Kategorie-Archiv: Nonprofit-Organisation

Online-Fundraising – neue Plattformen, neue Entwicklungen

Einige hochspannende Neuigkeiten im Online-Fundraising zeigen, wie sich die Dinge hier langfristig entwickeln werden und auf was sich Nonprofits einstellen müssen:

Da gibt es zum einen die in Planung befindliche britische Online Fundraising-Plattform See the Difference, deren Entwicklung von großen Firmen wie Microsoft und Accenture unterstützt wird und die Ende des Jahres den Betrieb aufnehmen soll. Das Besondere an der Plattform:

im Vordergrund stehen die Hilfsprojekte, nicht mehr die Träger selbst. Dieser Trend zum cause-related Fundraising ist auch bei anderen Plattformen wie globalgiving.com und betterplace.org sichtbar. Im Unterschied zu diesen wird auf See the Difference für Projekte aber nicht mehr nur mit Worten oder Fotos geworben, sondern mit Videos. Durch Videos sollen die Spender einen Einblick in das jeweilige Projekt erhalten. Nonprofits werden von den Plattform-Machern darin geschult, Videos zu konzipieren und drehen zu können. Nonprofits erhoffen sich, dass über diese Plattform speziell junge, internet-affine Zielgruppen erreicht werden können. Die Plattform-Betreiber ihrerseits wollen aus See the Difference die Fundraising-Plattform schlechthin machen, eine Art YouTube für den Nonprofit-Sektor, mit einem Logo, das überall sichtbar ist und die einzelnen Nonprofit-Marken überdeckt.

Die Plattform will Spender über die Entwicklung des jeweiligen Hilfsprojektes informieren und neue Projekte vorschlagen, an denen der Nutzer aufgrund seines Interessenprofils interessiert sein könnte. Wird dies so umgesetzt, dann liegt bei See the Difference die Betreuung der Spenderbeziehungen nicht mehr in der Hand der einzelnen Nonprofit-Organisation, sondern geht in den Besitz der Plattformbetreiber über. Oder wie Bryan Miller von Giving in a digital world es formuliert: “Put simply, if See the Difference grows the way that it hopes to then it could ultimately replace individual charity brands as the owners of relationships with online donors who fund their projects.”

Dies wäre einerseits ein unglaublicher Ressourcen- und Steuerungsverlust für Nonprofits – wenn ein Teil des eigenen sozialen Kapitals plötzlich durch Dritte verwaltet würde. Und dies hätte auch ganz praktische Folgen für die Organisation gemeinnütziger Einrichtungen, die zukünftig auf eine eigene Spenderdatenbank und eigene Fundraisingaktivitäten verzichten könnten. Andererseits erschließt eine solche Fundraising-Plattform mit globalem Anspruch viele neue Unterstützer und bringt so das Kapital und die Unterstützung, die gemeinnützige Organisationen dringend brauchen.

Auch doGoodr, ein amerikanisches Start-up des doGoodr fund, beginnt mit dem Anspruch, das Online-Fundraising zu revolutionieren. doGoodr ist als Webseite abrufbar oder als open source-Applikation, die in jede beliebige Nonprofit-Webseite eingebaut werden kann, so dass die “Need – Offer – Match”-Funktionalität von doGoodr über die eigene Organisations-Webseite genutzt werden kann. Die Gründer erhoffen sich angesichts des open source-Charakters von doGoodr eine schnelle Verbreitung im Internet und in der Nonprofit-Welt . Auch doGoodr wird die Anbieter von Unterstützung und die Hilfesuchenden per Mail regelmäßig über neue interessante Angebote, die zum Profil des doGoodr-Nutzers passen, informieren.

Dass man sich als Akteur auf dem Sozialmarkt nicht von einer einzigen Plattform abhängig machen muss, die die Beziehungen zu den Spendern steuert, zeigt die Initiative der Social Actions API auf. Über diese open-source-Schnittstelle verbinden sich die Datenbanken von mehr als 60 Fundraising- und Engagementplattformen (u.a. globalgiving, fistgiving, change.org) zu einer großen, open source-Datenbank, in der Spendenwillige und Engagierte nach neue Unterstützungsmöglichkeiten suchen können. Bei diesem Modell bleibt die Marke des Datenlieferanten – in diesem Fall die einzelne Fundraising-Plattform – mit im Spiel und wird nicht von der neugeschaffenen Datenbank verdrängt.

