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NPO-Blogparade: sind jugendliche Zielgruppen wichtig und wie spricht man sie an?

Gerald Czech vom Redcross Sociologist-Blog fragt in der 10. Runde der NPO-Blogparade , ob es für große gemeinnützige Massenorganisationen, die inhaltlich nicht sehr fokussiert sind – Czech spricht von “diffusen Massenorganisationen” – Sinn macht, ganz gezielt junges Publikum anzusprechen, um dieses für die Werte der Organisation zu sozialisieren. Hier meine Antwort:

1. Ich bin der Ansicht, dass es für eine Nonprofit-Organisation lebensnotwendig ist, über Mitglieder und Unterstützer zu verfügen, die eine große Bandbreite an Altersgruppen umfassen, – sofern die NPO am eigenen Fortbestand interessiert ist und sie nicht irgendwann gemeinsam mit einer überalterten Anhängerschaft aussterben möchte.

In dieser Hinsicht für ein ausgeglichenes Altersgruppen-Portfolio zu sorgen, gehört zu den strategisch zentralen Aufgaben einer gemeinnützigen Einrichtung. Denn sie lebt von den Ressourcen ihrer Stakeholder, die finanzielle Mittel, Freiwilligenarbeit, politische Unterstützung, Ideen, neue Mitarbeiter usw. in eine NPO einbringen. Ohne starke Stakeholder ist eine Organisation nichts und ohne Stakeholder, die aus unterschiedlichen Altersgruppen kommen, engt eine NPO ihren Handlungsspielraum extrem ein, weil ihre Möglichkeiten in diesem Fall immer an eine bestimmte Alterskohorte gekettet sind, mit der sie leben und im Zweifel auch untergehen.

2. Jugendliche gezielt anzusprechen ist deshalb sehr wichtig. Die These, die im Fundraising dominiert, – dass Spenden eine Domäne der Älteren sei, was man an den Spendenergebnissen ablesen könne – halte ich für falsch. Die empirischen Ergebnisse belegen nur, dass man mit den bisherigen Fundraisinginstrumenten hauptsächlich die ältere Generation erreicht hat. Die empirischen Ergebnisse spiegeln damit die Qualität des Fundraising wider, sie können keine abschließende Aussage treffen über die Spendenbereitschaft der jüngeren Generation.

Tatsache ist, dass junge Menschen am Gemeinwesen interessiert sind sind und sich gerne und häufig engagieren. Ein Drittel der Jugendlichen zwischen 12 und 25 Jahren engagiert sich oft, weitere 42% engagieren sich gelegentlich für soziale und gesellschaftliche Zwecke, in erster Linie für jugendbezogene Fragestellungen, aber auch für sozial schwache und benachteiligte Menschen (15. Shell-Jugendstudie 2006 , S. 6). Diese Bereitschaft, sich einzubringen, sollten Nonprofits sich nutzbar machen.

3. Jede Generation muss so angesprochen werden, dass man ihre Art, die Welt zu sehen und die vorhandenen Medien zu nutzen, richtig trifft (einen guten Artikel über das ‘Generational Fundraising’ findet man hier ). Dazu braucht es eine gute Datengrundlage. Nonprofit-Organisationen sollten sich zusammentun, um entsprechende empirische Untersuchungen über die Unterschiede zwischen den Generationen finanzieren zu können. Die Ergebnisse könnten Nonprofits helfen, sich zu responsiveren Organisationen weiterzuentwickeln, die die Wünsche und Vorstellungen ihrer Stakeholder stärker abfragen.

Was die Jugend angeht, so zählen die Jahrgänge seit Ende der 80er Jahre zu den Digital Natives, die das Internet nicht nur nutzen, sondern in und mit ihm leben. Eine besondere Bedeutung für junge Menschen haben Online-Communities und die partizipativen Möglichkeiten des Netzes. Ludger Brenner arbeitet in seinem Blogparadenbeitrag diesen Mitgestaltungswunsch der Digital Natives gut heraus. Entsprechend muss die Antwort von Nonprofits aussehen, wenn sie nach Kommunikationsstrategien suchen bzw. nach Strategien für den Beziehungsaufbau im Hinblick auf die jüngere Generation.

5. Große Nonprofit-Organisationen wie bspw. das Rote Kreuz oder die Arbeiterwohlfahrt verfügen über eigene Jugendverbände wie das Jugendrotkreuz oder das Bundesjugendwerk der AW O. Tausende Jugendliche treffen sich in 5.5000 Jugendrotkreuzgruppen, auch in Österreich gibt es hunderte von Jugendgruppen innerhalb des Roten Kreuzes. Jugendliche sind also in großen Verbänden schon präsent. Wer ihre Zahl erhöhen und ihre Bindung an die NPO verstärken möchte, muss den Community-Drang der Jugendlichen aufgreifen und ihnen die Möglichkeit zum Austausch untereinander geben. Es wäre sinnvoll, wenn die Gruppen des Jugendverbandes sich im Rahmen einer Jugendverbands-Community oder im Rahmen einer Community des Gesamtverbandes im Internet organisieren könnten. Tatsächlich gibt es eine Online-Community des Jugendrotkreuzes , aber mit Themen-Foren und nicht mit der Möglichkeit, eigene Gruppen innerhalb der Community einzurichten.

