NPO-Blogparade: Nonprofits und ihre Verwaltungskosten

In der 5. Runde der Nonprofit-Blogparade fragt Sebastian Schwiecker von Helpedia , warum die Höhe der Verwaltungskosten bei spendensammelnden Organisationen so oft im Mittelpunkt der öffentlichen Debatte steht.

Welche Gründe sind für diesen "öffentlich praktizierten Verwaltungskostenfetischismus" (Sprengel u.a. 2003 ) verantwortlich?

1. Spender wünschen sich Nonprofits, die nichts kosten. Die Spenden sollen zu 100% bei den Bedürftigen und Hilfesuchenden ankommen. Dass die Organisation der Hilfe zwangsläufig Geld kostet, wird verdrängt.

2. Der Staat seinerseits will Nonprofits, die möglichst wenig kosten. Für die sozialen Dienste, die sie im Auftrag des Staates erbringen, werden sie vergütet. Für die Kosten der Organisationsverwaltung selbst fühlt sich der Staat nicht zwingend verantwortlich.

3. Nonprofits ihrerseits tabuisieren die Verwaltungskosten. Intern haben sie die “low pay, make do, and do without” -Haltung verinnerlicht. Nach außen nehmen sie am Wettbewerb um die niedrigsten Verwaltungskosten teil und gehen häufig mit dem 100%-Versprechen an die Öffentlichkeit. Die "low pay, make do, and do without"-Haltung hat tragische Folgen für das Selbstverständnis und das Selbstwertgefühl von gemeinnützigen Organisationen. Sie befördert die Überzeugung der Mitarbeiter, dass ihre Arbeit nichts wert sei, weil niemand bereit ist, ausreichend dafür zu bezahlen und alle nur nach Kostenreduktion rufen.

4. Experten suchen derweil nach dem idealen Verwaltungskostenanteil. Sie fragen , welchen Mitteleinsatz eine gemeinnützige Einrichtung benötigt, um ihre Ziele erreichen zu können. Entsprechende Effektivitäts-
überlegungen lassen außer acht, wie unterschiedlich die Situation von Nonprofits ist und wie unterschiedlich komplex ihre Aufgaben sind. Wo eine intensive Abstimmung mit örtlichen Partnern notwendig ist und Klienten nur unwillig kooperieren, fallen die Aufwendungen für Kommunikation, Beratung, Fortbildung etc. höher aus als in weniger komplexen Projekten.

5. Nonprofits sollten sich für die unergiebige Verwaltungskostendebatte nicht länger einspannen lassen. Statt aus der Defensive heraus zu argumentieren, sollten sie zeigen, welche Werte der Dritte Sektor produziert und wie wichtig seine Funktionen für unsere Gesellschaft sind. Nonprofits sollten sich ihrer weiteren Verbetriebswirtschaftlichung entgegenstemmen und zeigen, dass die Arbeit mit Menschen vor allen Dingen eines kostet: viel Zeit. Denn Menschen suchen Zuwendung und nicht die Abfertigung im Minutentakt.

6. Je offensiver Nonprofit-Organisationen ihre Rolle als Interessenvertreter, integrative Instanzen und Förderer der Partizipation auf lokaler Ebene praktizieren, desto höher werden ihre allgemeinen Verwaltungskosten sein bzw. ihre nicht-projektgebundenen Ausgaben für Kommunikation, Öffentlichkeitsarbeit, Organisationsentwicklung usw. Was manch einer kritikwürdig findet, macht aus meiner Sicht Sinn. Denn die Rolle von Nonprofits erschöpft sich nicht in der Erbringung (sozialer) Dienstleistungen. Ihre Aufgabe ist es, funktionierende Nachbarschaften und Gemeinschaften aufzubauen und Menschen zur Partizipation zu ermuntern. Sie bilden die Infrastruktur der Zivilgesellschaft, in deren Rahmen Menschen ihre sozialen und politischen Bürgerrechte wahrnehmen. Die Rolle von Nonprofits reicht also weit über einzelne Projekte und ihre Bedeutung weit über die Diskussion von Verwaltungskostenanteilen hinaus:

"..political and social citizenship rights now hinge more than ever on the capacity of nonprofit organizations: They are on the front lines of public services delivery and they provide a vehicle by which millions of people participate in the concernes of their community and advocate in the political arena" (Rathgeb Smith, 2008 ).

Update 23.3.09: Eine Reihe von Entwicklungsorganisationen haben einen gemeinsamen Neun-Punkte-Plan zum Thema ‘Umgang mit Spenden’ verabschiedet, in dem sie sich zu mehr Transparenz verpflichten und zu einer offensiveren Haltung hinsichtlich der Verwaltungskosten. Mehr bei Social-Times-news:
http://tinyurl.com/cub489.

