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Nonprofits müssen ins Internet und dieses mitgestalten

Die Publikations-, Austausch- und Vernetzungsmöglichkeiten des Internets (“soziale Medien”) eröffnen gemeinnützigen Organisationen die Chance, ihre Verbindungen zur Zivilgesellschaft zu stärken und Ressourcen der Bürger vermehrt abzurufen. Es geht darum, “support relationships” (Burt/Taylor 2011) zwischen Bürgern und freien Trägern aufzubauen, – und zwar in beide Richtungen. Eine stärkere Unterstützung seitens der Bürger setzt Beteiligungsmöglichkeiten für diese in Nonprofit-Organisationen voraus, nicht nur, wenn es um die Umsetzung von Projekten geht, sondern schon in der Planungsphase.

Das Centrum für Corporate Citizenship Deutschland (CCCD) lädt in einer aktuellen Blogparaden-Runde zum Diskurs über die Nutzungsmöglichkeiten von Social Media ein, die sich für die Zivilgesellschaft, d.h. für Bürger und Vereine, auftun. Dabei sollen auch die Herausforderungen und möglichen Grenzen diskutiert werden.

In diesem Beitrag möchte ich drei Punkte ansprechen, die ich in Zusammenhang mit dem Thema für essentiell halte:

1. Das Ressourcenproblem – oder die Frage, wie die digitale Inklusion des Dritten Sektors vorangetrieben werden kann
2. Offliner ins Netz bringen – eine Aufgabe für den gemeinnützigen Bereich
3. Netzpolitik – in einer digitalen Gesellschaft ein wichtiges Aufgabenfeld für den Dritten Sektor

Zu Punkt 1:

Aus den gemeinnützigen Organisationen kommt immer wieder das Feedback, dass das Ressourcenproblem (“kein Geld, keine Zeit, keine Mitarbeiter, kein Fachwissen”) eine enorme Hürde für die Nutzung sozialer Medien darstellt. Davon betroffen sind nicht so sehr die großen Wohlfahrtsverbände, sondern die unzähligen kleinen Vereine und Initiativen auf kommunaler Ebene. Es gibt über eine halbe Million Vereine in Deutschland. Sehr viele davon sind in den sozialen Medien nicht präsent, – weil sie niemanden haben, der sich mit den neuen Medien auskennt oder genug Zeit dafür aufbringen könnte. In der Regel fehlt auch das Geld für eine professionelle Unterstützung.

Es müsste potentiellen Geldgebern – dem Staat, den Kommunen und Stiftungen – ein Anliegen sein, den Dritten Sektor in der Fläche für das Mitmach-Web fit zu machen. Denn gemeinnützige Organisationen, die sich auf den Gebrauch sozialer Medien nicht verstehen, können in einer digitalen Gesellschaft ihre Funktionen – die Einbindung von Bürgern, die Erbringung von Dienstleistungen, die Interessenvertretung und die Schaffung von Partizipationschancen – auf die Dauer nicht erfolgreich ausüben. Es reißt so eine Kluft auf zwischen vielen zivilgesellschaftlichen Institutionen und internetkundigen Bürgern, die den Dritten Sektor schwächt.

Staat und Stiftungen sollten in ihre Budgets für gemeinnützige Organisationen Mittel für die IT-Ausstattung und die Vermittlung digitaler Kompetenzen mit aufnehmen. Die sogenannte “digitale Inklusion” des Dritten Sektors ist kein Randthema, – sondern eines, das existentiell ist für die Weiterentwicklung der hiesigen Zivilgesellschaft.

