Kategorie-Archiv: Ziele

Bürgerengagement fördern und erhalten, – für einen nachhaltigen Umgang mit Freiwilligen

In der aktuellen Runde der NPO-Blogparade fragt Hannes Jähnert, wie man “echte Partizipation” im Dritten Sektor fördern kann. Die Blogparaden-Runde findet vor dem Hintergrund der im Herbst veröffentlichten Nationalen Engagementstrategie der Bundesregierung statt und dem derzeit laufenden Online-Dialog zu dieser Strategie, an dem BürgerInnen noch bis zu 17. Dezember teilnehmen können.

Alle Akteure – der Staat, gemeinnützige Organisationen, Kommunen usw. – machen sich Gedanken darüber, wie man das bürgerschaftliche Engagement fördern kann. ‘Partizipation’ im Sinne von echter Teilhabe an Entscheidungen im Dritten Sektor spielt in diesen Diskursen keine herausragende Rolle. Auch fehlt eine Diskussion darüber, inwieweit die Strukturen gemeinnütziger Organisationen für den Umfang, die Ausgestaltung und die Grenzen des bürgerschaftlichen Engagements verantwortlich sind. Schon in meinem vorletzten Blogbeitrag habe ich mich mit den Möglichkeiten der Partizipationsförderung im gemeinnützigen Sektor und der nationalen Engagementstrategie auseinandergesetzt. Deshalb möchte ich für die aktuelle Runde der NPO-Blogparade den Kreis etwas weiter ziehen und fragen, weshalb Partizipation als Thema in den offiziellen Verlautbarungen zum Bürgerengagement eine so geringe Rolle spielt.

Meiner Auffassung nach kranken die meisten Ansätze zur Förderung des Bürgerengagements daran, dass sie den Aspekt der Rekrutierung und Anwerbung in den Mittelpunkt stellen. Sie befassen sich zu wenig mit der Frage, wie eine Einrichtung Freiwillige halten und pflegen kann, damit sie sich gerne und langfristig engagieren. Wertschätzung und die Bildung von Freiwilligen, die der Staat anstrebt, sind wichtig, – aber nicht ausreichend. Es geht um Mitgestaltung und Mitbestimmung bzw. um die Frage, wie Bürger gemeinsam mit sozialen Diensten Hilfen konzipieren und anbieten können. Das ‘Soziale’ ist nichts, was an Fachleute delegiert werden kann, das ‘Soziale’ betrifft uns alle, – nicht nur als Helfer, sondern als Mitdenker, als Mitplaner und als Geldgeber.

Laut Brudney und Meijs (2009) stagniert oder sinkt die Anzahl der bürgerschaftlich Engagierten, weil die Ressource des bürgerschaftlichen Engagements von den Organisationen, die das Engagement abrufen und nutzen, nicht nachhaltig bewirtschaftet, sondern – wie viele andere natürliche Ressourcen auch – zugunsten kurzfristiger und rein organisationsbezogener Ziele ausgebeutet wird.

Vielleicht ist auch der Trend zum zeitlich befristeten Engagement, der Unwille von Bürgern, sich länger an eine NPO zu binden, gar nicht so sehr zeitlichen Restriktionen auf Helferseite geschuldet, sondern dem nachlässigen Umgang Gemeinnütziger mit den Freiwilligen, der letzteren wenig Anreiz bietet, sich länger als notwendig auf eine gemeinnützige Einrichtung einzulassen.

Jedenfalls stagniert auch in Deutschland das bürgerschaftliche Engagement (36% der Bevölkerung engagieren sich) und verändert sich inhaltlich in Richtung immer kürzerer Einsätze. Dementsprechend wird die Konkurrenz unter den Trägern um die kostbare Ressource ‘freiwillige Helfer’ immer härter, ohne dass gleichzeitig das Freiwilligen-Management in den Organisationen flächendeckend verbessert würde.