Social Media und Online-Bürgerbeteiligung – wie weit sind hier die Kommunalverwaltungen?

Für Nonprofit-Organisationen ist die Kommunalverwaltung ein wichtiger Partner auf lokaler Ebene. Unter anderem deshalb, weil Kommunen viele Nonprofits finanziell fördern oder sogar deren Betriebs- und Investitionskosten zu erheblichen Teilen übernehmen. In vielen Politikfeldern arbeiten Nonprofits mit der Kommunalverwaltung eng zusammen, um gemeinsam ein politisches Programm umzusetzen und die vorhandenen Ressourcen zu bündeln.

Wenn eine Nonprofit-Organisation stärker Social Media einsetzen möchte, eine Öffnung nach außen anstrebt und die Vernetzung mit ihren Stakeholdern – auch der Kommunalverwaltung – sucht, wenn sie Bürger stärker mit einbeziehen will und innovative Beteiligungsprojekte plant, – kann sie dann mit der Unterstützung "ihrer" Kommune rechnen? Oder anders gefragt: wie weit sind die Gemeinden in Deutschland, wenn es um den Einsatz von Social Media geht und um eine stärkere Einbeziehung von Bürgern in kommunale Angelegenheiten?

Eine neue Aufsatzsammlung ("Web 2.0 für Kommunen und Kommunalpolitik" ) bringt Licht ins Dunkel. Das Resümee: in Deutschland existieren zwar einige Leuchtturmprojekte, wenn es um den Einsatz von Web 2.0 und E-Partizipations-Projekte geht. Aber es fehle an der Breite der Umsetzung, an der institutionellen Einbindung der Projekte in den Verwaltungsablauf, an der Transparenz und Responsivität, d.h. den Bürgern sei oftmals nicht klar, weshalb ihre Beteiligung gefragt ist und ob die Beteiligungsergebnisse auch umgesetzt werden (ebd., Albrecht/Westholm). Wie binden Kommunen Bürger über das Internet ein? Hier einige Beispiele:

  • Bürgerhaushalte: Gemeindemitglieder werden online an der Haushaltsplanung beteiligt. In 23 Städten gibt es schon Bürgerhaushalte , in vielen weiteren Städten sind Bürgerhaushalte in Planung
  • Online-Konsultationen: Bürger erhalten die Möglichkeit, über ein kommunales Projekt zu diskutieren, wie im Projekt ‘Mauerdialog’ in Berlin und sich in die Stadtplanung einzubringen.
  • In Stadtwikis können Bürger Informationen über ihre Gemeinde beisteuern. Allerdings werden die Wikis in der Regel von Bürgern aufgebaut. Immerhin gibt es auch ein Wiki, das von einer Stadt gegründet wurde, das Wiki der Stadt Schiltach .
  • In Diskussionsforen für Bürger, wie die Stadt Schleiden eines bietet.

Wie erwähnt, sind dies ‘Leuchtturmprojekte’. Von einer flächendeckenden Umsetzung der Partizipation von Bürgern über Social Media sind die Kommunen noch weit entfernt.

Angesichts der noch nicht befriedigenden Situation in Deutschland lohnt sich ein Blick nach Großbritannien , das zu den europäischen Vorreitern im Bereich E-Partizipation gilt (ebd., Albrecht/Westholm).

Ein erster Fund ist diese Karte , in der die britischen Gemeinden eingetragen sind, die Social Media-Dienste wie Twitter, Facebook, Youtube nutzen. Auf den ersten Blick sieht man an die hundert Pins. Klickt man auf eine der Ortsmarken, öffnet sich ein Fenster, das über den Social Media-Einsatz der jeweiligen Kommune informiert. Auf der linken Seite findet man weitergehende Informationen zu Listen z.B. der Gemeinden, die über einen eigenen Youtube-Channel verfügen.

Bürgerhaushalte gibt es in britischen Kommunen auch: bis 2012 soll in jeder Gemeinde das participatory budgeting eingeführt sein. Welche Pilotprojekte derzeit laufen, kann man der Seite participatorybudgeting.org.uk entnehmen.

Wie die Zukunft aussehen könnte, zeigt Bristol mit der Seite askbristol.com : hier haben die Bürger die Möglichkeit, über das Internet Petitionen an die Gemeinde zu senden, sich bei Befragungen oder Online-Konsultationen einzubringen, die Ratssitzungen auf Video zu verfolgen, ihr Wissen über ihr Quartier in Karten einzutragen und selbst Videos, Photos, Kommentare usw. hochzuladen.

