Kategorie-Archiv: Klienten

Best Practice IV: Internetradio vom Paritätischen Wohlfahrtsverband

In der Regel wird in den Medien über die Empfänger von Sozialleistungen berichtet. Ganz anders funktioniert das Projekt s-pod des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes Baden-Württemberg. Hier kommen die Betroffenen im Rahmen von Podcasts selbst zu Wort. Sie berichten über ihre Situation oder sind als Reporter unterwegs und informieren über die Problemlagen anderer Gruppen. Alle, die am Projekt beteiligt sind, haben eine kostenlose Internetradio-Schulung erhalten und sind in der Lage, die Podcasts selbst zu erstellen. Das Ergebnis sind interessante und ungewöhnliche Hörerlebnisse.

Wer wissen will, wie Obdachlose, Blinde, psychisch Kranke usw. ihre Situation sehen (und nicht andere ihre Lage bewerten), der kann hier Entdeckungen machen. Das Projekt ist eine Form des Empowerments der Klientel von Sozialeinrichtungen. Und es ist dem Paritätischen Wohlfahrtsverband hoch anzurechnen, dass er so unkonventionelle Wege geht.

Die Podcasts kann man bei SWEF (Social Web Focus), dem Radioportal für Soziales abhören, das sich auf der Internetseite des Paritätischen in Baden-Württemberg befindet.
Hier gibt es unterschiedliche Kanäle, den Kanal für Selbsthilfe, den Kanal für freiwilliges Engagement usw.

Insgesamt ist das Projekt s-pod ein gutes Beispiel dafür, wie Nonprofit-Organisationen das Internet nutzen können. Jede andere Einrichtung könnte mit Hilfe von Podcasts ihr Profil schärfen oder ihren Kunden eine Möglichkeit zur Artikulation geben. Ich persönlich warte auf die ersten Podcasts aus dem Altenheim und darauf, dass auch alte Menschen endlich ihren Platz und eine Stimme im Netz erhalten.

Web 2.0 als Instrument der Segregation?

Gerald Czech nimmt in seinem Blog redcross sociologist Bezug auf meinen Beitrag ‘Nonprofits und Web 2.0’. Er weist daraufhin, dass ein Großteil der Klientel von Nonprofit-Organisationen von der neuen Social Software nicht ereicht wird, weil alte Menschen, Arme, gering Gebildete nicht im Netz sind oder sich zumindest nicht mit Blogs, Podcasts etc. auskennen.

Er befüchtet, das Web 2.0 könne die soziale Segregation noch befördern. Diese Befürchtung ist absolut gerechtfertigt und treibt mich selbst um. Nur die Schlussfolgerung kann nicht heißen: lassen wir die neue Technik und die neuen Medien! Das wäre genauso, als würde man Opernhäuser und Theater schliessen, weil manche Schichten dort nicht vertreten sind. Sondern die Forderung muss heißen: Bildung und Web 2.0 für alle! Was wir brauchen ist eine Bildungsoffensive, die alle Menschen erreicht und mitnimmt. Die Grundidee hinter Web 2.0 ist ja: Bildung und Partizipation für alle und nicht nur für eine kleine Gruppe von Eingeweihten.

Wir stehen erst am Anfang der Entwicklung, deshalb müssen Nonprofits auch zweigleisig arbeiten: Social Software integrieren, um neue Gruppen anzusprechen und gleichzeitig weiterhin Broschüren drucken für die Leute, die nicht im Netz sind. Im übrigen müsste es gerade auch die Aufgabe von gemeinnützigen Organisationen sein, ihre eigene Klientel im Umgang mit den neuen Medien zu schulen, das würde ihrer Vermittlungs- und Integrationsfunktion entsprechen. Keine Organisation im Nonprofit-Bereich sollte nur sozialer Dienstleister sein, jede sollte auch emanzipatorische Aufgaben wahrnehmen.