Mein Bloggerkollege Stefan Zollondz beschreibt in seinem Beitrag zur Blogparade die Konkurrenz von NPOs um die sogenannten “Premium-Ehrenamtlichen” oder “A-Ehrenamtlichen”, die sich durch Selbstständigkeit und gute Bildung auszeichnen.

Weil Nonprofits das Ehrenamt aus einer organisations- und nicht community-bezogenen Perspektive betrachten, kommt es zu dieser Entwicklung: man sucht den Besten für den vorhandenen Freiwilligen-“Arbeitsplatz”. Engagementwillige mit Schwächen, psychischen Defiziten o.ä. sind nicht so sehr willkommen. Sie bedeuten mehr Aufwand als Nutzen.

Würde man den organisationsbezogenen durch einen community-orientierten Blickwinkel ersetzen, wäre die Situation eine andere. Alle freiwilligen Helfer wären willkommen, weil die Förderung der Partizipation und das Community-Building über Engagement zur Kernfunktion von Nonprofits gehörten.

Davon ist die Realität aber weit entfernt. Wohlfahrtsverbandliche Einrichtungen konzentrieren sich als professionelle Dienstleister auf Effizienz- und Effektivitätsziele, die wenig Raum für Teilhabe und das Community-Building – über den engen Kreis der eigenen Klientel hinaus – zulassen.

Um Nonprofits einen Weg in das Community-Building hinein zu ebnen und ihre Rolle als Förderer und Ermöglicher von Partizipationsprozessen zu stärken, müsste sich vieles ändern: Gesetze, Finanzierungsrichtlinien, Umsetzungsprogramme. Aber auch das Selbstbild von Nonprofits und das Bild, das der Staat vom Dritten Sektor hat.

Nirgendwo in der Engagementstrategie der Bundesregierung wird auf diesen Zusammenhang zwischen den Dritte-Sektor-Stukturen und dem Bürgerengagement ausführlicher eingegangen. Auch Nonprofits selbst stellen den Zusammenhang zwischen ihren Strukturen und dem Erfolg oder Misserfolg der Inklusion von Freiwilligen nicht heraus. Statt
dessen hat man sich an den “endless cycle of recruitment” gewöhnt: “If volunteers cannot be retained, new one must be found to replace them” (Brudney/Meijs 2009, 568). Ein Ende dieses wenig nachhaltigen Umgangs mit der Ressource der freiwilligen Helfer ist nicht abzusehen.

Eine Verbesserung kann hier erst eintreten, wenn gemeinnützige Organisationen community-orientierter arbeiten und Freiwilligen auf Augenhöhe begegnen. Dies wären auch zwei Bedingungen die erfüllt sein müssten, wenn “echte” Partizipation in und über gemeinnützige Organisationen gefördert werden soll.

Nachhaltiges Fundraising – welche Bausteine sind wichtig?

Das Fundraising 2.0-Blog ist Gastgeber der 18. NPO-Blogparade. Jörg Eisfeld-Reschke fragt, wie es gelingen kann, dass sich Online-Freunde, Fans und Follower für eine gemeinnützige Organisation auszahlen?

Er beschreibt den “Traum eines Online-Fundraisers”, der so aussieht: durch die Präsenz im Social Web kommen “sehr schnell (..) hunderte Follower auf Twitter und Tausende Fans auf Facebook zusammen. Ab dem ersten Tag werden sie zu Spendern, starten Anlaßspenden-Aktionen zu ihrem Geburtstag und schreiben im Blog darüber, dass sie dieser gemeinnützigen Organisation ihr Vermögen hinterlassen werden.”

Diesen Traum träumen sicherlich sehr viele NPOs, – anders kann man sich deren Interesse an Online-Fundraising als ersten Schritt im Social Web nicht erklären. Was die meisten interessiert, ist das schnelle Geld oder wie es auf der Lernspielwiese heißt “Freunde, Fans und Follower -los! Zahlt euch für mich aus”.

Dass dieser Traum des Dritten Sektors nach schnellem Geld aus der Zivilgesellschaft als Ersatz oder Ergänzung für gekürzte Mittel von staatlicher Seite ein Traum bleiben wird, stellt Reschke in seinem Beitrag dar.