Die britischen Kommunen bemühen sich um eine Verbesserung ihrer Leistungen und um Innovationen. Dies wird von mehreren Institutionen unterstützt, in denen auch das Thema Social Media eine Rolle spielt: von der Improvement and Development Agency for local goverment (IDeA ) und der Webseite Communities of practice for local government , in denen man Gruppen findet zu Themen wie ‘Social Media and Online Collaboration’.

Das Thema Social Media ist in britischen Kommunalverwaltungen also präsent, – unterstützt von einer Zentralregierung, in der Ministeriums-Webseiten unter dem Stichwort ‘Have YOUR SAY’ Foren und Blogs anbieten und Papiere im Entwurfsstadium von Nutzern kommentieren lassen. Und unter dem Titel ‘Show us a better way’ den Nutzern öffentliche Daten zur Verfügung stellen, um damit neue Kartenangebote zu generieren. Dazu passt, dass es auch Barcamps für den öffentlichen Sektor gibt, die den Einsatz von Social Media für die Verwaltung und die Bürgerbeteiligung ausloten. Für Juni 2009 ist zudem ein erstes LovalGovCamp geplant.

Um auf die Anfangsfrage zurückzukommen: in Großbritannien stoßen Social Media-affine Nonprofit-Organisationen auf Kommunalverwaltungen, die das Thema kennen oder schon mit Social Media arbeiten. In Deutschland ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass eine Nonprofit-Organisation auf kommunale Partner trifft, die mit den neuen Internet-Technologien noch nicht vertraut sind. Aber da auch der deutsche Nonprofit-Sektor im Sozialbereich noch – relativ – weit von Social Media und der Online-Partizipation von Stakeholdern entfernt ist, treffen sich hier Partner, die beide noch die Potentiale von Social Media entdecken müssen.

Für Kommunalverwaltungen sollte es darum gehen, nicht lediglich bestehende Verfahren, den tradierten Kommunikationsstil und die etablierte Verhaltenskultur in den Online-Bereich zu übertragen. Die Einführung von Social Media sollte zum Anlass genommen werden, in der Kommunalverwaltung einen Organisationswandel anzustreben, der auf kooperatives und vernetztes Handeln zielt.
Social Media sind kein technologisches Programm, sondern Instrumente, die die Beziehungen zwischen Staat und Gesellschaft neu ordnen werden.

Die Innovationskraft des Nonprofit-Sektors stärken – die Situation in den USA, UK und D

Wird die Innovationsfähigkeit des Nonprofit-Sektors staatlicherseits durch spezielle Institutionen unterstützt? Bildet die Stärkung von Nonprofit-Organisationen ein Top-Thema auf der politischen Agenda eines Landes?

In den USA und in Großbritannien auf jeden Fall:

In den USA will Präsident Obama den Nonprofit-Sektor innovativer, leistungsfähiger und zielorientierter machen. Die Rolle von Nonprofits als Social Entrepreneurs soll gestärkt werden. Um diese Ziele umzusetzen, sind drei Institutionen geplant:

  • ein Social Investment Fund Network , das mit staatlicher Hilfe um private Förderer wirbt, die in innovative gemeinnützige Projekte investieren wollen
  • eine Geschäftsstelle innerhalb des National&Community Service , die sich um die Steigerung der Leistungsfähigkeit und Effektivität des Nonprofit-Sektors bemühen soll
  • ein Office of Social Innovation im Weißen Haus, das die staatliche Politik zur Steigerung der Innovations-und Leistungsfähigkeit im Nonprofit-Sektor koordiniert und vorantreibt.

Wann die ersten beiden Institutionen geschaffen werden, ist noch nicht bekannt. Das Office of Social Innovation immerhin scheint es schon zu geben, es wird auf der Webseite des Weißen Hauses offiziell genannt.

Obamas Pläne für den Nonprofit-Sektor basieren auf einem Papier des Center for American Progress , einem Washingtoner think tank. In dem Papier, das noch vor der Finanzkrise geschrieben wurde, wird empfohlen, dass sich die Regierung nicht wie bisher auf die Förderung einzelner innovativer Modellprojekte beschränken solle, sondern dass es darum gehe, im Nonprofit-Sektor Strukturen zu schaffen, die Innovationen fördern.