Allerdings ist der Dritte Sektor hier selbst nicht aus der Verantwortung zu nehmen. Es gibt viele Möglichkeiten, wie man auch mit wenig Mitteln die eigenen Kenntnisse und Handlungschancen ausweiten kann, – in erster Linie durch einen stärkeren Austausch innerhalb des Sektors und mit Bürgern. Das Wissen über soziale Medien kann durch gemeinsame Arbeitsgruppen, über Webseiten und die Nutzung vorhandener Foren und Plattformen gefördert werden. Im Stiftungsbereich startete letzten Sommer die stiftungsübergreifende Arbeitsgruppe “Stiftungen 3.0”. Was darüber hinaus möglich ist, zeigen die folgenden Beispiele: Social Media Surgeries auf der lokalen Ebene in Großbritannien, Online-Communities zum Thema ICT für Gemeinnützige wie das ICT Café, crowdsourcing-Webseiten wie KnowHow NonProfit, die Vermittlung von freiwilligen IT-Fachleuten an den gemeinnützigen Sektor IT4Communities , die Socialbar als Austauschort über die Chancen sozialer Medien, Veranstaltungen und BarCamps wie die re:campaign für den gemeinnützigen Sektor.

Schließlich könnte auch eine professionelle Unterstützung im Hinblick auf den Umgang mit dem Internet von vielen Vereinen gemeinsam finanziert oder von der örtlichen Gemeinde für den Nonprofit-Sektor getragen werden, – siehe die britische Einrichtung der Circuit Riders (“Circuit Riders are third sector technology development and support workers, each of whom supports a caseload of organisations the same way a development worker might”, UK Riders).

Zu Punkt 2:

Viele Vereine – besonders jene mit einer älteren Mitgliederschaft- haben das Problem, dass ihre Zielgruppen nur zum Teil (oder auch gar nicht) im Netz präsent sind. Dadurch entgehen diesen Bürgern Informations- und Beteiligungsmöglichkeiten. Es muss auch zum Aufgabenbereich einer Nonprofit-Organisation gehören, die digitale Inklusion ihrer Stakeholder voranzutreiben.
Aber dafür fehlen in der Regel die Mittel. Allerdings könnte man auch hier Ressourcen der gemeinnützigen Akteure vor Ort poolen.

Für manche Organisationen im Dritten Sektor ist die digitale Inklusion ihrer Mitglieder und Klienten aber kein Thema, für das sie sich verantwortlich halten. Viele bleiben ganz eng ihrem Dienstleistungszweck verhaftet, und der hat in der Regel nichts mit dem Internet zu tun. Aber eine gemeinnützige Organisation ist mehr als nur ein Dienstleister. Sie ist Teil unseres demokratischen Gemeinwesens und spielt eine wichtige Rolle als zivilgesellschaftlicher Akteur. Dazu gehört auch, dass sie ihre Arbeit für und mit den Stakeholdern um eine digitale Dimension erweitert und jene mit nimmt, die bisher von den Online-Beteiligungsmöglichkeiten ausgeschlossen sind.

Vermittelt werden müssen in Zusammenhang mit dem Internet nicht nur technische Fertigkeiten. Sondern eine Reihe weiterer Kompetenzen, die zur “digital literacy” gehören: die Fähigkeit, Online-Netzwerke zum Aufbau von sozialem Kapital zu nutzen, die Kompetenz zur Zusammenarbeit, zur Partizipation, zur Aufmerksamkeit und zur Beurteilung der Qualität von Informationen.

zu Punkt 3:

Gemeinnützige Organisationen müssen sich stärker um netzpolitische Fragen kümmern. Damit ist gemeint, sie müssen sich mit den Rahmenbedingungen des Internets, dessen Struktur und Angebote befassen und Einfluss auf die Ausgestaltung des Netzes nehmen.