Aus meiner Sicht müssen viele Aspekte berücksichtigt werden, wenn das Fundraising im Netz von dauerhaftem Erfolg sein soll.

Nachhaltiges Fundraising schafft einen Mehrwert für die Organisation und ihre Stakeholder und das Gemeinwesen. Nachhaltiges Fundraising baut vertrauensvolle, dauerhafte Beziehungen auf und vermeidet alles, was diese Beziehungen zugunsten kurzfristiger und allein organisationsbezogener Ziele schädigen könnte. Nachhaltiges Fundraising setzt auf Kooperation, wechselseitigen Dialog und die Koproduktion von Leistungen. Nachhaltiges Fundraising lässt den binnenorienten Blick vieler NPOs hinter sich, öffnet sich nach außen hin und rückt die Beziehungen zu den Stakeholdern in den Mittelpunkt. Nachhaltiges Fundraising setzt einen Perspektivenwechsel in NPOs voraus, den ich an anderer Stelle beschrieben habe. Er verändert das Verhältnis zwischen dem Dritten Sektor und der Zivilgesellschaft: statt Dinge für Bürger zu tun, arbeitet und plant man mit ihnen gemeinsam.

Welche Bausteine sind für ein nachhaltiges Fundraising im Internet relevant, das dauerhaft vielfältige Ressourcen aus dem gesellschaftlichen Raum akquirieren kann?

  1. Partizipation der Nutzer
  2. Responsivität der Oganisationen
  3. Wechselseitigkeit des Austausches
  4. Diversität von Netzwerken
  5. Passende Technologien
  6. Bedeutung der lokalen Ebene

Zu 1. Partizipation der Nutzer: wie die meisten Beiträge zur NPO-Blogparade herausstellen, braucht es in jeder Fundraising-Situation viele unterschiedliche und niedrigschwellige Mitmachmöglichkeiten für die Nutzer. Partizipation fördert die Integration von Menschen in Netzwerke und damit auch die Bildung von Unterstützerkreisen zugunsten einer gemeinnützigen Einrichtung. Wichtig ist es, Interaktionsmöglichkeiten zwischen den Nutzern zu schaffen, also das Netzwerk nicht vertikal – zur gemeinnützigen Organisation hin – auszurichten, sondern horizontal mit Blick auf die Community hin auszubauen.

Nutzer müssen befähigt werden, selbst als Multiplikatoren, Fundraiser, Wissenssammler usw. für die gemeinnützige Organisation aktiv zu werden. Von den Kontakten, die sie dabei sammeln, kann eine NPO erneut profitieren. Deshalb ist die Fixierung auf Spenderdatenbanken, wie dies in der Nonprofit-Szene üblich ist, auch unzureichend: Eine NPO profitiert nicht nur von den hier gesammelten Einzelpersonen, sondern auch von deren Netzwerken.

Zu 2. Responsivität von Organisationen: dieser Punkt wurde hier im Blog schon häufig thematisiert: man kann die Partizipation der Nutzer nicht ohne die institutionelle Seite betrachten, d.h. Organisationen müssen Partizipationsräume schaffen und sich responsiv verhalten, wenn sie möchten, dass Bürger sich einbringen. Wer die Bürger-Nutzer mit fertigen Strategien und Projekten konfrontiert, wird deren Bereitschaft zum Mitmachen zum Erlahmen bringen.

