Kategorie-Archiv: Web2.0

Impressionen vom BarCamp Stuttgart

Zwei Tage lang traf sich die Web 2.0-Szene in Stuttgart. Ich konnte nur heute das BarCamp besuchen und habe einige Anregungen mit nach Hause mitgenommen. Da war zum einen die Session von Oliver Gassner und Robert Basic , in der wir u.a. darüber diskutierten, ob und in welcher Form die deutsche Blogosphäre eine Plattform braucht, die den inhaltlichen Reichtum und die Bandbreite von Blogs aufzeigen kann. Die Diskussion war kontrovers: während die einen eine solch zentrale Institution für überflüssig halten, bin ich der Ansicht, dass die Idee was hat. Eine entsprechende Plattform könnte Außenstehenden den Einstieg in die Blogosphäre erleichtern und das Medium ‘Blog’ noch stärker als (politische) Institution etablieren.

Johannes Kleske hielt eine Session über die POST-Strategie von Forrester Research, die Organisationen bei der Auswahl von Web2.0-Tools hilft. POST ist mir bekannt, ich habe vor einiger Zeit hier einen Beitrag darüber geschrieben. Bei POST geht es darum, dass Organisationen einige Fragen klären, bevor sie konkrete Tools auswählen:

1. Inwieweit sind unsere Zielgruppen (People) schon im Netz aktiv? Sind sie überhaupt nicht im Internet vertreten? Gehören sie zu den Zuschauern? Oder zu den Nutzern, die in Communities mitmachen? Sind sie als Sammler unterwegs, die bookmarken? Schreiben sie Kommentare? Oder produzieren sie selbst Inhalte?

2. Welche Ziele (Objectives) möchten wir mit Hilfe von web 2.0 erreichen?

3. Welche Mittel bzw. mögliche Umsetzungsstrategien (Strategy) stehen uns zur Verfügung? Hier ist eine Beschäftigung mit den Vor- und Nachteilen der einzelnen Web 2.0-Instrumente notwendig

4. Erst zum Schluß erfolgt eine Auswahl der Tools (Technology)

Wichtig: die Technik wird zum Schluß ausgewählt und nicht am Anfang, wie viele Organisationen das machen. Laut Kleske wird jede Organisation scheitern, die sich zuwenig mit den neuen Medien auseinander gesetzt hat. Als Beispiel nannte er die Werbekampagne für den Chevy tahoe, die von vielen im Netz persifliert wurde. Das Problem ist, dass solche Fehlleistungen eines Unternehmens noch ‘ewig’ im Netz zu sehen sind. Deshalb die Empfehlung an alle interessierten Organisationen: erst die Regeln des Mitmach-Webs studieren und sich über die eigene Situation Gedanken machen und danach die Web2.0-Instrumente auswählen.

Die letzte Session, die ich besuchte, befasste sich mit Twitter, wo ich unter dem Namen npo_vernetzt vertreten bin. Es ging um die Frage, welchen Nutzen man aus Twitter ziehen kann und welche Perspektiven Twitter (gemeinnützigen) Organisationen eröffnet. Dazu aber ein anderes Mal mehr.

Insgesamt empfand ich das BarCamp als sehr gelungen. Darüber hinaus habe ich mich mit vielen netten Leuten unterhalten, die ich bisher nur aus ihren Blogs oder über Twitter kannte.

Nachtrag: wer sich näher mit der POST-Strategie befassen will, findet den Ansatz in dem folgenden Buch: Charlene Li und Josh Bernoff: Groundswell. Winning in a World Transformed by Social Technologies (2008).

Web2.0 – Marketing-Tool oder Konversationsinstrument ?

Auf Kivi’s Nonprofit Communications Blog ist eine kontroverse Diskussion zwischen Nonprofit-Bloggern entstanden. Die Diskussion dreht sich um die Frage, ob es legitim ist, wenn Nonprofits Online-Netzwerke zu Marketing-Zwecken nutzen. Oder ob in den Netzwerken nicht die Konversation mit den Stakeholdern im Vordergrund stehen sollte, d.h. das ‘Hören’ und ‘Lernen’ und nicht das ‘Werben’.

Kivi Leroux Miller selbst zählt zu den Marketing-Befürwortern und betont, dass insbesondere kleine Nonprofits mit geringem Budget auf Online-Netzwerke als Vermarktungskanal angewiesen sind. Beth Kanter hingegen neigt eher zu der idealistischen Haltung, die den Wert der nicht-nutzenorientierten Konversation mit den Stakeholdern betont.

