Transparenz im gemeinnützigen Bereich oder wann kommt der “Open Third Sector”?

Warum ist Transparenz wichtig für den gemeinnützigen Sektor?

  • Transparenz bildet Vertrauen zwischen der Organisation und ihren Stakeholdern und erhält die Legitimation gemeinnütziger Einrichtungen
  • Transparenz verschafft Wettbewerbsvorteile wenn es um die Gewinnung von Freiwilligen und Spendern geht. Letztere vergleichen immer genauer Profile und Mitmach-Möglichkeiten von Nonprofits, um für sich selbst passgenaue Projekte herauszusuchen
  • Transparenz fördert die Wissensbildung in gemeinnützigen Organisationen. Nur wer sich nach außen hin öffnet , kann vom Wissen und Feedback der Bürger profitieren, um Dienstleistungen effektiver zu gestalten
  • Transparenz ist ein weltweiter Trend. Die Open Data/Open Government-Bewegung zeigt, wohin die Richtung geht: hin zu Datenportalen mit tausenden von bisher nicht zugänglichen Datensätzen, die der Allgemeinheit zur Verfügung gestellt werden (von öffentlicher Seite siehe data.gov in den USA, data.gov.uk in Großbritannien, London Datastore, Berlin Open Data, Paris Data, Linz Open Data, von zivilgesellschaftlicher Seite Offene Daten Deutschland, Offene Daten Österrreich – mehr Beispiele im Open Data Showroom des Open Data Network). Auf der Basis dieser Daten lassen sich Applikationen entwickeln, z.B. im Rahmen von Wettbewerben wie in Berlin oder dem aktuellen Apps für Deutschland
  • Transparenz wird durch das Internet forciert und die Forderung nach mehr Transparenz auch im gemeinnützigen Bereich wird über Soziale Medien weiterverbreitet, so dass sich weltweit Open Data- Communities bilden. In der Entwicklungshilfe ist das Thema schon angekommen, siehe OpenAid und die Open Aid Data Conference vom September.

In den USA und in Großbritannien erkennen immer mehr gemeinnützige Organisationen den Nutzen der Transparenz für sich und begreifen den Sog einer Entwicklung, dem langfristig nicht widerstanden werden kann. Wie wird Transparenz hier umgesetzt?

  • Webpräsenz: Das amerikanische Foundation Center analysiert anhand 23 Indikatoren die Webseiten von Stiftungen auf deren Transparenz hin. Die Ergebnisse sind in einer Transparency Heat Map zu sehen.
  • Evaluation: Die James Irvine-Foundation stellt – wie viele andere Stiftungen auch – ihren Grantee Perception Report online, in dem abgefragt wird, wie die von der Stiftung Geförderten die James Irvine-Foundation und ihre Arbeit beurteilen, – auch im Vergleich mit anderen Stiftungen. Schwaches Abschneiden in manchen Bereichen wird nicht verschwiegen. Ebenso werden die eigenen Lerneffekte dargestellt.
  • Lernen: Das Organizational Effectiveness (OE)-Wiki der Packard Foundation teilt Daten des OE-Teams mit der Öffentlichkeit im Rahmen eines “öffentlichen Lernens”.
  • Ideen teilen: Ideen, die der Organisation im Rahmen von Wettbewerben zufließen, werden vom Buckminster Fuller Institut im Rahmen einer öffentlichen Datenbank (“Idea Index”) zur Verfügung gestellt.
  • Open Data: Der britische National Council for Voluntary Organisations (NCVO) hat Anfang des Jahres einen Voluntary Sector Datastore eröffnet. Bisher finden sich nur 16 Datensätze darin, – das Feedback aus dem gemeinnützigen Sektor scheint nicht sehr groß zu sein. Aber immerhin ist ein Anfang gemacht.
    Die britische lokale Organisation ecdp von und für Menschen mit Behinderungen veröffentlicht ihre detaillierten Leistungsdaten im Rahmen monatlicher Performance Dashboards. Beobachter gehen davon aus, dass als Folge der Anerkennung der Bedeutung offener Daten in der Staatsverwaltung auch der Dritte Sektor irgendwann seine Leistungsvereinbarungen mit der öffentlichen Hand einschliesslich Output und Outcome wird veröffentlichen müssen

Weitere Beispiele für Transparenz speziell im Stiftungsbereich finden sich in der exzellenten Präsentation von Joana Breidenbach vom betterplace lab.

