Was halten Stadtplanungsämter von Bürgerbeteiligung? Setzen sie auf Beteiligungsverfahren auch in den Fällen, in denen das Gesetz die Ämter nicht zur Partizipation verpflichtet? Welche sogenannten “informellen” Beteiligungsverfahren werden konkret genutzt? Wie steht es um die Online-Partizipation in deutschen Kommunen?
Für das Netzwerk Bürgerbeteiligung der Stiftung Mitarbeit haben Benjamin Häger und Matthias Wiesrecker die Ergebnisse einer Online-Befragung präsentiert, die an sämtliche deutschen Mittel- und Großstädte (über 20.000 Einwohner) ging. Die Rücklaufquote lag bei 30%, den Autoren zufolge ausgewogen verteilt auf Länder und Stadtgrößen. Von den 187 teilnehmenden Stadtplanungsämter sehen über 76% Bürgerbeteiligung positiv, da sie die Akzeptanz von Planungen erhöht . Die Hälfte der Befragten schätzt auch, dass durch Beteiligung bisher ungenutztes Wissen und ungenutzte Ressourcen zu Tage kommen. 46% teilen diese Ansicht nur bedingt. Einig sind sich die Amtsvertreter aber darin, dass Bürgerbeteiligung einen hohen personellen Mehraufwand erfordert (Häger/Wiesrecker 2014, S. 3).
Freiwillige Beteiligungsverfahren, zu denen die Gemeinden nicht verpflichtet sind, die sie aber dennoch durchführen, um Bürger einzubinden, werden von fast 90% der befragten Ämter genutzt. Eingesetzt werden freiwillige Beteiligungsverfahren hauptsächlich in den Bereichen Leitbild/Stadtentwicklung (92%), gefolgt von Verkehr (71%) und Freiraumgestaltung bzw. Grünanlagenplanung (64%).
Welche Beteiligungsverfahren dominieren in der Praxis? Hauptsächlich wird seitens der Verwaltung versucht, Bürger zu informieren (u.a. über Informationsveranstaltungen). Eingesetzt werden auch Formate, um Bürgern Mitwirkungsmöglichkeiten zu geben, wie öffentliche Anhörungen, Ideenwerkstätten, Arbeitsgruppen und Planungszellen. Beteiligungsverfahren zur Mitentscheidung wie Bürgergipfel oder Konsensuskonferenzen werden von weniger als einem Drittel der Kommunen genutzt. Online-Beteiligungsverfahren haben fast 61% der befragten Stadtplanungsämter schon durchgeführt. Hier überwiegen einfache Verfahren wie bspw. die Online-Befragung. Komplexere Formate wie Social Media-Dialoge und Wikis werden selten genutzt, – Wikis werden sogar von 33% der Ämter als negativ betrachtet (ebd., S. 6).
Insgesamt ergibt die Umfrage, dass komplexe, beteiligungsintensive Formate weniger eingesetzt werden als einfache Verfahren und die Ämter planen auch nicht, etwas an dieser Praxis zu ändern (ebd., S. 5). Die Planungsämter sind mehrheitlich der Ansicht, genügend Beteiligungsverfahren anzubieten und auch eine ausreichend große Bandbreite an Beteiligungsformaten einzusetzen (ebd., S. 3).
Mit der Wahrnehmung von Bürgerbeteiligung setzt sich auch ein Forschungsprojekt von Angelika Vetter auseinander, das dafür 16 dialogische Beteiligungsprozesse in Baden-Württemberg untersuchte. Die Forscher um Vetter wollten wissen, wie die Wirkung von Beteiligung wahrgenommen wird. Sie befragten hierzu insgesamt 120 Bürger, Verwaltungsmitarbeiter, Gemeinderäte und Lokaljournalisten. Vetter unterteilt die Beteiligungsverfahren nach Dialogen mit niedrigem Konfliktpotenzial (wie bspw. die Leitbilderstellung für eine Stadt) und Dialogen mit hohem Konfliktpotenzial, bei denen es Gewinner und Verlierer gibt (wie bspw. bei Verkehrsthemen).
Ob Dialoge mit hohem oder niedrigem Konfliktpotenzial, – in beiden Fällen wurde von den Befragten Bürgerbeteiligung überwiegend mit positiven Wirkungen verbunden. Allerdings sehen 16% bei Beteiligungsverfahren mit hohem Konfliktpotenzial auch negative Folgen. Dies hängt damit zusammen, dass der Wirkungskorridor dieser Verfahren insgesamt größer ist als derjenige von Verfahren mit niedrigem Konfliktpotenzial. Letztere haben zumeist keine negativen Wirkungen, üben aber auch keinen größeren Einfluss auf die Stadtgesellschaft aus. “Sie können wegen des fehlenden Konflikts in der Regel die Aufmerksamkeit größerer Teile der Bevölkerung nicht erreichen, weswegen sie an einer geringen Teilnahmebereitschaft ‘kranken'” (Vetter 2014, S. 5). Die Autorin sieht deshalb die These, dass mehr Bürgerbeteiligung zu einer Veränderung der politischen Kultur führe, kritisch. Ihr zufolge ist diese Erwartung zu hoch angesichts der vielen Beteiligungsverfahren ohne Wirkung in die Stadtgesellschaft hinein.
Vergegenwärtigt man sich noch einmal die oben erwähnte Praxis der Stadtplanungsämter, Beteiligung überwiegend für Leitbildprozesse einzusetzen (niedriges Konfliktpotenzial/geringe Teilnahmebereitschaft/schmaler Wirkungskorridor), dann würde diese Praxis die Einschätzung von Vetter, dass Beteiligung nicht zwingend zu einer Veränderung der lokalen politischen Kultur führt, unterstützen.