Wie sieht – unabhängig von der Diskussion zwischen Bloggern – die Realität aus? Gibt es überhaupt eine breite Bewegung unter den Nonprofits, die Online-Netzwerke zu Marketing-Zwecken nutzt? Oder allgemeiner gefragt: Welche Ziele verfolgen Nonprofits mit Ihrer Internetpräsenz?

Die empirische Studie von Linda Jean Kenix ‘The Internet as a tool for democracy? A survey of nonprofit Internet decision-makers and Web users’ in der Juli-Ausgabe von First Monday bringt Licht ins Dunkel. Die Autorin hat fast 700 Personen aus kleinen amerikanischen Nonprofit-Organisationen befragt, darunter mehr als 400 Personen, die für die Web-Inhalte ihrer Einrichtung verantwortlich sind.

Die Studie zeigt, dass 41% der befragten 429 Online-Autoren aus NPOs den Hauptzweck ihrer Internetpräsenz darin sehen, Informationen bereitzustellen. 38,6% möchten für ihre Organisation werben. Nur 6,5% wollen über ihre Internetpräsenz in die Diskussion mit den Stakeholdern eintreten. Nur 3,5% zielen auf das Online-Fundraising (S. 7).

Obwohl die befragten Nonprofit-Akteure den Schwerpunkt im Internet auf die Information legen, nutzen sie laut der Studie die Möglichkeiten, die eine Webseite hier bietet, nur mangelhaft aus und versäumen es, Newsletter, freie Stellen, Protestformulare usw. ins Netz zu stellen. Gleichzeitig zeigt die Untersuchung, dass 81% der Befragten, die der Nonprofit-Organisation verbunden sind, ohne selbst Inhalte einzustellen, von den Informationen ihrer gemeinnützigen Einrichtung gar nicht profitieren, weil sie deren Internetauftritt nicht besuchen und sich Informationen über persönliche Kontakte beschaffen.

Letzteres macht deutlich, dass den befragten Nonprofits die Verbindung zu den Stakeholdern noch nicht gelingt und – wie oben erwähnt – diese Interaktivität auch kein vordringliches Ziel für die Verantwortlichen darstellt. Auch die angestrebte Werbung für die eigene Organisation wird in der Praxis so nicht umgesetzt. Nur ein Fünftel der befragten Nonprofit-Akteure, die Inhalte für das Netz erstellen, berichten, dass sie das Internet tatsächlich auch für Marketingzwecke nutzen (S. 11).

Das Fazit der Autorin:"Thus the Internet appeared to be primarily a tool for gathering and providing information for non-profit organizations, rather than contact with members, fund-raising or promotion" (Kenix 2008, S. 12).

Angesichts der beschränkten Zahl von untersuchten Nonprofits kann man das Ergebnis nicht verallgemeinern, aber die Tendenz herauslesen, dass NPOs die bestehenden Online-Netzwerke weder massiv für Marketingzwecke nutzen noch zur intensiven Konversation mit den Stakeholdern. Die kontroverse Diskussion in der Blogosphäre zu diesem Thema, die eingangs erwähnt wurde, spiegelt wohl eher die persönlichen Wünsche und Einstellungen der Autoren wider, statt die tatsächlichen Verhältnisse. Momentan scheinen Nonprofit-Organisationen noch im Zustand von Web 1.0 zu verharren (Informationsbereitstellung) und den Weg zur Interaktivität (Web2.0) noch nicht gefunden zu haben.

Der Nutzen von Online-Videos für Nonprofits

Weshalb sollten gemeinnützige Organisationen Online-Videos nutzen? Joitske Hulsebosch hat darüber ein Blogpost verfasst, das mich via Martin Koser erreichte. Der Beitrag hat mich dazu inspiriert, die Funktionen zusammenzutragen, die Online-Videos Nonprofits bieten können:

Videos können die Botschaft einer Organisation anders transportieren als Texte auf der Webseite oder in Broschüren. Texte sprechen eher den Kopf an, Bilder bedienen auch die Gefühle. Ein Video, das Klienten oder Mitarbeiter zu Wort kommen lässt, kann überzeugender wirken als Texte, die in der ‘Über uns’-Kategorie von der Organisation ins Netz gestellt werden. Allerdings müssen die Videos einen authentischen Charakter haben und dürfen nicht inszeniert wirken. Sonst ist ihre Wirkung kontraproduktiv. Die Videos sollten Menschen zeigen, die sich als Ehrenamtliche, Mitarbeiter , Klienten und Förderer über die Organisation äußern und mit ihrem Auftritt für die Organisation einstehen. Auf diese Weise kann eine Nonprofit-Einrichtung dokumentieren, wie gut sie mit ihren Stakeholdern verbunden ist und wie wichtig ihr diese Menschen sind, denen Raum gegeben wird, um öffentlich ihre Gedanken und Überzeugungen über die Arbeit der NPO zum Ausdruck zu bringen.

