Wie britische Nonprofit-Organisationen Im Sozialbereich das Internet nutzen, wird alljährlich im Rahmen der Studie ‘Virtual Promise’ des Beratungsunternehmens nfpSynergy erhoben und veröffentlicht. Die aktuellste Ausgabe der Studie, Virtual Promise 2008 ist derzeit online verfügbar (via London Regional ICT Champion ).
2008 nahmen 187 gemeinnützige Organisationen aus dem Sozialsektor an der Online-Befragung teil. Die Ergebnisse zeigen, dass vom Internet bis jetzt hauptsächlich die großen Organisationen mit über 10 Mio. Pfund Umsatz profitieren, während die Kleinen mit unter 1 Mio. Umsatz erheblich zurückfallen. Obwohl die Möglichkeiten, die sich durch Web 2.0 eröffnen, doch insbesondere kleinen NPOs neue Handlungschancen verschaffen, da Freie Software und kostenlose Dienste und Plattformen für die NPO-Organisationsziele zur Verfügung stehen.
Hier die wichtigsten Ergebnisse der Studie Virtual Promise 2008 im einzelnen:
Den Kern der NPO-Internetpräsenz bildet die eigene Webseite . Sie wird bei 73% der großen und bei 50% der kleinen Nonprofit-Organisationen von externen Dienstleistern erstellt. Verantwortlich für die Webpräsenz ist zumeist der Kommunikationsbereich (43%), seltener ist der Internetauftritt beim Marketing angesiedelt (20%).
Als den größten Nutzen eines Internetauftritts geben die befragten NPOs an, dass sie über das Netz informieren , kommunizieren und ihre Leistungen vermarkten können. Nur 22% halten eine Webpräsenz als sehr nützlich für das Fundraising , wobei es hier große Unterschiede zwischen den Organisationen gibt: nur 16% der kleinen NPOs sind der Ansicht, dass ein eigener Webauftritt "very beneficial" für das Fundraising ist, im Vergleich zu 45% bei den großen Organisationen.
Von den befragten großen NPOs sind 77% bei JustGiving registriert, einer populären Fundraising-Plattform, während die Kleinen diese Möglichkeit des Online-Fundraisings nur in 14% der Fälle nutzen. Nur 7% der kleinen NPOs stimmen der Aussage voll zu, dass das Internet sich in den letzten 12 Monaten zu einer Einkommensquelle entwickelt hat, während bei den Großen immerhin 27% diese Aussage ganz bejahen.
Besser als beim Fundraising werden die Chancen der eigenen Internetpräsenz eingeschätzt, wenn es um das Angebot von Diensten online geht: fast ein Drittel der befragten NPOs sehen hier einen hohen möglichen Nutzen. Demgegenüber halten nur 24% aller NPOs das Internet als sehr nützlich für das Campaigning .
95% der großen Einrichtungen sehen das Internet als eine Möglichkeit, um neue Zielgruppen zu erreichen. Bei den kleinen Einrichtungen vertreten nur 47% diese Ansicht.
Welche Instrumente nutzen NPOs im Rahmen ihrer Webpräsenz?
Um zu informieren werden in erster Linie News auf die Webseite gestellt, nur bei einem Drittel der NPOs auch Videoclips, bei 14% Podcasts, bei 2% Wikis. Über RSS-Feeds verfügen nur ein Viertel der NPO-Webseiten.
Um zu kommunizieren und mit den Zielgruppen zu interagieren, wählen 60% der Organisationen Email-Newsletter, nur 24% haben eine Chat-Gruppe oder Online-Community, nur 2% ein Blog auf ihrer Webseite. Von den Web 2.0-Diensten wird am meisten Facebook genutzt, 34% der untersuchten NPOs sind hier präsent, wobei der Unterschied zwischen großen und kleinen NPOs eklatant ist: 73% der Großen, aber nur 17% der Kleinen nutzen Facebook.
Was die Finanzierung der Webseite angeht, so hat immerhin ein Drittel aller befragten NPOs keinen extra Haushaltsposten für den Interntauftritt, wobei hiervon hauptsächlich kleine Einrichtungen betroffen sind. Bei den Großen haben 77% ein gesondertes Budget für den Internetauftritt zur Verfügung. In großen NPOs betreuen 4,5 Vollzeitstellen (angestellte oder freiwillige Mitarbeiter) die Webpräsenz, in kleinen NPOs 2,6. Speziell die großen NPOs aktualisieren ihre Seite täglich (45%), bei den kleinen Organisationen können das nur 6% .
Weiter sind die großen NPOs auch, wenn es um die Evaluation ihrer Webpräsenz geht. Gemessen wird insbesondere die Zahl der Einzelbesuche. Ansonsten wird der Mehrwert der Webseite bei den großen NPOs an den eingegangenen Spenden festgemacht. Bei den kleinen NPOs messen 53% der Organisationen den Mehrwert ihrer Webseite nicht.