Das Netz ist nicht statisch, – es kann und wird jeden Tag von Menschen und Organisationen verändert. Die Zivilgesellschaft muss ein Interesse daran haben, das Internet so bürgerschaftlich wie möglich zu gestalten und gemeinnützige Angebote zu stärken. Die Weiterentwicklung des Internets sollte nicht kommerziellen Interessen überlassen bleiben. Wir alle bezahlen die meisten der neuen Mitmach-Möglichkeiten zwar nicht mit Geld, aber mit unseren persönlichen Daten. Es ist wichtig, dass von zivilgesellschaftlicher Seite Alternativen zu “Faceboogle” entwickelt und Unternehmen Grenzen aufgezeigt werden, wenn es um deren Datensammelwut und die Monopolisierung der Netzangebote geht. Über die Ambivalenz kommerzieller, hierarchischer Netzwerke- “soziale Fabriken” (F.Stalder) – und dezentrale Alternativen siehe auch die Beiträge von Bauer und Härtel zur aktuellen Blogparade.

Durch die jahrelange Abstinenz vieler wichtiger Nonprofit-Organisationen in Deutschland von den sozialen Medien wurden hier Handlungs- und Gestaltungschancen verpasst. In manchen gemeinnützigen Einrichtungen wird das Internet noch heute inhaltlich abgewertet und nicht ernst genommen als ein neuer mächtiger und globaler öffentlicher Raum.

Es ist an der Zeit, dass der Dritte Sektor sich nicht nur als Konsument von Netzangeboten betrachtet (“Wir sind jetzt auch auf Facebook”), sondern als aktiver Gestalter des digitalen Raumes zugunsten zivilgesellschaftlicher Akteure und demokratischer Beteiligungsmöglichkeiten.

Überfordert man damit Vereine? Nicht jeder gemeinnützige Akteur wird sich mit digitalen Fragen auseinandersetzen wollen. Andererseits geht es um unseren gemeinsamen öffentlichen Raum im Netz, – dessen Freiheit zu erhalten und die nicht-kommerziellen Räume und bürgerschaftlichen Handlungschancen zu stärken, sollte ein wichtiges Anliegen aller im Dritten Sektor sein.

Ein wichtiges Thema ist auch die Förderung von Zivilität im Netz bzw. die Frage: wie gehen wir miteinander im Internet um? Die Akzeptanz von Pluralität ist Voraussetzung für ein vitales und konstruktives zivilgesellschaftliches Leben online. Auch hier sind Dritte-Sektor-Organisationen als Vorbilder und Lernorte gefordert.

Messung des impacts von gemeinnützigen Organisationen – welche Methoden gibt es?

Auf welche Weise man die Wirkung gemeinnütziger Projekte auf die Gesellschaft – den “social impact” – messen kann und ob man den impact der Projekte überhaupt messen sollte, ist im Dritten Sektor immer noch hoch umstritten.

Die kontroverse Debatte zwischen zivilgesellschaftlichen Akteuren und Vertretern der Wirkungsmessung wurde auch im Unterausschuss “Bürgerschaftliches Engagement” des Bundestags sichtbar. Hier stand PHINEO, eine Bertelsmann-Gründung, mit den eigenen Wirkungsanalysen in der Kritik. PHINEO reiht sich ein in die vielen unterschiedlichen Projekte, die weltweit entwickelt werden, um die Leistungsfähigkeit von gemeinnützigen Organisationen transparenter zu machen. Auf diese Weise will man Spendern, Stiftern und engagierten Unternehmen, die eine gute Organisation für ihr “Investment” suchen, Informationen und Hilfe an die Hand geben. Zu nennen sind hier Plattformen und Projekte wie Give Well, Philanthropedia, Charity Navigator, das Center for Effective Philanthropy und das Charting Impact Projekt. Einen guten Überblick über die Akteure der strategischen bzw. outcome-orientierten Wohltätigkeit liefert der Beitrag von Paul Brest in der Stanford Social Innovation Review.

Wie virulent das Thema Wirkungsmessung ist, zeigt auch die Gründung der “Social Impact Analysis Association” in London – ebenfalls ein Bertelsmann-Projekt – , die professionelle Wirkungsanalysten zu einem Austausch über Messmethoden zusammenbringen möchte.

