Social Media und Online-Bürgerbeteiligung – wie weit sind hier die Kommunalverwaltungen?

Für Nonprofit-Organisationen ist die Kommunalverwaltung ein wichtiger Partner auf lokaler Ebene. Unter anderem deshalb, weil Kommunen viele Nonprofits finanziell fördern oder sogar deren Betriebs- und Investitionskosten zu erheblichen Teilen übernehmen. In vielen Politikfeldern arbeiten Nonprofits mit der Kommunalverwaltung eng zusammen, um gemeinsam ein politisches Programm umzusetzen und die vorhandenen Ressourcen zu bündeln.

Wenn eine Nonprofit-Organisation stärker Social Media einsetzen möchte, eine Öffnung nach außen anstrebt und die Vernetzung mit ihren Stakeholdern – auch der Kommunalverwaltung – sucht, wenn sie Bürger stärker mit einbeziehen will und innovative Beteiligungsprojekte plant, – kann sie dann mit der Unterstützung "ihrer" Kommune rechnen? Oder anders gefragt: wie weit sind die Gemeinden in Deutschland, wenn es um den Einsatz von Social Media geht und um eine stärkere Einbeziehung von Bürgern in kommunale Angelegenheiten?

Eine neue Aufsatzsammlung ("Web 2.0 für Kommunen und Kommunalpolitik" ) bringt Licht ins Dunkel. Das Resümee: in Deutschland existieren zwar einige Leuchtturmprojekte, wenn es um den Einsatz von Web 2.0 und E-Partizipations-Projekte geht. Aber es fehle an der Breite der Umsetzung, an der institutionellen Einbindung der Projekte in den Verwaltungsablauf, an der Transparenz und Responsivität, d.h. den Bürgern sei oftmals nicht klar, weshalb ihre Beteiligung gefragt ist und ob die Beteiligungsergebnisse auch umgesetzt werden (ebd., Albrecht/Westholm). Wie binden Kommunen Bürger über das Internet ein? Hier einige Beispiele:

  • Bürgerhaushalte: Gemeindemitglieder werden online an der Haushaltsplanung beteiligt. In 23 Städten gibt es schon Bürgerhaushalte , in vielen weiteren Städten sind Bürgerhaushalte in Planung
  • Online-Konsultationen: Bürger erhalten die Möglichkeit, über ein kommunales Projekt zu diskutieren, wie im Projekt ‘Mauerdialog’ in Berlin und sich in die Stadtplanung einzubringen.
  • In Stadtwikis können Bürger Informationen über ihre Gemeinde beisteuern. Allerdings werden die Wikis in der Regel von Bürgern aufgebaut. Immerhin gibt es auch ein Wiki, das von einer Stadt gegründet wurde, das Wiki der Stadt Schiltach .
  • In Diskussionsforen für Bürger, wie die Stadt Schleiden eines bietet.

Wie erwähnt, sind dies ‘Leuchtturmprojekte’. Von einer flächendeckenden Umsetzung der Partizipation von Bürgern über Social Media sind die Kommunen noch weit entfernt.

Angesichts der noch nicht befriedigenden Situation in Deutschland lohnt sich ein Blick nach Großbritannien , das zu den europäischen Vorreitern im Bereich E-Partizipation gilt (ebd., Albrecht/Westholm).

Ein erster Fund ist diese Karte , in der die britischen Gemeinden eingetragen sind, die Social Media-Dienste wie Twitter, Facebook, Youtube nutzen. Auf den ersten Blick sieht man an die hundert Pins. Klickt man auf eine der Ortsmarken, öffnet sich ein Fenster, das über den Social Media-Einsatz der jeweiligen Kommune informiert. Auf der linken Seite findet man weitergehende Informationen zu Listen z.B. der Gemeinden, die über einen eigenen Youtube-Channel verfügen.

Bürgerhaushalte gibt es in britischen Kommunen auch: bis 2012 soll in jeder Gemeinde das participatory budgeting eingeführt sein. Welche Pilotprojekte derzeit laufen, kann man der Seite participatorybudgeting.org.uk entnehmen.

Wie die Zukunft aussehen könnte, zeigt Bristol mit der Seite askbristol.com : hier haben die Bürger die Möglichkeit, über das Internet Petitionen an die Gemeinde zu senden, sich bei Befragungen oder Online-Konsultationen einzubringen, die Ratssitzungen auf Video zu verfolgen, ihr Wissen über ihr Quartier in Karten einzutragen und selbst Videos, Photos, Kommentare usw. hochzuladen.

Die britischen Kommunen bemühen sich um eine Verbesserung ihrer Leistungen und um Innovationen. Dies wird von mehreren Institutionen unterstützt, in denen auch das Thema Social Media eine Rolle spielt: von der Improvement and Development Agency for local goverment (IDeA ) und der Webseite Communities of practice for local government , in denen man Gruppen findet zu Themen wie ‘Social Media and Online Collaboration’.

Das Thema Social Media ist in britischen Kommunalverwaltungen also präsent, – unterstützt von einer Zentralregierung, in der Ministeriums-Webseiten unter dem Stichwort ‘Have YOUR SAY’ Foren und Blogs anbieten und Papiere im Entwurfsstadium von Nutzern kommentieren lassen. Und unter dem Titel ‘Show us a better way’ den Nutzern öffentliche Daten zur Verfügung stellen, um damit neue Kartenangebote zu generieren. Dazu passt, dass es auch Barcamps für den öffentlichen Sektor gibt, die den Einsatz von Social Media für die Verwaltung und die Bürgerbeteiligung ausloten. Für Juni 2009 ist zudem ein erstes LovalGovCamp geplant.

Um auf die Anfangsfrage zurückzukommen: in Großbritannien stoßen Social Media-affine Nonprofit-Organisationen auf Kommunalverwaltungen, die das Thema kennen oder schon mit Social Media arbeiten. In Deutschland ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass eine Nonprofit-Organisation auf kommunale Partner trifft, die mit den neuen Internet-Technologien noch nicht vertraut sind. Aber da auch der deutsche Nonprofit-Sektor im Sozialbereich noch – relativ – weit von Social Media und der Online-Partizipation von Stakeholdern entfernt ist, treffen sich hier Partner, die beide noch die Potentiale von Social Media entdecken müssen.

Für Kommunalverwaltungen sollte es darum gehen, nicht lediglich bestehende Verfahren, den tradierten Kommunikationsstil und die etablierte Verhaltenskultur in den Online-Bereich zu übertragen. Die Einführung von Social Media sollte zum Anlass genommen werden, in der Kommunalverwaltung einen Organisationswandel anzustreben, der auf kooperatives und vernetztes Handeln zielt.
Social Media sind kein technologisches Programm, sondern Instrumente, die die Beziehungen zwischen Staat und Gesellschaft neu ordnen werden.

2 Gedanken zu „Social Media und Online-Bürgerbeteiligung – wie weit sind hier die Kommunalverwaltungen?

  1. Das liegt an der unterschiedlichen politischen und sozialen Tradition der beiden Länder. Die Demokratie konnte in Deutschland erst spät Fuß fassen, entsprechend entwicklungsbedürftig ist auch noch der zivilgesellschaftliche Bereich, bzw. die Bereitschaft der Menschen, sich in öffentliche Angelegenheiten einzubringen und die Bereitschaft der Verwaltung, dies zu unterstützen und zu fördern.

    Olk/Klein (2009) vertreten die These, dass angesichts der obrigkeitsstaatlichen Tradition in Deutschland das Projekt ‘Bürgergesellschaft’ wohl nur “in kleinen Trippelschritten” umgesetzt werden kann.

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