Wird die Innovationsfähigkeit des Nonprofit-Sektors staatlicherseits durch spezielle Institutionen unterstützt? Bildet die Stärkung von Nonprofit-Organisationen ein Top-Thema auf der politischen Agenda eines Landes?
In den USA und in Großbritannien auf jeden Fall:
In den USA will Präsident Obama den Nonprofit-Sektor innovativer, leistungsfähiger und zielorientierter machen. Die Rolle von Nonprofits als Social Entrepreneurs soll gestärkt werden. Um diese Ziele umzusetzen, sind drei Institutionen geplant:
- ein Social Investment Fund Network , das mit staatlicher Hilfe um private Förderer wirbt, die in innovative gemeinnützige Projekte investieren wollen
- eine Geschäftsstelle innerhalb des National&Community Service , die sich um die Steigerung der Leistungsfähigkeit und Effektivität des Nonprofit-Sektors bemühen soll
- ein Office of Social Innovation im Weißen Haus, das die staatliche Politik zur Steigerung der Innovations-und Leistungsfähigkeit im Nonprofit-Sektor koordiniert und vorantreibt.
Wann die ersten beiden Institutionen geschaffen werden, ist noch nicht bekannt. Das Office of Social Innovation immerhin scheint es schon zu geben, es wird auf der Webseite des Weißen Hauses offiziell genannt.
Obamas Pläne für den Nonprofit-Sektor basieren auf einem Papier des Center for American Progress , einem Washingtoner think tank. In dem Papier, das noch vor der Finanzkrise geschrieben wurde, wird empfohlen, dass sich die Regierung nicht wie bisher auf die Förderung einzelner innovativer Modellprojekte beschränken solle, sondern dass es darum gehe, im Nonprofit-Sektor Strukturen zu schaffen, die Innovationen fördern.
Dies bedeute nicht, dass die konventionelle Förderung abgeschafft werden soll. Sondern der Staat solle sich darum bemühen, mit privater Hilfe Strukturen zu schaffen, die jene Finanzierungslücken schließen, die sich bei innovativen Projekten und start-ups im gemeinnützigen Bereich in der Regel auftun. Parallel sollen Nonprofits und die einschlägige Forschung darin unterstützt werden, Daten über soziale Dienstleistungen und deren Outcome zu sammeln und auszuwerten. Die Daten werden als Voraussetzung dafür gesehen, die Leistungsfähigkeit des Nonprofit-Sektors steigern zu können. Das Center for American Progress schlägt die Einrichtung des Office of Social Innovation im Weißen Haus vor. Über das Office soll der Nonprofit-Sektor stärkeren Einfluss auf die amerikanische Wirtschafts- und Innenpolitik erhalten. Das Papier schlägt auch die Vergabe eines jährlichen Preises in Millionenhöhe für die innovativste Problemlösung im Nonprofit-Sektor vor.
Auch in Großbritannien wurde schon vor Jahren die Stärkung des gemeinnützigen Sektors ganz oben auf die politische Agenda gesetzt. Schon im Jahr 2006 wurde innerhalb des brititschen Cabinet Office das Office of the Third Sector eingrichtet . Diesem obliegt es, die Politik für den Nonprofit-Sektor innerhalb der Regierung zu bündeln und die Leistungs- und Integrationsfähigkeit des "Dritten Sektors" zwischen Markt und Staat zu fördern. Die Vision des Office of the Third Sector: "To support the environment für a thriving third sector, enabling people to change society".
Ein spezielles Programm unterstützt die Innovationsfähigkeit von NPOs , denen eine Vorreiterrolle zugeschrieben wird, wenn es um die Verbesserung öffentlicher Dienstleistungen geht. Als wichtiger Faktor für die Zukunft wird das Empowerrment der Bürger gesehen und deren enge Kooperation mit den professionellen Helfern in den NPOs.
Fördern will man insbesondere die Social Entrepreneurs : die Zahl der Gründungen im Sozial- und Gesundheitssektor soll erheblich ausgedehnt werden.
Im deutschen Kanzleramt gibt es im Unterschied zum Cabinet Office oder zum Weißen Haus keine Stelle, die sich die Stärkung des Dritten Sektors auf die Fahnen geschrieben hat. Es gibt hier lediglich ein Referat, das die Verbindungen zu den Wohlfahrtsverbänden pflegt. Aber keine Organisationseinheit mit dem programmatischen Anspruch, den gemeinnützigen Bereich bzw. die Akteure der Zivilgesellschaft stärker in den Mittelpunkt zu rücken und innovative Strukturen im Dritten Sektor gezielt zu fördern.
In Deutschland setzt der Staat nach wie vor auf die Förderung einzelner Modellprojekte im Nonprofit-Sektor und überlässt das Innovationsmanagement ansonsten den gemeinnützigen Trägern selbst. Deren Spielraum für Innovationen ist im Rahmen der Regelfinanzierung nicht sehr groß, die meisten innovativen Projekte werden tatsächlich im Rahmen von Modellprojekten gefördert oder aus Eigenmitteln der Träger finanziert (Schwarzer 2009).