Zu 3. Wechselseitigkeit des Austausches: wie wichtig die sogenannte “Reziprozität” des Austausches in Netzwerken ist, beschreibt einer der Beiträge zur NPO-Blogparade. Netzwerke bilden nur eine Struktur. Ob man das in ihnen eingebettete soziale Kapital heben kann, hängt davon ab, ob man am wechselseitigen Austausch partizipiert. Wer immer nur etwas aus dem Netzwerk will, aber keine Ressourcen investiert, ist von der Nutzung des sozialen Kapitals ausgeschlossen (vgl. – sehr interessant – Jo Ann Schneider 2009)

Zu 4. Diversität von Netzwerken: je pluraler Netzwerke aufgebaut sind, desto unterschiedlicher sind die Ressourcen, von denen die am Austausch Beteiligten profitieren können. Bleibt eine NPO in ihrem angestammten Biotop, wird sie immer auf dieselbe Ressourcenkonstallation stoßen. Dringt sie in neue Milieus und Netzwerke vor, ändert sich auch die Zusammensetzung der Ressourcen, die ihr potentiell zu Verfügung stehen: “Diverse resources flow through diverse networks” (Hampton/Lee/Her 2010, 5). Die bloße Anzahl von Kontakten, auf die viele NPOs und Fundraiser fixiert sind, sagt noch gar nichts über deren Diversität aus bzw. über den Ressourcenreichtum eines Netzwerks.

Zu 5. Passende Technologien: Nicht jede IuK-Technologie fördert direkt die Pluralität von Netzwerken, die für die Ressourcenvielfalt eines Netzwerks – und damit auch für den Fundraisingerfolg – entscheidend ist. In der Studie von Hampton/Lee/Her 2010 (via neighbourhoods) wurden die Netzwerke bzw. das soziale Kapital von über 2000 Erwachsenen untersucht. Im Mittelpunkt stand die Frage, wie sich IuK-Technologien und speziell Social Media auf die Diversität von Netzwerkkontakten auswirken. Das Ergebnis zeigt, dass Online-Communities die Diversität der Nutzer-Netzwerke unmittelbar vergrößern. Wohingegen Blogging, Photosharing oder der Einsatz von Mobiltelefonen nur indirekt – vermittelt über lokale Zusammenhänge – die Netzwerkvielfalt fördern.

Zu 6. Die Bedeutung der lokalen Ebene: Auch für das Online-Fundraising verliert die lokale Ebene nicht an Bedeutung. Die Studie von Hampton/Lee/Her 2010 verdeutlicht, dass Social Media nicht unmittelbar – außer im Fall von Online-Netzwerken – Diversität schaffen. Sondern dass das Zusammenspiel von lokalem Engagement und Internetgebrauch in den meisten Fällen sehr wichtig ist, um vielfältiges soziales Kapital aufzubauen. Auch das Online-Fundraising muss deshalb Anknüpfungspunkte zur lokalen Ebene und zu konkreten Mitmachmöglichkeiten bieten. “Place is not lost as a result of the affordances of new technologies, but place-based networks are reinforced and made persistent” (Hampton/Lee/Her 2010, 25).

Partizipation von Bürgern fördern – aber wie?

Die “Nationale Engagementstrategie” der Bundesregierung, die Anfang Oktober verabschiedet wurde, will das Bürgerengagement stärken. Die Engagementstrategie bildet die Grundlage “für eine gemeinsame und aufeinander abgestimmte Engagementförderung aller Ressorts. Ziel ist es, durch geeignete Rahmenbedingungen einen Nährboden zu schaffen, auf dem bürgerschaftliches Engagement in seiner ganzen Vielfalt an Motiven und Ausgestaltungsmöglichkeiten gedeihen kann” (S. 6).

Eine wirklich ausgearbeitete Strategie findet man in dem Beschluß allerdings nicht, was erhebliche Kritik hervorgerufen hat. Vielmehr enthält das Regierungspapier eine Ansammlung von Einzelzielen bezogen auf bestimmte Politikbereiche (Integration/Bildung/Umwelt/Demographischer Wandel/Internationale Zusammenarbeit) und eine Auflistung von unzähligen Modellprojekten zum Thema Bürgerengagement, die die Ressorts jetzt schon fördern. Auf Seite 7 wird jedoch klargestellt, dass die veröffentlichte “Engagementstrategie” nicht als abgeschlossen zu betrachten ist, sondern unter Beteiligung von Bürgern weiterentwickelt werden soll.