Nur 11% der kleinen NPOs und 41% der Großen stimmen der Frage, ob ihrer Webpräsenz eine Strategie zugrunde liegt, voll zu. Mehrheitlich wird in den Einrichtungen offensichtlich eher inkrementalistisch vorgegangen und ohne eine Social Media Strategie. Falls doch eine Internet-Strategie vorliegt, dann scheint diese in den meisten Fällen nicht in die Gesamtstrategie der Organisation eingebunden zu sein, zumindest vertritt fast ein Drittel der befragten NPOs diese Ansicht. Nur 19% der Organisationen stimmen der Frage, ob ihre Internet-Strategie vom Vorstand beschlossen und befürwortet wurde, voll zu.
Fazit : die Erhebung zeigt, dass alle befragten britischen Nonprofit-Organisationen im Sozialbereich noch Nachholbedarf haben, wenn es um um den Einsatz von Social Media geht. Hinsichtlich der Interaktion und Kommunikation dominiert auf ihren Webseiten der Email-Newsletter, informiert wird klassisch über aktualisierte News. Videos/Podcasts/Wikis/Blogs spielen noch eine untergeordnete Rolle.
Wenn mit den neuen Tools experimentiert wird, dann sind die großen NPOs dafür verantwortlich. Die kleinen Einrichtungen liegen hier ganz abgeschlagen dahinter. Nicht einmal für das Online-Fundraising über bestehende Plattformen – was fast keinen Aufwand erfordert – können sie sich begeistern.
Gleichzeitig sind nur 19% der kleinen NPOs der Ansicht, ihre Organisation mache das Beste aus den vorhandenen digitalen Möglichkeiten, d.h. es existiert hier durchaus ein Wissen darüber, dass die Internet-Potentiale noch nicht ausgeschöpft sind.
Warum die digitalen Chancen letztlich aber nicht ergriffen werden, scheint nicht an innerorganisatorischen Barrieren wie an zu wenig Personal, mangelnden Kompetenzen, einem zu kleinen Budget zu liegen. Diese werden als mögliche ‘major constraints’ von den kleinen NPOs in der Umfrage nicht sehr hoch bewertet. Die Gründe für ihre Web-Zurückhaltung bleiben letztlich im Dunkeln, weil rund 40% der kleinen NPOs die entsprechenden Fragen nicht beantworteten.
Ich könnte mir vorstellen, dass es vielerorts in den kleinen NPOs einfach an Personen mangelt, die sich die Weiterentwicklung der Webpräsenz auf ihre Fahnen geschrieben haben und sich für dieses Ziel engagieren. Darin liegt auch ein Mangel der Studie, dass sie nicht nach der Bedeutung von internen Katalysatoren fragt, die die Internetpräsenz mit Leidenschaft vorantreiben und für deren Weiterentwicklung sicherlich eine sehr wichtige Rolle spielen.
Wenn die kleinen Einrichtungen den Anschluss an das neue Internet nicht aus eigener Kraft schaffen und sich in der Organisation niemand findet, der das Thema in die Hand nimmt, dann sollte man sich überlegen, ob es nicht digitale Mentoren aus der Bürgergesellschaft braucht, die sich bereiterklären, kleinen NPOs hier unter die Arme zu greifen und Starthilfe zu leisten.
Ja, manchmal gibt es Leute, die die Dinge in die Hand nehmen und für kleine NPOs eine Strategie für das Internet entwerfen und daran arbeiten. Im konkreten Fall geht es um eine indische NPO, die im Bereich Entwicklungszusammenarbeit vor allem im Bildungsbereich in Südindien tätig ist. Die Organisation hat vier Fördervereine, nämlich in Italien, den USA, Deutschland und Spanien. In der Vergangenheit haben wir, die up-filmproduction, Âpro bono Videos zum Fundraising zur Verfügung gestellt. Im Rahmen eines Treffens aller Fördervereine haben wir Anfang Juni unser Konzept zur Nutzung des Internets und vor allem von Videos vorgestellt.
Das Resultat: In Zukunft werden wir nicht nur selber Videos für alle Fördervereine herstellen, sondern auch die indischen Mitarbeiter schulen und so etwas wie ÂSlum TV produzieren. Frauen aus den Slums sollen so Âempowert werden, ihre eigenen Geschichten zu erzählen. Hier finden Sie mehr dazu: http://www.up-filmproduction.com/blog007.html#0058
Ein Fulltime-Job, der natürlich bezahlt wird. Und: Da wir als ÂSocial Business arbeiten, ist das auch erschwinglich.
Nun zur Frage, warum nicht mehr NPOs solche Konzepte realisieren. Wir glauben, dass verschiedene Dinge eine Rolle spielen:
1. Viele Verantwortliche verlassen sich auf die bekannten, sicheren und vertrauten Medien und PR-Instrumente.
2. Die Dynamik und die Qualität des Web 2.0 erschließt sich für viele Verantwortliche nicht, da sie es nicht selber nutzen.
3. Viele Videos sind so schlecht, dass die Verantwortlichen zu Recht auf die Qualitätsnormen des Fernsehens hinweisen und Videos insgesamt ablehnen.
Ein schönes Wochenende wünschen Uli Schwarz und Petra Dilthey