Angesichts der Social Actions API drängt sich die Frage auf, weshalb in unserem Land die Verbände der freien Wohlfahrtspflege, in deren Hand fast 99 Tausend soziale Einrichtungen und Dienste sind, nicht schon längst die eigenen Einrichtungs- und Projektdatenbanken über eine solche Schnittstelle zu einer großen Datenbank zusammengeführt haben, in der Unterstützungswillige nach Engagementmöglichkeiten suchen können. In diesem Fall bliebe die Betreuung der Spenderbeziehungen in der Hand der freien Wohlfahrtspflege selbst, – ergänzend zu den anderen Plattformen, an denen freie Träger beteiligt sind, und die von Dritten verwaltet werden. Zwar hat derzeit nicht jede Online Fundraising-Plattform den Anspruch, die Spenderbetreuung selbst in die Hand zu nehmen. Aber die Entwicklung könnte durchaus verstärkt in diese Richtung gehen.

Um handlungsfähig zu bleiben, sollte der wohlfahrtsverbandliche Sektor immer auch selbstorganisierte Lösungen ins Auge fassen und den Unterstützern anbieten. Das Problem ist derzeit nur, dass man der verbandlichen Wohlfahrtspflege die Bereitschaft, untereinander stärker zu kooperieren, nicht abspürt. Als Bürgerin und Bürger kann man keine Strategie erkennen, mit der die verbandliche Wohlfahrtspflege – als Sektor – in das neue Jahrtausend gehen will. Es gibt immer nur die einzelnen Strategien der einzelnen Verbände oder die Stellungnahmen der Bundesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege, die auf staatliche Politiken und Vorschläge reagiert. Der Sektor wird aber nur durch eine engere Zusammenarbeit gewinnen und – vor allen Dingen – innovativ bleiben können. Heutzutage geht es darum, die Ressourcen zu bündeln, unterschiedliche Perspektiven zu integrieren und ins Gespräch mit der Bürgerschaft zu kommen. Nur so können gute Ideen und Lösungen entwickelt werden, die neue Wege beschreiten, um unsere Gesellschaft fairer zu machen und soziale Dienste klientenorientierter gestalten zu können.

Die Bundesarbeitsgemeinschaft der freien Wohlfahrtspflege müsste stärker die strategische Steuerung des wohlfahrtsverbandlichen Sektors übernehmen, um gemeinsame Antworten auf die Herausforderungen der Gegenwart zu entwickeln, – wie die Finanzkrise, das Internet, sie soziale Spaltung unserer Gesellschaft, die ungleichen Partizipationschancen usw. Auch die Kooperation des Sektors bezüglich des Fundraisings gehören auf eine solche Agenda.

Kartierung durch Bürger und Nonprofits im Internet – Gastbeitrag von Christian Kreutz

Während die Erstellung von Karten früher eine Domäne von Fachleuten war und das thematische Spektrum von Karten begrenzt, können heute mit Hilfe neuer Technologien auch zivilgesellschaftliche Akteure Karten entwickeln und online stellen und so Probleme oder Ressourcen räumlich veranschaulichen. Oftmals stammen die hierzu verwendeten Daten nicht nur von einer Organisation, sondern sie werden von vielen Bürgern gesammelt und eingetragen ("collaborative mapping"), die ihr Wissen in die Karte einbringen und so mit anderen teilen wollen. Welche Chancen die Kartenerstellung im Internet zivilgesellschaftlichen Akteuren bietet, eruiert der folgende Gastbeitrag von Christian Kreutz, meinem geschätzten Bloggerkollegen vom crisscrossed.net , der als Berater auf den Einsatz von IuK-Technologien in der Entwicklungshilfe (ICT4D) spezialisiert ist. Er schreibt auch für den draussen-Blog sowie für das Web2forDev Gateway . (BR)

Das Internet hat die Welt der Kartographie revolutioniert. Während heute mit ein paar Klicks jeder Ort auf der Welt sogar per Satellitenbild besucht werden kann, gab es früher oft nur die Papiervariante, die für jedes Gebiet extra erworben werden musste.

Doch die digitalen Karten erlauben eine andere Nutzung geographischer Informationen. Jede Karte kann mit unbegrenzten Daten angereichert werden, die zum Beispiel Umwelteinflüsse in unterschiedlichen Teilen einer Stadt darstellen. Anders als in der Vergangenheit sind solche Karten und aufwendige Simulationen nun für jeden kundigen Internetnutzer möglich. Gerade für den gemeinnützigen Bereich ergeben sich hier faszinierende Möglichkeiten ("Mapping a better world" ).

