Das Internet eröffnet Menschen neue Handlungschancen. Sie können über das Netz neue Freunde kennenlernen, sich weiterbilden, politisch aktiv werden, an Entscheidungen partizipieren, sich als Online-Volunteer in eine gemeinnützige Organisation einbringen, Geld spenden und Geld sammeln, ihr Wissen weitergeben, künstlerisch aktiv werden – die Möglichkeiten sind endlos. Das Internet bietet für den Einzelnen die Chance, unabhängiger zu werden von seiner Fähigkeit zur Mobilität, seinem sozialen Umfeld, seinem Ort, seinen finanziellen Möglichkeiten.
Das Internet kann zum Empowerment-Instrument werden, das Menschen eine öffentliche Stimme verleiht, die bisher noch keine hatten, – ein gutes Beispiel sind die Autoren des Caritas-Blogs Mitten am Rand . Aber das Internet eröffnet nicht nur Individuen neue Chancen, sondern auch Organisationen und Gemeinschaften. Es hält Mittel bereit, um die Partizipation der Zivilgesellschaft voranzutreiben.
Aber die Chancen des Internets eröffnen sich nur denjenigen, die über die Kompetenzen verfügen, sich im Internet zu bewegen und diesen öffentlichen Raum effektiv zu nutzen. Mein Bloggerkollege Herber Schmidt, der in der Selbstorganisation von Senioren aktiv ist und Blogpate des Projekts Internet Erfahren , befasst sich in der 9. Runde der Nonprofit-Blogparade mit dem Thema eLearning für Senioren und stellt unterschiedliche Projekte und Netzwerke vor. Sie zielen mit ihren Angeboten zum Lernen und zum sozialen Austausch auf die digitale Inklusion von Senioren. In der Altersgruppe der über 50-Jährigen zählen 55% der Menschen – darunter mehrheitlich Frauen – zu den Offlinern (s. (N)Onliner-Atlas 2009, S. 10) .
Nonprofit-Organisationen spielen eine wichtige Rolle, wenn es darum geht, Bürgern und Gruppen auf ihrem Weg in die digitale Welt zu helfen. Die Forschung zeigt, dass die Partizipation von Menschen – egal in welchem Kontext – davon profitiert, wenn sie von Dritte-Sektor-Organisationen gefördert und begleitet wird (Pratchett u.a. 2009) . Wer versucht, sich alleine mehr Beteiligungsmöglichkeiten zu verschaffen, hat es schwerer als jemand, der diesen Lernprozess gemeinsam mit einer Gruppe geht.
Nonprofits können Initiativen und Projekte schaffen, in denen ihre Zielgruppen in das Internet eingeführt werden, sie können Informationen und Kontakte zum Thema bereithalten und selbst in Kursen das Wissen vermitteln, das man für die digitale Welt benötigt.
Eine Recherche in der Datenbank der Stftung digitale Chancen zeigt, dass viele Nonprofit-Organisationen öffentliche Internetzugänge und – soweit aufgelistet – auch Kurse für Interneteinsteiger anbieten. Sie sind auch involviert in das Programm Internet Erfahren des Bundeswirtschaftsministeriums, das Mitarbeiter der sozialen Dienste als wichtige Multiplikatoren erachtet, weil sie häufig einen direkten Zugang zu jenen Menschen haben, die noch zu den Offlinern zählen.
Die Forschung zeigt aber auch, dass das Empowerment von Menschen, ihre Befähigung zur Partizipation, nicht nur von ihren Kompetenzen abhängt und von der Existenz einer Gruppe, in der sie einen Rückhalt finden. Partizipation funktioniert dann am Besten, wenn man
- Bürger um ihren Input bittet, also sie aktiv anspricht ("asked to")
- und ihnen vermittelt, dass ihr Beitrag zählt ("responded to") (Pratchett u.a. 2009)
Dies bedeutet bezogen auf die digitale Inklusion, dass es hier nicht nur darum gehen darf, die Individuen für die internetbasierte Wissensgesellschaft fit zu machen, sondern darum, ihre Partizipationsmöglichkeiten als Bürger dieser Gesellschaft zu stärken. Und Institutionen – egal aus welchem Sektor – das digitale Engagement der Bürger würdigen und darauf eingehen sollten.
Die Frage ist, inwieweit die etablierten Nonprofit-Organisationen – und hier insbesondere die freie Wohlfahrtspflege – diese demokratiepolitischen Chancen der digitalen Inklusion sehen und fördern? Sind sie heute schon die Brückenbauer, die ihren Stakeholdern Wege in das Internet bahnen, damit letztere ihre Partizipationschancen – auch gegenüber dem freien Träger selbst- wahrnehmen können? Haben die traditionellen gemeinnützigen Organisationen, die das institutionelle Rückgrat der Zivilgesellschaft bilden, die Chancen von Social Media für die Bürgergesellschaft schon erkannt und nutzen sie diese Chancen für sich selbst und für ihre Stakeholder?
Die meisten gemeinnützigen Organisationen können die Rolle eines Brückenbauers in die digitale Welt, der nicht nur Kompetenzen vermittelt, sondern Menschen und Gruppen auch zur digitalen Partizipation ermuntert, noch nicht einnehmen. Die meisten Nonprofits stehen dem Internet noch kritisch gegenüber und können sich mit dem Netz nicht recht anfreunden. Dies führt zu der – aus strategischer Sicht bedauernswerten – Situation, dass mit dem Internet ein neuer öffentlicher Raum existiert, in dem Handlungschancen, Ressourcen und Macht verteilt werden, und viele Dritte-Sektor-Organisationen abseits stehen und es versäumen, sich selbst und ihrer Klientel einen angemessenen Platz in diesem öffentlichen Raum zu schaffen. So bleiben viele Handlungs- und Gestaltungsmöglichkeiten ungenutzt liegen, die die Zivilgesellschaft stärken könnten.
Dass das Internet noch keinen prominenten Platz im Bewusstsein der Verfechter des Bürgerengagements einnimmt, zeigt auch der Zwischenbericht des Nationalen Forums für Engagement und Partizipation , das vor einigen Wochen tagte. In den Ergebnissen der zehn Dialogforen ist das Internet zwar durchaus an manchen Stellen präsent, aber in erster Linie als Informations- und Vermittlungs- und Austauschplattform (vgl. S. 13-26). Es wird nicht deutlich, dass das Internet dem bürgerschaftlichen Engagement auch grosse demokratiepolitische Chancen eröffnet und es den Umgang zwischen NPOs und ihren Stakeholdern verändert. Es wäre gut gewesen, es hätte sich ein Dialogforum speziell mit dem Internet und seinen Folgen für das bürgerschaftliche Engagement befasst. Angesichts der Ausdehnung und der wachsenden Bedeutung der digitalen Welt wäre es wichtig, dass sich Nonprofit-Organisation stärker dem Internet zuwenden und hier innovative Lösungen für sich und ihre Stakeholder entwickeln.