6. Die Jugendlichen, die in großen Verbänden schon aktiv sind, können dabei helfen, Strategien zur Gewinnung neuer jugendlicher Unterstützer auszuarbeiten. Denn sie kennen das Lebensgefühl und den Mediengebrauch der jungen Generation am besten. Nonprofits haben in dieser Hinsicht die Experten für die Jugend schon im eigenen Haus.

7. Bei allen Bemühungen um Kommunikationsstrategien für Jugendliche darf nicht vergessen werden, dass eine Nonprofit-Organisation niemals nur nach Spendern suchen sollte, sondern immer nach Partnern, – mit allen Konsequenzen, die dieser Stakeholder-Status mit sich bringt (vgl. “Spender, Stakeholder und die Zukunft des Fundraising “)

Sind Nonprofit-Organisationen Brückenbauer in die digitale Welt?

Das Internet eröffnet Menschen neue Handlungschancen. Sie können über das Netz neue Freunde kennenlernen, sich weiterbilden, politisch aktiv werden, an Entscheidungen partizipieren, sich als Online-Volunteer in eine gemeinnützige Organisation einbringen, Geld spenden und Geld sammeln, ihr Wissen weitergeben, künstlerisch aktiv werden – die Möglichkeiten sind endlos. Das Internet bietet für den Einzelnen die Chance, unabhängiger zu werden von seiner Fähigkeit zur Mobilität, seinem sozialen Umfeld, seinem Ort, seinen finanziellen Möglichkeiten.

Das Internet kann zum Empowerment-Instrument werden, das Menschen eine öffentliche Stimme verleiht, die bisher noch keine hatten, – ein gutes Beispiel sind die Autoren des Caritas-Blogs Mitten am Rand . Aber das Internet eröffnet nicht nur Individuen neue Chancen, sondern auch Organisationen und Gemeinschaften. Es hält Mittel bereit, um die Partizipation der Zivilgesellschaft voranzutreiben.

Aber die Chancen des Internets eröffnen sich nur denjenigen, die über die Kompetenzen verfügen, sich im Internet zu bewegen und diesen öffentlichen Raum effektiv zu nutzen. Mein Bloggerkollege Herber Schmidt, der in der Selbstorganisation von Senioren aktiv ist und Blogpate des Projekts Internet Erfahren , befasst sich in der 9. Runde der Nonprofit-Blogparade mit dem Thema eLearning für Senioren und stellt unterschiedliche Projekte und Netzwerke vor. Sie zielen mit ihren Angeboten zum Lernen und zum sozialen Austausch auf die digitale Inklusion von Senioren. In der Altersgruppe der über 50-Jährigen zählen 55% der Menschen – darunter mehrheitlich Frauen – zu den Offlinern (s. (N)Onliner-Atlas 2009, S. 10) .

Nonprofit-Organisationen spielen eine wichtige Rolle, wenn es darum geht, Bürgern und Gruppen auf ihrem Weg in die digitale Welt zu helfen. Die Forschung zeigt, dass die Partizipation von Menschen – egal in welchem Kontext – davon profitiert, wenn sie von Dritte-Sektor-Organisationen gefördert und begleitet wird (Pratchett u.a. 2009) . Wer versucht, sich alleine mehr Beteiligungsmöglichkeiten zu verschaffen, hat es schwerer als jemand, der diesen Lernprozess gemeinsam mit einer Gruppe geht.

Nonprofits können Initiativen und Projekte schaffen, in denen ihre Zielgruppen in das Internet eingeführt werden, sie können Informationen und Kontakte zum Thema bereithalten und selbst in Kursen das Wissen vermitteln, das man für die digitale Welt benötigt.

Eine Recherche in der Datenbank der Stftung digitale Chancen zeigt, dass viele Nonprofit-Organisationen öffentliche Internetzugänge und – soweit aufgelistet – auch Kurse für Interneteinsteiger anbieten. Sie sind auch involviert in das Programm Internet Erfahren des Bundeswirtschaftsministeriums, das Mitarbeiter der sozialen Dienste als wichtige Multiplikatoren erachtet, weil sie häufig einen direkten Zugang zu jenen Menschen haben, die noch zu den Offlinern zählen.