Wikis

Wikis sind online-Seitensammlungen, die von mehreren Benutzern bearbeitet werden können. Wikis werden unsere Arbeitswelt verändern: sie ermöglichen mehr Partizipation, Effektivität und Effizienz. Und sie führen gleichzeitig zur Demokratisierung von Organisationen, weil Herrschaftswissen – und damit zentralisierte Macht – abgebaut wird zugunsten von Wissensbeständen, die von vielen oder allen genutzt werden können. Wikis sind großartige Instrumente und wie gemacht für den Nonprofit-Sektor.

Wikis können so eingerichtet werden, dass nur Organisationsmitglieder einen Zugriff darauf haben. Es gibt aber auch halb-öffentliche Wikis (mit ausgewählten externen Nutzern) oder öffentliche, die über das world wide web jedem zugänglich sind.

Wie kann eine Nonprofit-Organisation im Bereich sozialer Dienste Wikis nutzen?

  • Mit Wikis kann das Wissen einer Einrichtung gemeinschaftlich gesammelt werden (z.B. in Form von Stichwortsammlungen oder thematischen Wikis wie einem ‘Qualitätsmanagementwiki’). Das Know-how einer Organisation befindet sich so nicht mehr in Aktenordnern auf bestimmten Schreibtischen, sondern es ist allen zugänglich. Wenn jeder etwas zum Wiki beitragen darf, dann werden auf diese Art und Weise die Ressourcen der Mitarbeiter besser genutzt. Auch Mitarbeiter auf niedrigeren Positionen oder eher introvertierte Menschen bekommen so eine Chance zum Mitwirken.
  • Mit Wikis können Projekte hausintern oder zwischen Trägern sehr gut koordiniert werden. Die wechselseitige Abstimmung verläuft viel einfacher als über mail oder Telefon, weil ein Wiki alle am Projekt Beteiligten erreicht und niemand, wie bei einer Mail möglich, übergangen wird. In Wikis kann man Beiträge schreiben, nach Stichworten suchen und neue thematische Seiten aufmachen. Ein Wiki ist ein virtueller Ordner im Netz, mit dem alle Nutzer, die zugangsberechtigt sind, arbeiten dürfen. Dagegen sind Mails nur einzelne Nachrichten, die jeder für sich ablegt und die kein gemeinsames Dokument ergeben.
  • Mit Wikis kann man einzelne Klienten besser betreuen, indem die beteiligten Träger sich im Projekt- oder Einzelfall- Wiki über die Behandlung des Kunden abstimmen.
  • Mit Wikis kann man interne Arbeitsabläufe besser koordinieren und damit effektiver gestalten. Jeder Mitarbeiter kann notwendige Informationen für die nächste Schicht, den Kollegen in der anderen Abteilung etc. im Wiki hinterlassen.
  • Über Wikis kann die Mitarbeiterschulung laufen, weil Unterrichtsmaterial in das Wiki eingestellt wird und auch die daran anschließende Diskussion im Wiki stattfindet.
  • Über Wikis kann eine Nonprofit-Organisation (NPO) Ehrenamtliche, Klienten, Sponsoren, d.h. viele unterschiedliche Stakeholder, besser einbinden. Z.B. kann mit Ehrenamtlichen ein gemeinsames Wiki über die Arbeitsteilung zwischen Freiwilligen und Professionellen erstellt werden. Oder Klienten können ihre Wünsche und Verbesserungsvorschläge in ein Wiki schreiben. Mit Sponsoren kann eine NPO eine neue Kampagne im Rahmen eines Wikis ausarbeiten.

Die Einsatzmöglichkeiten für Wikis sind unbegrenzt. Zwei Wikis aus dem Sozialbereich habe ich im Netz gefunden: das PflegeWiki und das SozialarbeitinEuropa-Wiki.

Für NPOs mit ihrem Anspruch auf Integration und Partizipation von Menschen sind Wikis ein perfektes Instrument. Auch technische Laien können mit einem Wiki ganz schnell umgehen. Jeder, der lesen und schreiben kann, kommt mit einem Wiki zurecht. Nonprofit-Organisationen sollten nicht länger warten und Wikis für sich erobern.