In einem Aufsatz für das International Journal of Nonprofit and Voluntary Sector Marketing setzen sich Polonsky und Grau (2011), zwei amerikanische Forscher, mit den Methoden zur sozialen Wirkungsmessung auseinander.

Ihnen zufolge liegt das Grundproblem des Themas darin, dass es keine allgemein akzeptierte Definition des “social impact” gibt, – jeder Akteur – Spender, NPO-Mitarbeiter, Unternehmensvertreter, Nutzer von Diensten – versteht darunter etwas anderes und würde die Wirkungsanalyse anhand unterschiedlicher Kriterien durchführen. Die beiden Forscher ziehen sich auf die Definition zurück, dass unter dem “social impact” die gesamte Wirkung zu verstehen ist, die eine gemeinnützige Organisation auf ihre Stakeholder hat (Polonsky/Grau 2011, 196).

Weshalb eine Evaluation der Wirkung von Nonprofits sinnvoll ist, beantworten Polonsky/Grau wie folgt (2011,197f):

1. Eine solche Untersuchung kann zur kritischen Überprüfung von Organisationspraxis und -strukturen beitragen. So ist z.B. unklar, ob die in den vergangenen Jahren durchgeführte Ökonomisierung der gemeinnützigen Dienstleister tatsächlich zu besseren gesellschaftlichen Ergebnissen ihrer Projekte geführt hat.
2. Spender wünschen sich zunehmend mehr Transparenz im Nonprofit-Sektor. Sie wollen von den Trägern wissen, wie effektiv Spenden eingesetzt werden, d.h. wie gut – oder weniger gut – soziale Probleme von der Organisation gelöst werden konnten
3. Das Aufzeigen der eigenen Wirkung kann zu einer größeren Gleichbehandlung von Projekten führen, die momentan aufgrund der unterschiedlichen Popularität von Themen und Klienten nicht gegeben ist

Welche Argumente zählen die Forscher gegen die Wirkungsmessung auf?

1. Nonprofits werden zu strategischem Verhalten, das auf Effektivität zielt, animiert.
2. Der Zwang zu möglichst hohem impact schränkt die Risikofreude und die Lust am Experimentieren und damit auch die Lernmöglichkeiten ein.
3. Wenn die Wirkungsmessung von externen Partnern verlangt wird – von Spendern, Stiftungen, dem Staat – dann werden Nonprofits Indikatoren aufgezwungen, die sie selbst für ihre Arbeit niemals wählen würden. Polonsky und Grau sprechen von dem Gefühl Gemeinütziger, “that they are being micro-managed by major funders” (2011, S. 198).
4. Werden die Ergebnisse der Wirkungsmessung veröffentlicht oder wird ein Ranking erstellt, dann müssen Einrichtungen mit geringem impact mit einem Abfluß von Spendenmitteln rechnen.

Polonsky und Grau stellen die populärsten Ansätze, die zur Wirkungsmessung in der Praxis benutzt werden, vor. Das Problem ist, dass die Ansätze sich sehr voneinander unterscheiden und insofern auch die Messergebnisse untereinander nicht vergleichbar sind. Jeder Ansatz verfolgt eine ganz bestimmte, eingeschränkte Perspektive, die der Multidimensionalität von Nonprofits nicht gerecht wird.

Der ROI (Return on Investment) fokussiert auf die Finanzströme in gemeinnützigen Organisationen. Untersucht wird, welcher finanzielle Mehrwert den Investitionen gegenüber steht. Der SROI (Social Return on Investment) untersucht auch Finanzströme, bezieht aber die Kosten und den outcome für die unterschiedlichen Stakeholder mit ein. Der QIA (Qualitative Impact Approach) konzentriert sich auf die qualitative Erhebung der Leistungsfähigkeit einer Organisation bzw. ihrer capacities.