Die Forschung zeigt aber auch, dass das Empowerment von Menschen, ihre Befähigung zur Partizipation, nicht nur von ihren Kompetenzen abhängt und von der Existenz einer Gruppe, in der sie einen Rückhalt finden. Partizipation funktioniert dann am Besten, wenn man

  • Bürger um ihren Input bittet, also sie aktiv anspricht ("asked to")
  • und ihnen vermittelt, dass ihr Beitrag zählt ("responded to") (Pratchett u.a. 2009)

Dies bedeutet bezogen auf die digitale Inklusion, dass es hier nicht nur darum gehen darf, die Individuen für die internetbasierte Wissensgesellschaft fit zu machen, sondern darum, ihre Partizipationsmöglichkeiten als Bürger dieser Gesellschaft zu stärken. Und Institutionen – egal aus welchem Sektor – das digitale Engagement der Bürger würdigen und darauf eingehen sollten.

Die Frage ist, inwieweit die etablierten Nonprofit-Organisationen – und hier insbesondere die freie Wohlfahrtspflege – diese demokratiepolitischen Chancen der digitalen Inklusion sehen und fördern? Sind sie heute schon die Brückenbauer, die ihren Stakeholdern Wege in das Internet bahnen, damit letztere ihre Partizipationschancen – auch gegenüber dem freien Träger selbst- wahrnehmen können? Haben die traditionellen gemeinnützigen Organisationen, die das institutionelle Rückgrat der Zivilgesellschaft bilden, die Chancen von Social Media für die Bürgergesellschaft schon erkannt und nutzen sie diese Chancen für sich selbst und für ihre Stakeholder?

Die meisten gemeinnützigen Organisationen können die Rolle eines Brückenbauers in die digitale Welt, der nicht nur Kompetenzen vermittelt, sondern Menschen und Gruppen auch zur digitalen Partizipation ermuntert, noch nicht einnehmen. Die meisten Nonprofits stehen dem Internet noch kritisch gegenüber und können sich mit dem Netz nicht recht anfreunden. Dies führt zu der – aus strategischer Sicht bedauernswerten – Situation, dass mit dem Internet ein neuer öffentlicher Raum existiert, in dem Handlungschancen, Ressourcen und Macht verteilt werden, und viele Dritte-Sektor-Organisationen abseits stehen und es versäumen, sich selbst und ihrer Klientel einen angemessenen Platz in diesem öffentlichen Raum zu schaffen. So bleiben viele Handlungs- und Gestaltungsmöglichkeiten ungenutzt liegen, die die Zivilgesellschaft stärken könnten.

Dass das Internet noch keinen prominenten Platz im Bewusstsein der Verfechter des Bürgerengagements einnimmt, zeigt auch der Zwischenbericht des Nationalen Forums für Engagement und Partizipation , das vor einigen Wochen tagte. In den Ergebnissen der zehn Dialogforen ist das Internet zwar durchaus an manchen Stellen präsent, aber in erster Linie als Informations- und Vermittlungs- und Austauschplattform (vgl. S. 13-26). Es wird nicht deutlich, dass das Internet dem bürgerschaftlichen Engagement auch grosse demokratiepolitische Chancen eröffnet und es den Umgang zwischen NPOs und ihren Stakeholdern verändert. Es wäre gut gewesen, es hätte sich ein Dialogforum speziell mit dem Internet und seinen Folgen für das bürgerschaftliche Engagement befasst. Angesichts der Ausdehnung und der wachsenden Bedeutung der digitalen Welt wäre es wichtig, dass sich Nonprofit-Organisation stärker dem Internet zuwenden und hier innovative Lösungen für sich und ihre Stakeholder entwickeln.

Förderung des bürgerschaftlichen Engagements – weshalb bestehende Ansätze an Grenzen stoßen

Die Förderung des bürgerschaftlichen Engagements ist ein populäres Thema, dem sich Politik, Verwaltung und Nonprofit-Sektor gerne widmen. In diesem Punkt sind sich alle einig, auch jene, die ansonsten unterschiedliche Meinungen vertreten: dass sich die Bürger in unserem Land stärker freiwillig engagieren sollten. Zwar sind schon 23 Mio. Menschen ehrenamtlich aktiv, aber das Potential gilt als noch nicht ausgeschöpft. So jagt eine Initiative die andere, um Bürger zum Mitmachen zu motivieren.

Von staatlicher Seite wurde im Dezember die Initiative ZivilEngagement samt Internetportal lanciert. Der Bundesverband Deutscher Stiftungen folgte mit der Kampagne Geben gibt. Im Mai fand die ARD-Themenwoche ‘Ist doch Ehrensache statt’. Und das Portal ‘Engagiert in Deutschland’ startete im Frühjahr und will zum “Drehkreuz der Engagementförderung” werden.

