Der aktuelle IT-Report für die Sozialwirtschaft , herausgegeben von der Arbeitsstelle für Sozialinformatik an der Katholischen Uni Eichstätt-Ingolstadt, hat per Befragung ermittelt, dass etwa 60% der Mitarbeiter in der Sozialbranche regelmäßig einen Computer nutzen und es hier 400.000-500.000 PC-Arbeitsplätze gibt. Da fast 1,2 Mio. Menschen im Sozialsektor arbeiten, scheinen mehrere Mitarbeiter gemeinsam einen PC zu nutzen und viele ganz ohne PC zu sein.
Die Studie konzentriert sich auf mittelgroße Einrichtungen (50 bis 200 Mitarbeiter), d.h. kleinere und kleinste Organisationen bleiben außen vor, weil sie in der Regel über keinen IT-Ansprechpartner verfügen.
In einem Aufsatz für die Blätter der Wohlfahrtspflege vom Januar 2008 beschreibt Helmut Kreidenweis, Professor für Sozialinformatik, den Stand der Informationstechnologie in sozialen Organisationen:
- die hier zur Verfügung stehende Software konzentriert sich auf betriebswirtschaftliche, administrative und fachliche Abläufe (S. 29). Die Interaktion über Organisationsgrenzen hinweg oder mit der Klientel wird von den Anwendungen nicht abgedeckt (S. 30)
- Die Programme begleiten nicht die tatsächlichen Arbeitsprozesse, sondern immer nur Teile davon. Sie folgen inhaltlich keinem stringenten Konzept, sondern fragen eher unsystematisch Daten ab (ebd.)
- Die Software basiert noch häufig auf veralteten Technologien der 1980er und 1990er Jahre.
- Obwohl die Informationstechnologie überall Einzug gehalten hat, sind laut Kreidenweis die Sozialorganisationen von einer effizienten IT-Nutzung noch sehr weit entfernt (S. 29).
Warum führt die Informationstechnologie in strategischer Hinsicht immer noch ein Schattendasein in sozialen Einrichtungen?
- Weil Informationstechnologie nicht in den Managementkonzepten von sozialen Organisationen verankert ist. Sie wird als bloße ‘Technik’ und vor allem in kleineren Einrichtungen als lästiger Kostenblock betrachtet und nicht als Chance, Organisationen effektiver zu machen (Kreidenweis, S. 29).
- Die Informationstechnologie wird von Praktikern für die Bürokratisierung und Verbetriebswirtschaftlichung der sozialen Arbeit verantwortlich gemacht und mit Misstrauen betrachtet.
- Laut Kreidenweis fehlen in sozialen Einrichtungen häufig das Geld und die Investitionsbereitschaft, wenn es um IT geht (S. 31).
Die Unterbewertung von Informationstechnologien ist meines Erachtens auch darauf zurückzuführen, dass staatliche Stellen, private Spender und Stiftungen besonderen Wert auf die inhaltlichen Programme von gemeinnützigen Organisationen legen und nicht auf deren Infrastruktur. Das Ziel aller Akteure, die Nonprofits fördern und bewerten, ist es, die Kosten für Ausstattung und Arbeitsabläufe in den Hilfsorganisationen so gering wie möglich zu halten, um die Mittel den Hilfsbedürftigen zukommen zu lassen. Auch Nonprofits sind dieser “low pay, make do, and do without”-Ideologie schon erlegen und setzen sich zu wenig für ihre Infrastruktur ein.
Die amerikanische Bridgespan Group hat ein interessantes Papier über das Problem der Nonprofit Overhead Kosten geschrieben. Es wird von allen Seiten so getan, als würden die finanziellen Hilfen wie von selbst die Hilfsempfänger erreichen und als bräuchte man dazu nicht das entsprechende Personal, die Büros, die notwendige Schulung der Mitarbeiter, die notwendige Hard- und Software usw.
Gemeinnützige Organisationen, die ihre niedrigen Verwaltungskosten herausstellen oder Spendern gar versprechen, dass ihre Spende zu 100% beim Hilfsbedürftigen ankommt, heizen die “low pay, make do, and do without”-Konkurrenz unter den Nonprofits noch an. Dabei wäre es doch auch eine Möglichkeit, nicht mit geringen Verwaltungskosten, sondern einer sehr guten Verwaltung und gut geschulten Mitarbeitern zu werben, die in der Lage sind, die Ziele der Hilfsorganisation schnell und effektiv zu erreichen.
Jedenfalls zählt auch die Informationstechnologie zu den Opfern dieser Anti-Overhead-Kosten-Einstellung. Würde man die Notwendigkeit einer guten IT-Ausstattung und Mitarbeiterschulung im IT-Bereich wirklich anerkennen, dann stiegen wahrscheinlich auch die Investitionsbereitschaft und -fähigkeit in Nonprofit-Organisatonen.
Karin Janner fragt in der aktuellen Runde der Nonprofit-Blogparade , wie ein Social-Media-Mix für Nonprofits aussehen könnte. Ich möchte mit dem voliegenden Beitrag den Blick auf den Umstand lenken, dass die IT-Ausstattung und -Nutzung in Nonprofits noch verbesserungswürdig ist. In einem Umfeld, in dem nur 60% der Mitarbeiter regelmäßig einen PC nutzen, sind die Chancen, die mit der Informationstechnologie einhergehen, in der Breite noch nicht entdeckt. Insbesondere die Potentiale von Technologien zur Vernetzung und Interaktion liegen in sozialen Organisationen noch brach.
Um den Wert von Social Media zu erkennen und einen Social-Media-Mix zu planen, müßte zuerst ein Mangel empfunden werden. Ein Mangel an Dialog und Interaktion und ein Mangel an adäquaten Informations- und Kommunikationstechnologien in den sozialen Einrichtungen. Da die Informationstechnologie aber im gemeinnützigen Denken und Handeln nicht wirklich verankert ist (s. oben), wird ein solcher Mangel möglicherweise gar nicht wahrgenommen bzw. man erhofft sich von der Technik keine wirklichen Handlungschancen. Höchstens administrative Erleichterungen.