Wie gut aufgestellt sind hierzulande die Fachkräfte der Sozialen Arbeit, wenn es um die Nutzung digitaler Instrumente im Arbeitsalltag geht? Wie gut kennen sie die Vor- und Nachteile der neuen Technologien? Hat die Profession ethische Standards, um die Herausforderungen der Digitalisierung zu meistern? Welchen Stellenwert nimmt die Auseinandersetzung mit neuen Technologien in den Studiengängen der Sozialen Arbeit ein?
Zorn und Seelmeyer (2017) bedauern in ihrem Aufsatz, dass IuK-Technologien im aktuellen “Kerncurriculum Soziale Arbeit”, entwickelt von der Deutschen Gesellschaft für Soziale Arbeit (2017), keine Rolle spielen. Dabei will das Kerncurriculum der Standard für die Vermittlung der wissenschaftlichen Grundlagen Sozialer Arbeit sein und einen Rahmen formulieren “welche Studieninhalte in jedem Studiengang der Sozialen Arbeit vorkommen sollten” (DGSA, Curriculum S. 1).
Im Unterschied dazu haben mehrere amerikanische Verbände der Sozialen Arbeit ebenfalls im Jahr 2017 gemeinsame “Standards for Technology in Social Work Practice” ausgearbeitet. Insgesamt 55 Standards wurden entwickelt für die Bereiche
- Öffentlichkeitsarbeit
- Soziale Dienstleistungen
- Informationsgewinnung, – verwaltung und -speicherung
- Ausbildung und Supervision
Aus dieser Standardsammlung möchte ich sieben herausgreifen, um den konzeptionellen Rahmen der Sammlung deutlich zu machen:
- Sozialarbeiter/innen müssen qualifiziert werden, damit sie die neuen Technologien im Arbeitsalltag sicher, kompetent und ethisch korrekt einsetzen können. Ausbildung, Beratung, Supervision und Training sollten zur Verfügung stehen, um den technologischen Wandel kontinuierlich zu begleiten und aufzuarbeiten (Standard 2.06, S. 16)
- Sozialarbeiter/innen sollten die Vorteile, aber auch die Risiken elektronischer sozialer Dienste genau kennen und im Einzelfall abwägen, ob elektronische Angebote dem Nutzer einen Mehrwert bringen oder ob auf alternative Angebote zurückgegriffen werden sollte (Standard 2.01, S. 11)
- Im Umgang mit den Klienten ist nicht nur deren psychosoziale Situation abzufragen, sondern auch deren Umgang mit Technologien: welche Stärken, Bedürfnisse, Risiken und Schwierigkeiten liegen hier vor? “With the increasing use of technology in society, it is important for social workers to also consider clients’ relationship and comfort with technology”. (Standard 2.05, S. 15)
- “Informed Consent”: Die Nutzer sozialer Dienste müssen durch die Sozialarbeiter/innen über Vorteile und Risiken der elektronischen Dienste aufgeklärt werden. Die Nutzer brauchen einen Entscheidungsspielraum (Standard 2.04, S. 14)
- Wenn Sozialarbeiter/innen Social Media nutzen, dann brauchen sie dafür eine Social Media Policy, die auch den Klienten sozialer Dienste bekannt sein muss: “The social media policy should be reviewed with clients during the initial interview in the social worker-client relationship and revisited and updated as needed” (Standard 2.10, S. 18)
- Wenn Sozialorganisationen neue Technologien einsetzen wollen, dann sollte die Soziale Arbeit darauf drängen, dass hier nicht Wirtschaftlichkeit und Kostenersparnis im Vordergrund stehen, sondern die Bedürfnisse der Klienten: “they shall prioritize the needs of their clients” (Standard 2.17, S. 23)
- Zu den Aufgaben der Sozialen Arbeit gehört es auch, den Zugang zu neuen Technologien für ihre Klientel einzufordern, insbesondere für Arme, für Menschen mit Behinderung, für Menschen mit fehlenden Sprachkenntnissen und solchen, die ungeübt im Umgang mit digitalen Technologien sind. “Having access to appropriate technology may also be a concern for social workers themselves. Social workers may need to advocate within their organizations and communities to ensure that they have access to technology that is required to perform their jobs effectively.” (Standard 2.21, S. 26f).
Inwieweit ist die hiesige Praxis der Sozialen Arbeit mit solchen Standards vertraut? Inwieweit werden heute schon angehende Sozialarbeiter/innen aller Studienniveaus umfassend auf die digitale Sozialarbeit vorbereitet?