Dazu wurde u.a. die Plattform ENGAGEMENTzweinull eingerichtet, auf der Bürger ihre Anmerkungen zum Kabinettsbeschluss und ihre Vorschläge für die Förderung des Bürgerengagements einbringen können. Die öffentliche Online-Konsultation startet am 22. November. Die Ergebnisse der Konsultation werden der Bundesregierung vorgelegt und im Netz veröffentlicht. Ohnehin sind schon die Beratungsergebnisse des Nationalen Forums für Engagement und Partizipation, in dem Experten aus Staat, Wirtschaft und Bürgergesellschaft vertreten sind, in die Engagementstrategie der Bundesregierung eingeflossen.

Soviel Bürgerbeteiligung ist löblich, ändert aber nichts an der Tatsache, dass das Thema ‘Förderung des Bürgerengagements’ mit der Engagementstrategie des Bundes zu einem “zentralstaatlich gesteuerten Anliegen” geworden ist (Dahme/Wohlfahrt 2010, 146). Der wichtigste Satz im Kabinettsbeschluss lautet: “Bund, Länder und Kommunen sind zentrale Akteure in der
Engagementförderung” (S. 5).

Ich für meinen Teil halte nicht den Staat, sondern den Dritten Sektor für den zentralen Akteur, wenn es darum geht, das Engagement von Bürgern auszuweiten. Es sind die gemeinnützigen Organisationen, in denen – zumeist auf lokaler Ebene – Bürgerengagement und Bürgerbeteiligung stattfinden. Also ist auch der Dritte Sektor der Dreh-und Angelpunkt für den weiteren Ausbau von Partizipationsmöglichkeiten.

Der Staat kann hier durchaus fördernd wirken – mit finanziellen Mitteln, Gesetzen und Leistungsvereinbarungen, die auf mehr Mitbestimmung von Bürgern drängen. Aber er kann gemeinnützigen Organisationen – und hier speziell der verbandlichen Wohlfahrtspflege – nicht die Aufgabe abnehmen, ihr Verhältnis zur Zivilgesellschaft neu zu bestimmen und ihre Bereitschaft, Bürger als Mitgestalter (und nicht nur als Helfer) einzubeziehen, weiterzuentwickeln.

Was mir auffällt, ist folgendes: sowohl die nationale Engagementstrategie als auch die Beratungsergebnisse des Nationalen Forums für Engagement und Partizipation blenden die Verantwortung des Dritten Sektors als institutionellem Ort des Bürgerengagements weitgehend aus. Man liest ununterbrochen, wie wichtig das Bürgerengagement ist und dass Bürger sich unbedingt ins Gemeinwesen einbringen sollten. Aber es wird nicht thematisiert, welche Verantwortung dem Dritten Sektor dafür zukommt, dass Bürger sich nicht engagieren oder ihren Einsatz aufgeben, weil sie mit den starren Strukturen in verbandlichen Einrichtungen nicht zurecht kommen oder weil sie nach und nach merken, dass an ihren inhaltlichen Anregungen in dem professionellen Umfeld niemand interessiert ist und sie nur als Helfer gebraucht werden, aber nicht als Mitbestimmer und -entscheider.

Die Responsivität des Dritten Sektors, seine Öffnung nach außen hin, seine stärkere Vernetzung mit der Zivilgesellschaft und seine Bereitschaft zur Ausweitung von Mitbestimmungsmöglichkeiten – das sind die zentralen Anknüpfungspunkte, wenn man das Bürgerengagement fördern will.

In einem Beitrag für die Stiftung Mitarbeit habe ich auf die Bedeutung der institutionellen Strukturen für das Bürgerengagement hingewiesen:

“Wenn es um die Partizipation in gesellschaftlichen Organisationen geht, kann man die bürgerschaftliche Seite nicht ohne die institutionelle betrachten. Beide Seiten gehören zwingend zueinander und befinden sich in einem wechselseitigen Abhängigkeitsverhältnis. Die Beteiligung von Bürgern am Organisationshandeln setzt voraus, dass Institutionen Partizipationsräume schaffen und sich gegenüber Bürgervorschlägen responsiv verhalten (…) Umgekehrt benötigt eine Organisation, die sich stärker zur Zivilgesellschaft hin öffnet, Bürger, die ihre Kompetenzen und ihr Wissen einbringen können und wollen. Erfolgreiche Bürgerbeteiligung in Organisationen hängt demnach auch von den Partizipationsressourcen der Bürgerschaft und nicht nur von den institutionellen Beteiligungsangeboten ab.

