diese will nicht mit Formularen belästigt werden, sondern auch das Spenden online erledigen und in ihre Selbstdarstellung auf Social Community-Seiten integrieren. Justgiving “is bringing giving to the public in an easy and enjoyable way that makes it part of their lifestyle.” Hierzulande gibt es zwischenzeitlich auch diverse Plattformen, die das Spenden “easy and enjoyable” machen wollen, aber die großen Wohlfahrtsverbände haben die Zeichen der Zeit noch nicht richtig erkannt und sind zu selten auf solchen Plattformen vertreten.

zum Thema Marketing:

Im Wissenschafts-Blog Commercial Communities findet sich ein interessanter Beitrag darüber, wie sich das Marketing in Zeiten der Internetökonomie verändert. Aufgrund der Machtverschiebung zugunsten der Konsumenten durch das Internet muss das Marketing weg von seiner traditionellen Kontroll-Ideologie und hin zu einem Dialog-bzw. Relationship-Marketing.

Konsumenten haben durch das Internet die Möglichkeit Produkte und Preise (weltweit) zu vergleichen und ihre Meinung über das Produkt/den Preis/das Unternehmen zu veröffentlichen, ohne dass dies vom Unternehmen kontrolliert werden könnte. Es ist also besser, den Kontrollzwang gegenüber der Umwelt abzulegen und mehr auf Dialog und Verhandlungen zu setzen.

Auch Nonprofits im Sozialsektor müssen sich stärker nach außen öffnen und dem Wunsch der Stakeholder nach Mitwirkung und Mitgestaltung Rechnung tragen. Vielleicht glauben soziale Organisationen, diesen Zeitpunkt noch ein Stück in die Zukunft verschieben zu können, weil Kunden im Sozialsektor nicht so flexibel reagieren können wie Kunden in anderen Bereichen und die Nachfrager im Sozialsektor stärker an das örtliche Angebot gebunden sind. Aber auch hier verändern sich die Dinge: die Konkurrenz vor Ort nimmt zu und der einzelne hat nun häufiger die Möglichkeit, zwischen unterschiedlichen Anbietern zu wählen.

Immerhin gibt es ein paar Verbände, die die Herausforderungen der Online-Welt annehmen. Wie die Internet-Strategien von zwei großen gemeinnützigen Organisationen aussehen, der Aktion Mensch mit der Seite dieGesellschafter.de und Greenpeace Deutschland, konnte man auf der re:publica ‘o8 erfahren, dem Bloggertreffen in Berlin. Das Weblog Alles, was gerecht ist berichtet über die Statements der Vertreter von Greenpeace und Aktion Mensch und liefert die Links für die Podcasts, um sich die Podiumsdiskussion anzuhören.

Trends der Bürgergesellschaft

Nach meinem letzten Beitrag über eine britische Veröffentlichung, die sich mit der zukünftigen Entwicklung im Bereich Ehrenamt auseinandersetzt, gehe ich heute auf eine deutsche Studie zum selben Thema ein. Es handelt sich um ein Diskussionspapier des Bundesnetzwerkes für Bürgerschaftliches Engagement vom Herbst 2007 mit dem Titel: “Zukunftstrends der Bürgergesellschaft” und liegt als pdf-Datei vor. Interessant wird der Vergleich der beiden Veröffentlichungen sein.

Auch die deutsche Studie stellt, wie die britische, folgende Trends bezüglich des Ehrenamtes fest:

Das freiwillige Engagement wird in Zukunft zeitlich begrenzter und eher projektorientiert sein; die Ehrenamtlichen wünschen sich für ihre Tätigkeit mehr Selbstbestimmung und Partizipation; Freiwilligenarbeit wird immer häufiger finanziell entschädigt werden; freiwillige Helfer werden verstärkt Zertifikate über ihre Mitarbeit erhalten, die auch auf dem Arbeitsmarkt anerkannt werden; durch die demographische Entwicklung wird das Potential an freiwilligem Engagement unsicherer sein als in der Vergangenheit; um Ehrenamtliche wird es zwischen Nonprofit-Organisationen mehr Konkurrenz geben.

Was in der Studie ausgeblendet und in der britischen behandelt wird: das ist die These von der schwächeren Bindung der Menschen an geographische Orte. Diese Entwicklung wird gefördert durch das Internet. Der einzelne kann weltweit nach Freunden suchen und weltweit nach sozialen Projekten, die er materiell oder immateriell unterstützen will. Er ist nicht auf seine Wohnortgemeinde und die dort ansässigen Sozialeinrichtungen und Kirchengemeinden angewiesen, sondern er hat die freie Wahl, wo er sich einbringen möchte.

Diese Entwicklung verändert die Situation von Nonprofit-Organisationen fundamental, die plötzlich nicht nur örtlich, sondern auch überörtlich und häufig weltweit um Spender und Freiwillige konkurrieren müssen, – ein Trend, der sich in den nächsten Jahren noch deutlicher zeigen wird.

In dem Bericht des Bundesnetzwerkes über die Zukunft des Bürgerengagements im 21. Jahrhundert ist das Internet als Trend oder Strategie nicht präsent. Die Studie bleibt dem Offline-Denken verhaftet, so als würde es das Internet und die Entwicklung hin zur Online-Gesellschaft – mit Folgen für den Nonprofit-Sektor – nicht geben.

Im letzten Teil der Studie wird gefordert, eine Infrastruktur für die Förderung von bürgerschaftlichem Engagement, z.B. in Form von Freiwilligenagenturen, Bürgerbüros etc. flächendeckend aufzubauen. Speziell die öffentliche Hand sei hier in der Verantwortung. Diese Forderung ist legitim. Andererseits haben Nonprofits das Potential noch nicht ausgeschöpft, welches das Internet für die Organisation von bürgerschaftlichem Engagement bietet und stehen hier noch in der Bringschuld. Über das Netz können – kostengünstig – Communities von engagierten Bürgern aufgebaut werden. Ein Teil der notwendigen Infrastruktur wird sich also ins Netz verlagern, mit einer anderen Kostenstruktur und einer anderen Dynamik als offline.