Während in früheren Zeiten die Erstellung und Bearbeitung von Karten Sache von Experten war, können heute findige Laien Karten selbst erstellen und mit eigenen Informationen kombinieren. Die Karten mit den Fähnchen auf vielen Internetseiten sind das beste Beispiel.

Den Weg für solche frei verfügbaren Karten hat Google mit der maps.google.de Anwendung geebnet. Doch aus gemeinnütziger Sicht weitaus spannender ist die offene Karte von OpenStreetMap , die jeder Person alle Kartenmaterialien inklusive der dahinterstehenden Geodaten frei zur Verfügung stellt. Die Karte wird ähnlich wie bei Wikipedia von ehrenamtlichen ‘Mappern’ erstellt und steht im Unterschied zu Google unter der Creative Commons License frei zur Verfügung. In ein paar Minuten ist damit zum Beispiel eine Anfahrtsskizze erstellt, die sonst für teures Geld erworben werden muss.

Doch die Möglichkeiten der Nutzung gehen noch viel weiter, wie einige Beispiele rund um die Welt illustrieren. Da ist die Initiative "I love mountains" in den USA, die versucht, die Sprengung von Bergkuppen zum Abbau von Kohle zu verhindern. Die Organisation dahinter, Appalachian Voices, nutzt Google Earth um per Satellitenbild auf die massive Umweltzerstörung aufmerksam zu machen.

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In der Amazonasregion nutzt ein Indianerstamm Google Earth um den aktuellen Stand der Abholzung des Regenwaldes nach zu verfolgen.

In Afrika wurde eine solche Anwendung von engagierten Aktivisten sogar mit dem Mobiltelefon verknüpft. Während der politischen Krise nach den Wahlen in Kenia im Dezember 2007 kam es zu Auseinandersetzungen im ganzen Land und die Lage war unübersichtlich. Aktivisten entwickelten eine Anwendung, bei der per SMS Nachrichten an eine Internetseite geschickt werden können. Landesweit berichteten Freiwillige per SMS über Menschenrechtsverstöße, die transparent auf einer Karte dargestellt wurden. Das Projekt Ushahidi hat viele Nachahmer gefunden.

Auf der OpenStreetMap Konferenz im Juli berichteten die Teilnehmer von weiteren Beispielen. So entwickelte Arun Ganesh aus Indien mit Hilfe von OpenStreetMap -Daten eine Busplan-Informationsseite und druckte hochwertige Karten in Papierform aus, die lizenzfrei genutzt werden können.

Das Projekt OpenStreetMap begann vor einigen Jahren in England, hat aber mittlerweile Helfer weltweit. Deutschland hat die meisten Freiwilligen und die detaillierteste Karte, die sogar Briefkästen, Apotheken, Restaurants und Sicherheitskameras mit einschließt. Hier werden ebenfalls bereits Wander- und Fahrradkarten angeboten.

Auch die britische Seite FixMyStreet ist ein Beispiel dafür, wie Bürger sich in die Kartierung einbringen können.

Ebenso das Projekt Open Green Map , das Internetnutzer dazu einlädt, die ökologisch-kulturellen Eigenschaften ihrer Umgebung zu kartieren, nach dem Motto "Think Global, Map Local". Für Berlin-Neukölln existiert schon eine Green Map .

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Diese Bündelung von freiwilligem Bürgerengagement über das Internet wird von gemeinnützigen Organisationen in Deutschland kaum genutzt und noch völlig unterschätzt. Der Film ‘US now’ aus England beschreibt die Potentiale eindrucksvoll.

Dabei gäbe es vielfältige Möglichkeiten, wie auch die Einführung ‘Maps for Advocacy’ des Tactical Technology Collective anschaulich beschreibt. Folgende Ansätze wären für gemeinnützige Organisationen und Bürger denkbar:

  • Karten können vielfältig genutzt werden, um Probleme anschaulicher und konkreter darzustellen
  • In der Kombination mit unterschiedlichen Daten können komplexe Sachverhalte mit Hilfe von Karten entschlüsselt werden.
  • Karten können zu neuen Anwendungen eines gemeinsamen Bürgersachverstandes genutzt werden
  • Im lokalen Kontext können Karten helfen, Bürger zu vernetzen.

Eine wichtige Einschränkung muss jedoch auch genannt werden. Karten können durchaus die Transparenz erhöhen und bieten neue Formen der Darstellung, aber jede Karte lässt sich ähnlich wie Statistiken einseitig und verzerrt nutzen. Offene Karten und Geodaten sind nur ein Instrument unter vielen, die aber hoffentlich bald in der gemeinnützigen Landschaft Deutschlands mehr Anwendung finden werden.