Wir haben es also mit der Gleichung „Bürgerbeteiligung = Responsivität von Organisationen“ zu tun und es geht darum, auf beiden Seiten dieser Gleichung zu arbeiten, wenn das Bürgerengagement und damit die Demokratisierung unserer Gesellschaft weiter vorangetrieben werden soll (..)” (Reiser 2010, 1).

Man kann das Bürgerengagement nicht zentralstaatlich verordnen und erfolgreich fördern, man kann nur Strukturen schaffen – vor allen Dingen lokal – die Bürger als Mitgestalter und Partner ernst nehmen. Und hier müssen gemeinnützige Organisationen die Hauptverantwortung übernehmen. Es macht keinen Sinn, die Verantwortung von sich weg und dem Staat zu zu schieben, weil eine wirkliche Öffnung für bürgerschaftliche Mitarbeit zu schmerzhaften Veränderungen speziell im verbandlichen Nonprofit-Bereich führen würde. Bürgerbeteiligung kostet ihren Preis, – man erhält sie nicht ohne eine Demokratisierung verbandlicher und professioneller Entscheidungsstrukturen.

Meines Erachtens müssen vier Aufgabenfelder im Mittelpunkt stehen, wenn die Mitarbeit und die Partizipation von Bürgern gefördert werden soll:

  • die Schaffung von mehr Mitbestimmungsmöglichkeiten im Dritten Sektor. Dies bedeutet, dass sich die gemeinnützigen Dienstleister von ihrer professionellen Dominanz verabschieden müssen. Die Zukunft gehört Koproduktionsmodellen, bei denen Bürger und Sozialeinrichtungen gleichberechtigt miteinander soziale Dienstleistungen konzipieren und erbringen.
  • die Förderung der Beteiligungskompetenzen von Bürgern und Communities. Es reicht nicht aus, im Dritten Sektor jeweils organisationsintern das freiwillige Engagement zu fördern. Notwendig ist der Blick auf das Gemeinwesen bzw. auf die unterschiedlichen Communities in den Gemeinden, die gestärkt werden müssen. Der einzelne Bürger wird durch eine vielfältige und handlungsstarke Zivilgesellschaft in seinen individuellen Partizipationsbemühungen unterstützt.
  • der Aufbau von Netzwerken auf kommunaler Ebene, die Bürger, Dritt-Sektor-Organisationen, staatliche und wirtschaftliche Akteure umfassen. Wo viele Communities untereinander gut vernetzt sind, existiert mehr Bürgerbeteiligung als in Gemeinden ohne entsprechende Netzwerkstrukturen. Wichtig ist nicht nur die Vernetzung an sich, sondern insbesondere der Ressourcenaustausch der Akteure untereinander und das Handeln der Beteiligten.
  • die Einbeziehung des Internets in die alltägliche Arbeit von gemeinnützigen Organisationen. Es bietet die Infrastruktur für Vernetzung, Kooperation und kollektive Aktionen. Um niemanden auszuschließen sollte die digitale Inklusion ein wichtiges Arbeitsfeld für alle sein, die Leistungen mit Bürgern und für Bürger erbringen.

Wer an diesen vier Ideen im Detail interessiert ist, kann hier meinen gesamten Aufsatz lesen, der im Wegweiser Bürgergesellschaft 19/2010 erschien. Der Beitrag wird in einem Band der Stiftung Mitarbeit über die Zukunft der Bürgerbeteiligung erscheinen, der die Vorträge der gleichnamigen Tagung, die im September stattfand, enthält.