Dies bedeute nicht, dass die konventionelle Förderung abgeschafft werden soll. Sondern der Staat solle sich darum bemühen, mit privater Hilfe Strukturen zu schaffen, die jene Finanzierungslücken schließen, die sich bei innovativen Projekten und start-ups im gemeinnützigen Bereich in der Regel auftun. Parallel sollen Nonprofits und die einschlägige Forschung darin unterstützt werden, Daten über soziale Dienstleistungen und deren Outcome zu sammeln und auszuwerten. Die Daten werden als Voraussetzung dafür gesehen, die Leistungsfähigkeit des Nonprofit-Sektors steigern zu können. Das Center for American Progress schlägt die Einrichtung des Office of Social Innovation im Weißen Haus vor. Über das Office soll der Nonprofit-Sektor stärkeren Einfluss auf die amerikanische Wirtschafts- und Innenpolitik erhalten. Das Papier schlägt auch die Vergabe eines jährlichen Preises in Millionenhöhe für die innovativste Problemlösung im Nonprofit-Sektor vor.

Auch in Großbritannien wurde schon vor Jahren die Stärkung des gemeinnützigen Sektors ganz oben auf die politische Agenda gesetzt. Schon im Jahr 2006 wurde innerhalb des brititschen Cabinet Office das Office of the Third Sector eingrichtet . Diesem obliegt es, die Politik für den Nonprofit-Sektor innerhalb der Regierung zu bündeln und die Leistungs- und Integrationsfähigkeit des "Dritten Sektors" zwischen Markt und Staat zu fördern. Die Vision des Office of the Third Sector: "To support the environment für a thriving third sector, enabling people to change society".

Ein spezielles Programm unterstützt die Innovationsfähigkeit von NPOs , denen eine Vorreiterrolle zugeschrieben wird, wenn es um die Verbesserung öffentlicher Dienstleistungen geht. Als wichtiger Faktor für die Zukunft wird das Empowerrment der Bürger gesehen und deren enge Kooperation mit den professionellen Helfern in den NPOs.
Fördern will man insbesondere die Social Entrepreneurs : die Zahl der Gründungen im Sozial- und Gesundheitssektor soll erheblich ausgedehnt werden.

Im deutschen Kanzleramt gibt es im Unterschied zum Cabinet Office oder zum Weißen Haus keine Stelle, die sich die Stärkung des Dritten Sektors auf die Fahnen geschrieben hat. Es gibt hier lediglich ein Referat, das die Verbindungen zu den Wohlfahrtsverbänden pflegt. Aber keine Organisationseinheit mit dem programmatischen Anspruch, den gemeinnützigen Bereich bzw. die Akteure der Zivilgesellschaft stärker in den Mittelpunkt zu rücken und innovative Strukturen im Dritten Sektor gezielt zu fördern.

In Deutschland setzt der Staat nach wie vor auf die Förderung einzelner Modellprojekte im Nonprofit-Sektor und überlässt das Innovationsmanagement ansonsten den gemeinnützigen Trägern selbst. Deren Spielraum für Innovationen ist im Rahmen der Regelfinanzierung nicht sehr groß, die meisten innovativen Projekte werden tatsächlich im Rahmen von Modellprojekten gefördert oder aus Eigenmitteln der Träger finanziert (Schwarzer 2009).

Aus welchen Hilfsbereichen kommen innovative Projekte und welche Rolle spielen dabei die ehrenamtlichen MItarbeiter? In einem Aufsatz in der Fachzeitschrift SOZIALwirtschaft (1/2009) wertet Uwe Schwarzer die Daten aus, die im Rahmen des Sozialpreises innovatio , der von Caritas und Diakonie vergeben wird, zur Verfügung stehen. Die meisten der hier eingereichten Projekte kommen aus dem Bereich der Jugendhilfe. Die Zahl der Ehrenamtlichen ist bei fast 50% der Projekten größer als die Zahl der hauptamtlichen Mitarbeiter. Schwarzers Fazit: Für den Erfolg eines Projektes scheint "das Engagament von Freiwilligen und Ehrenamtlichen von entscheidender Bedeutung zu sein, auch wenn man bisher Innovaton eher als Ergebnis professioneller hauptamtlicher Arbeit betrachtet hat" (S. 20).

Mein Fazit:

in Deutschland gibt es staatliche Akteure, die innovative Nonprofit-Projekte fördern und das bürgerschaftlichen Engagement ausbauen wollen. Aber diese Themen sind nicht – wie in den USA und Großbritannien – auf der höchsten Regierungsebene angesiedelt. Es fehlt hier noch – trotz aller Rhetorik – der politische Wille, den Akteuren der Zivilgesellschaft einen höheren Stellenwert einzuräumen. Markt und Staat dominieren, – die Zivilgesellschaft kommt erst an dritter Stelle. In dieser Hinsicht sind die anderen beiden Staaten schon weiter: sie haben die Potentiale des Nonprofit-Sektors für die gesellschaftliche und staatliche Weiterentwicklung erkannt und dementsprechend hoch und prominent das Thema ‘Stärkung des Drittten Sektors’ angesiedelt.