Kommunalverwaltung 2.0, Bürgerbeteiligung und die Rolle von Nonprofit-Organisationen

E-Government wird von vielen lediglich als eine Elektronifizierung von Verwaltungsvorgängen verstanden. Dass das Internet auch dazu genutzt werden kann, um Bürger stärker an öffentlichen Entscheidungen zu beteiligen, wurde auf dem Government 2.0 Camp in Berlin thematisiert, wo sich Verwaltungsvertreter mit Teilen der Internetszene und der interessierten Öffentlichkeit trafen.

E-Partizipationsprojekte wie der Bürgerhaushalt Köln , der von Oliver Märker in einer Session vorgestellt wurde, oder der Online-Dialog zur Neugestaltung des Hamburger Domplatzes , vorgestellt von Rolf Luehrs und Bengt Feil , zeigen, welche Chancen das Internet bietet, um Ideen und Meinungen der Bürger abzufragen.

Die Grenzen von online – und offline – Verfahren zur Bürgerbeteiligung liegen aber darin, dass sie in der Regel nur bestimmte Gruppen erreichen. Eine Untersuchung des Bürgerbeteiligungsverfahren zum Bürgerhaushalt Berlin-Lichtenberg ergab, dass durch einen Methoden- und Medienmix zwar Jung und Alt, Frauen und Männer , Onliner und Offliner erreicht wurden, aber überwiegend Menschen aus höheren Bildungsschichten. Wer hierzu nicht gehört, bleibt außen vor. Man kann sich mit diesem Ergebnis abfinden, – oder man überlegt, wie die Integration und Beteiligung von Bürgern über die üblichen Kreise hinaus ausgeweitet werden kann.

Ich habe hierzu ein paar Thesen entwickelt und sie auf dem Government Camp zur Diskussion gestellt:

  1. Partizipationsangebote von staatlicher Seite bedürfen einer starken Zivilgesellschaft, wenn sie von vielen genutzt werden sollen.
  2. Es reicht nicht aus, mit den Beteiligungsangeboten einfach online zu gehen. Web 2.0 allein schafft noch keine breite Partizipationsbewegung. Partizipationsprojekte funktionieren dort am besten, wo es einen ausdifferenzierten und gut vernetzten Nonprofit-Sektor mit vielen Mitmachmöglichkeiten gibt, verglichen mit jenen Orten, wo die zivilgesellschaftliche Infrastruktur nur gering entwickelt ist (Pratchett/Durose/Lowndes 2009 ).
  3. E-Government-Strategien, die auf eine stärkere Einbindung von Bürgern zielen, müssen deshalb von Maßnahmen zur Förderung der Zivilgesellschaft flankiert werden. Bürger – und gerade die benachteiligten Gruppen – müssen die Möglichkeit haben, in ihrem Umfeld Partizipation einzuüben, um entsprechende Angebote von Verwaltungsseite auch nutzen zu können.
  4. Der Blick auf die Zivilgesellschaft macht überdies deutlich, dass Partizipation nicht auf das Verhältnis Bürger – Verwaltung beschränkt ist, sondern in vielen Partizipationsarenen auf lokaler Ebene stattfindet, – u.a. zwischen Bürgern, zwischen Bürgern und NPOs. Wer Partizipation fördern möchte, sollte sich nicht nur auf das Verhältnis Verwaltung – Bürger beschränken, sondern die Partizipationspotentiale in der Zivilgesellschaft stärken und ausweiten.
  5. NPOs spielen eine wichtige Rolle, weil sie auf örtlicher Ebene die Infrastruktur für Mitmachmöglichkeiten bieten. Derzeit schöpfen viele NPOs aber die die partizipative Dimension der Freiwilligenarbeit noch nicht aktiv genug aus (vgl. hier ). Dennoch könnte die Rolle als enabler von Partizipation NPOs ein neues Selbstbild jenseits des Dienstleistungs-Topos verschaffen.

(Für mehr Infos: meine Präsentation auf slideshare )

Derzeit sieht die nationale E-Government-Strategie eine Stärkung der Zivilgesellschaft als flankierende Maßnahme nicht vor, wie in einer Session des Bundesinnenministeriums zu erfahren war (s. hier ). Für das Thema Zivilgesellschaft ist ein anderes Ressort zuständig. So bleibt die E-Government-Strategie einer selektiven Perspektive verhaftet und wird der komplexen Realität nicht gerecht.

Update: Zum Zusammenhang zwischen sozioökonomischem Status und Partizipation s. Posterous.