Aus welchen Hilfsbereichen kommen innovative Projekte und welche Rolle spielen dabei die ehrenamtlichen MItarbeiter? In einem Aufsatz in der Fachzeitschrift SOZIALwirtschaft (1/2009) wertet Uwe Schwarzer die Daten aus, die im Rahmen des Sozialpreises innovatio , der von Caritas und Diakonie vergeben wird, zur Verfügung stehen. Die meisten der hier eingereichten Projekte kommen aus dem Bereich der Jugendhilfe. Die Zahl der Ehrenamtlichen ist bei fast 50% der Projekten größer als die Zahl der hauptamtlichen Mitarbeiter. Schwarzers Fazit: Für den Erfolg eines Projektes scheint "das Engagament von Freiwilligen und Ehrenamtlichen von entscheidender Bedeutung zu sein, auch wenn man bisher Innovaton eher als Ergebnis professioneller hauptamtlicher Arbeit betrachtet hat" (S. 20).
Mein Fazit:
in Deutschland gibt es staatliche Akteure, die innovative Nonprofit-Projekte fördern und das bürgerschaftlichen Engagement ausbauen wollen. Aber diese Themen sind nicht – wie in den USA und Großbritannien – auf der höchsten Regierungsebene angesiedelt. Es fehlt hier noch – trotz aller Rhetorik – der politische Wille, den Akteuren der Zivilgesellschaft einen höheren Stellenwert einzuräumen. Markt und Staat dominieren, – die Zivilgesellschaft kommt erst an dritter Stelle. In dieser Hinsicht sind die anderen beiden Staaten schon weiter: sie haben die Potentiale des Nonprofit-Sektors für die gesellschaftliche und staatliche Weiterentwicklung erkannt und dementsprechend hoch und prominent das Thema ‘Stärkung des Drittten Sektors’ angesiedelt.
Vielen Dank für die interessante Zusammenfassung. Frage mich immer wieder, warum das in Deutschland nicht gleichermaßen aufgenommen wird. Sicherlich spielt die ältere Tradition in den USA von zivilgesellschaftlichen Engagements eine Rolle. Aber dennoch ist es frappierend, dass in Duteschland das Potential sozialer Innovation so unterbewertet wird und zugleich einfach nicht die Rolle des Internets dabei gesehen wird. Mal sehn wie lange es dauert, bis es klickt macht.
Ich bin ja ganz bescheiden und würde mich schon darüber freuen, wenn es im deutschsprachigen Raum so etwas wie Think Tanks geben würde. Und wenn die dann ab und zu Studien und ähnliche Dinge erstellen würden und die dann nicht in Schubladen verschwinden oder von geheimen Zirkeln besprochen werden, dann wäre das noch besser.
Die Krönung wäre dann aber die Erkenntnis, “dass es darum gehe, im Nonprofit-Sektor Strukturen zu schaffen, die Innovationen fördern”, wie Du es formulierst.
Es fehlt an allen Ecken und Enden an den entsprechenden Strukturen, aber die Politik spricht von Professionalisierung. Irgendwie passt das alles nicht zusammen.
Institute, die sich mit dem Thema Nonprofits befassen, gibt es schon, – aber sie arbeiten tatsächlich in ihrem eigenen “Biotop” und erreichen zu wenig die Öffentlichkeit. Studien versinken dann im jeweiligen Expertenzzirkel, ohne dass die Öffentlichkeit davon profitieren könnte.
Mit Social Media stünden Instrumente zur Verfügung, mit deren Hilfe sich Institute und Experten besser mit interessierten Bürgern vernetzen könnten, aber diese werden noch zu wenig genutzt. Vor einiger Zeit habe ich über diesen fehlenden Diskurs zwischen Wissenschaftlern und der Öffentlichkeit gebloggt http://tinyurl.com/6lf45o.
Dabei könnten gerade Nonprofit-Experten auf die Relevanz von sektoralen Strukturen hinweisen. So lange man in Deutschland den zivilgesellschaftlichen Bereich individualisiert (bürgerschaftliches Engagement als individuelles Engagement, Förderung einzelner Modellprojekte usw.) fehlen dem Nonprofit-Sektor die programmatischen/rechtlichen/politischen Strukturen, die er bräuchte, um seine Rolle als Motor der Innovation, Integration und Demokratisierung voran zu treiben.
Um diese Strukturen zu schaffen, wäre die Vernetzung ein, wie ich denke, geeignetes Instrument. Und wo ist das leichter als im Internet? Aber damit wären wir wieder beim Thema …
Tja – werden wir Deutschen langsam (mal wieder) überholt. Erst einem großen Thema den Weg mit viel Energie ebnen und “oops” besetzen das Thema andere Länder. Schade.
Aber vieleicht gelingt wenigstens der Anschluss. Das BMU und Bundesumweltministerium hat die IFOK, GP Forschungsgruppe und stratum damit beauftragt das komm(n) Projekt zu starten. Es sollen Strukturen und Handlungsstränge entwickelt werden und ein Netzwerk zum Nachhaltigkeitsmarketing und Nachhaltigkeit im Allgemeinen enstehen. Bin gespannt, bin auch zur Etablierung und Betratung eingeladen worden. Kann aber nicht mehr als ein Anfang sein und die Erwartung bei mir ist eher gedämpft…
Aber wie man sieht – nicht gerade auf Kanzleramtsebene trotz aller toller “Angie” Versprechen-, und Worte 😉
@Jochen Holtrup: interessante Information. Aber auch dies scheint nur eine politikfeldbezogene (Insel-)Lösung zu sein, die nichts an den Steuerungsstrukturen in anderen Politikfeldern ändert.