Alle diese Initiativen sind sehr löblich, aber sie blenden eines aus: die Rolle der Organisationen, in denen das freiwillige Engagement geleistet wird, und deren (Mit)Verantwortung für den Erfolg und die Attraktivität von ehrenamtlichem Engagement. Bestimmt gibt es Fachzirkel, in denen hinterfragt wird, ob die Strukturen von öffentlichen und gemeinnützigen Organisationen der Förderung des bürgerschaftlichen Engagements dienlich sind. Aber in der (digitalen) Öffentlichkeit sind diese Diskussionen nicht präsent. Hier schiebt man die Verantwortung für die Stärke (oder Schwäche) des freiwilligen Engagements ganz den Bürgern zu. Und alle Initiativen dienen dem Ziel, den Bürger aus seiner vermeintlichen Passivität zu locken.

Was aber, wenn die Bürger eigentlich gar nicht passiv sind, sondern sie sich nur nicht in festgefügte Organisationsstrukturen einordnen wollen, in denen eine inhaltliche Mitgestaltung sehr schnell an die Grenzen stoßen, die Professionen und Hierarchien setzen? Im Web 2.0 ist zu sehen, wie engagiert Menschen sein können, wenn sie das Gefühl haben, dass ihre Ideen auf Akzeptanz stoßen und sie als Partner auf Augenhöhe wahrgenommen werden. Unzählige arbeiten hier unentgeltlich an der Entwicklung neuer Software, schreiben Wikipedia-Artikel, betätigen sich als Fundraiser für eine gute Sache und starten Projekte für eine bessere Welt.

Die Aktivität oder Passivität von Bürgern kann nicht ausschließlich als ein persönliches Merkmal angesehen werden, das durch eine gezielte Öffentlichkeitsarbeit beeinflussbar ist, so wie es die oben erwähnten Initiativen sich erhoffen. Die Aktivität oder Passivität ist auch das Ergebnis des Umgangs zwischen Organisationen und Bürgern. Organisationsstrukturen und -programme formen die Bürger mit oder – wie es in der Policy Feedback Theorie heißt – “policies help make citizens” (Campbell 2003).

Strukturen und Programme können die Partizipation der Bürger fördern – oder auch nicht. Sie können Bürgern neue Kompetenzen vermitteln und sie stark machen, sie können Vernetzung und Integration fördern – oder das Gegenteil bewirken. Vermeintlich neutrale Organisationsstrukturen und -programme sind also nicht neutral, sondern sie drücken genau das aus, was denjenigen, die sie geschaffen haben, wichtig ist und was ihnen – unabhängig von ihren Statements – weniger wichtig ist.

Wenn Nonprofit-Organisationen und öffentliche Träger das bürgerschaftliche Engagement fördern möchten, dann müssen sie folglich genau überprüfen, wie engagementfreundlich die eigene Organisation eigentlich ist. Und damit nicht genug: es müsste zum Standard werden, dass bei der Formulierung von Programmen, ihrer Umsetzung und Evaluation die zivilgesellschaftlichen Folgen immer mitbedacht werden.

Während sich die Programmevaluation von Nonprofits heutzutage auf Fragen der Effizienz und Effektivität konzentriert, müssten zivilgesellschaftliche Aspekte, die “citizenship outcomes” (Wichowsky/Moynihan 2008), stärker berücksichtigt werden. Dies würde die Anbindung von Nonprofit-Organisationen an die Gesellschaft verbessern und ihre Legitimation erhöhen.

Nur durch eine solche Selbstüberprüfung, die ständig hinterfragt, welche Folgen das Handeln der eigenen Organisation für die Zivilgesellschaft hat, – und hier ist die Frage nach den Folgen für das bürgerschaftliche Engagement mit eingeschlossen, werden Nonprofit-Organisationen zu attraktiven Partnern der Bürger. Wo diese Selbstreflexion eines Trägers der Bürgergesellschaft gegenüber nicht gegeben ist, verzichtet manch einer lieber auf das ehrenamtliche Engagement und wendet sich organisationsunabhängigen Projekten zu, die im Internet leicht zu verwirklichen sind.

Mein Bloggerkollege Hannes Jähnert fragt in der 8. Runde der NPO-Blogparade, wie mehr Menschen zur Partizipation über das Internet bewegt werden können. Ich habe versucht darzulegen, dass Partizipation, gleichgültig ob online oder offline, partizipations- und dialogfreundliche Strukturen und Programme bei den Organisationen voraussetzt, die sich mehr Bürgerbeteiligung wünschen. Die Responsivität von Organisationen ist keine nachrangige Frage, sondern eine, an der sich zeigt, “what citizenship means in practice” (Soss, zit. nach Wichowsky/Moynihan 2009).