Amerikanische Nonprofit-Organisationen sind von staatlicher Seite viel stärkeren Transparenzforderungen unterworfen als gemeinnützige Akteure in Deutschland. Während in unserem Land Nonprofit-Angaben über Einnahmen und Ausgaben dem Steuergeheimnis unterliegen, sind diese Informationen in den USA öffentlich und werden in Datenbanken wie GuideStar eingespeist, – ein Projekt, das hier in Deutschland keinen Fuß fassen konnte.

Der hiesige Dritte Sektor ähnelt in vielem einer Black Box, was die Nonprofit-Forschung ungemein erschwert und die zivilgesellschaftliche Entwicklung in unserem Land erheblich behindert.

Interessanterweise erwächst dem Dritten Sektor in Deutschland aber kein Legitimationsproblem aus seiner Intransparenz. In einem Aufsatz für das Forschungsjournal Soziale Bewegungen (3/2011) zeigen Anheier/Beller/Haß (2011), dass ein Transparenzproblem des gemeinnützigen Bereichs empirisch “kaum messbar und somit allenfalls ‘gefühlt’ oder medial vermittelt vorhanden” ist (S. 102).

Die Autoren greifen als Erklärung auf die “Steady State”-These zurück. Diese besagt, dass das Rechenschafts (“Accountability”) – Regime in Deutschland, dem der Dritte Sektor unterworfen ist und das sich ganz am Staat/der Steuerbehörde orientiert, letztlich effizient und effektiv funktioniere. Es reduziere die Komplexität für NPOs, sie müssen sich nicht mit multiplen Stakeholdern abgeben sondern nur mit dem Staat (S. 101).

Die Autoren ziehen folgendes Fazit: Weil der gemeinnützige Sektor in Deutschland einer anderen Steuerungslogik unterliege als jener in den USA oder in Großbritannien, wo gemeinnützige Organisationen stärker einer fragenden zivilgesellschaftlichen Öffentlichkeit ausgesetzt sind, sei die Übertragung der US-amerikanischen Transparenz-Debatte auf den Deutschen Sektor “nicht ohne weiteres möglich und auch nicht nötig.” (Anheier/Beller/Haß 2011, S. 102).

Das ist ein kühner Schluss, – macht er doch Vorgaben für die öffentliche Diskussion, an die sich die Zivilgesellschaft nicht halten wird, weil über das Internet tagtäglich Best-Practice-Beispiele ins Haus kommen, die zeigen, dass es bezüglich Transparenz auch anders geht, als vom deutschen Nonprofit-Sektor praktiziert.

Deshalb besorgen sich Bürger immer häufiger selbst Informationen über den Dritten Sektor. Entweder über Screen Scraping – hier werden Daten über den Nonprofit-Bereich auf anderen, z.B. staatlichen, Webseiten ausgelesen (Beispiel: das britische Open Charities-Projekt, das auf den Daten des britischen Charities Register basiert).

Oder Bürger nutzen Daten, die von anderen Akteuren, z.B. der OECD, schon veröffentlicht wurden, um mehr Transparenz in ein Politikfeld zu bringen (Beispiel: eine Webkarte über die Verteilung der deutschen Entwicklungshilfegelder auf einzelne Länder und Projekte von Christian Kreutz).

Und schließlich kann die bürgerschaftliche Seite Plattformen wie Great Nonprofits aufbauen, auf denen durch die Erfahrungsberichte der Bürger mit gemeinnützigen Organisationen mehr Transparenz in den Sektor gebracht wird.

In allen diesen Fällen wird der Dritte Sektor zum ‘„Getriebenen’“ einer Entwicklung. Um diese Situation zu vermeiden und die eigene Handlungsfähigkeit unter Beweis zu stellen, sollte sich der gemeinnützige Bereich dem Thema Transparenz über Open Data und Soziale Medien offensiv stellen. Es wird eines der herausragenden Themen der Zukunft sein.

 

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