Beeindruckend gemacht sind in dieser Hinsicht die Videos von Crisis, einer britischen Organisation die sich um Obdachlose kümmert. Das Kampagnenvideo und die Videos, in denen Betroffene zu Wort kommen, sind sehr überzeugend. Genial finde ich auch die Videos von Mencap, ebenfalls einer britischen NPO, die mit behinderten Menschen zusammenarbeitet. Derartig gute Videos wie auf dieser Seite habe ich im Sozial-
bereich noch selten gesehen.

Nicht alle Videos, die eine Nonprofit-Organisation verwendet, müssen so professionell wie die der beiden britischen NPOs und insbesondere die von Mencap ausfallen. Genutzt werden können auch selbst erstellte Videos, die anlässlich einer Konferenz, eines Interviews usw. gemacht werden. Ihre Qualität ist vielleicht nicht optimal, aber sie stehen für Aktualität und – wieder – Authentizität. Solche Amateur-Videos bieten sich speziell für Nonprofit-Weblogs an. Es gibt Blogger, die Videos stark nutzen und keine Konferenz ohne ein selbst aufgezeichnetes Interview verlassen. David Wilcox’ Blog ist so ein Beispiel . Er bietet seinen Lesern mit den Videos von Tagungen einen interessanten Mehrwert.

Videos transportieren nicht nur die Botschaft einer Organisation, sondern können darüberhinaus noch folgendes leisten:

– Videos erhöhen die Transparenz einer Einrichtung. Räumlichkeiten, Mitarbeiter, Leistungen, Konferenzen, Feste können so visualisiert werden

– Videos dienen der politischen Arbeit von Nonprofits. Das Netz bietet die Voraussetzungen, die notwendig sind, um Videos im Rahmen von Kampagnen breit zu streuen (über youtube, blogs usw.)

– Videos können für die Schulung von Mitarbeitern, Angehörigen, Internetnutzern eingesetzt werden, indem Vorträge, Interviews, Anleitungen gefilmt und den Zielgruppen zur Verfügung gestellt werden.

– Videos können die Entwicklung eines Hilfsprojektes dokumentieren, z.B. den Baufortschritt einer Hilfseinrichtung, den Einsatz eines neu angeschafften Hilfegerätes usw. Dies erhöht die Legitimation der Nonprofit-Organisation gegenüber den Spendern und der Öffentlichkeit.

– Videos können als Fundraising-Instrument eingesetzt werden. Speziell Youtube.com unterstützt Nonprofits beim Geldsammeln. Einer amerikanischen Studie zufolge sind gerade die größzügigsten Spender auch gleichzeitig Youtube-Nutzer, und zwar in einem stärkerem Ausmaß, als sie Facebook oder LinkedIn nutzen. Mehr dazu in einem Beitrag von NetSquared.

YouTube hat ein spezielles Programm für Nonprofits eröffnet, allerdings bisher nur für amerikanische und britische NPOs. Viele international bekannte Organisationen sind hier präsent und zeigen ihre Videos auf eigenen Kanälen, wie bspw. Oxfam . Die Videos der Nonprofit-Organisation werden auf ihrer YouTube-Seite ergänzt durch Videos, die Freunde der jeweiligen NPO eingestellt haben. Das heißt, die Stakeholder bekommen hier die Möglichkeit, einen Beitrag zum Image der NPO und deren Botschaft oder Kampagne zu leisten.

Videos machen eine Nonprofit-Einrichtung unabhängiger von Fernsehanstalten. Wie viel Filme über die Organisation gesendet werden, liegt nun nicht mehr in der Hand der Sender, sondern der Nonprofit-Organisation selbst. Sie entscheidet auf der Basis ihres Budgets, ihrer Zeit- und Mitarbeiterressourcen, ob ein Video (selbst) produziert wird.

Zusammenfassend würde ich sagen, dass bei einem Video nicht die technische Perfektion im Vordergrund stehen sollte. Dies ist ein Trugschluss, dem manche Nonprofits, die sich an Videos heranwagen, aufsitzen. Sicherlich muss die Aufnahmequalität gut sein und ansprechend, – entscheidend sind aber die Emotionen, die das Video beim Betrachter auslöst (oder auch nicht). Und diese hängen eng mit der inhaltlichen Botschaft des Videos und mit den Personen zusammen, die im Video den gemeinnützigen Träger repräsentieren

Weitere interessante Links zumThema
The NonProfit Times , NetSquared