Aus den Ausführungen der Forscher über die drei Messmethoden lässt sich ihr jeweiliges Profil bestimmen:

 

 

 

 

 

 

Häufig wird versucht, die Ansätze zu kombinieren und quantitative und qualitative Messmethoden zusammenzubringen. Dennoch wird es unmöglich sein, von “oben herab” ein Messmodell zu entwickeln, das alle befriedigt – zu unterschiedlich sind die Auffassungen darüber, was der Dritte Sektor leisten soll, welche Wirkungen erwünscht sind und wie man diese am Besten analysieren kann.

Holger Kimmer vom Projekt Zivilgesellschaft in Zahlen regt an, in den Wirkungsanalysen über den Nonprofit-Bereich neben Effizienz und Effektivität auch die zivilgesellschaftlichen Aktivitäten einer gemeinnützigen Organisation bzw. ihre demokratische Leistungsfähigkeit zu berücksichtigen. Wie könnte dies jenseits von top-down-Konzepten realisiert werden?

Man müsste vor Ort in den Einrichtungen die Evaluationskriterien mit den unterschiedlichen Stakeholdern gemeinsam erarbeiten. Die Rolle der Freiwilligen wäre es, hier die bürgerschaftliche Perspektive in die Diskussion einzubringen. Die dezentral und kollaborativ erarbeiteten Evaluationskriterien müssten dann auf Sektorebene zu einem Katalog zusammengefasst werden, der wiederum auf die lokale Ebene wirkt. Man könnte so die Pluralität der Perspektiven – auch die zivilgesellschaftliche – besser in der Evaluation abbilden, als dies top-down-Konzepte leisten.

Die Evaluationskriterien der Stakeholder könnte eine Organisation im Rahmen eines World-Cafés oder einer Open Space-Veranstaltung abfragen, – siehe meinen letzten Blogbeitrag über “Führung in Vereinen, – vom ‘Held’ zum ‘Gastgeber'”.

Zusätzlich könnte der Dritte Sektor bzw. könnten die großen Verbände auch online eine öffentliche Diskussion darüber anstoßen, was Bürger von Nonprofits erwarten, was ihnen ganz besonders wichtig ist und welche Kriterien sich für eine Messung des impacts eignen könnten.

Mehr Öffentlichkeit und Bürgerbeteiligung wird aber gescheut von den großen Trägern. Sie bevorzugen Gespräche hinter verschlossenen Türen und “untereinander” (UA 2011, S. 13), statt mit den Bürgern. Dabei ist Transparenz das A und O, wenn es um Evaluation geht. Evaluationskriterien und -abläufe müssen offengelegt werden, damit jeder beurteilen kann, auf welcher Grundlage und durch wen der impact eines Trägers gemessen wurde.

Gemeinnützige Organisationen fühlen sich gegenüber Akteuren wie PHINEO in der Defensive – die Diskussion im oben erwähnten Unterausschuss belegt dies. Nonprofits sollten in der Tat selbst aktiv werden und Wirkungsansätze entwickeln, die ihren Vorstellungen und ihrer Komplexität besser entsprechen, – aber nicht hinter verschlossenen Türen, sondern gemeinsam mit ihren (Bürger)Stakeholdern.

Führung in Vereinen – vom “Held” zum “Gastgeber”

Eine Bewegung formiert sich weltweit, die herkömmliche Führungsmethoden verändern will. “The Art of Hosting” zielt darauf ab, das Wissen, die Kreativität und die Mitwirkung des Umfelds einer Organisation zu nutzen. Statt Entscheidungen ohne Teilhabe des weiteren Stakeholder-Kreises zu treffen – in der Art des “einsamen Helden” (Hero) – sollen alle, die von einem Thema tangiert sind, Partizipationsmöglichkeiten erhalten. Die Methode, als “Gastgeber” (Host) zu agieren, der Bürger und andere Einrichtungen zum Mitdenken und Mitmachen einlädt, beruht auf der Erfahrung, “that people will only support those things they’ve played a part in creating” (Frieze/Wheatley 2011, 3).

Welches Potential die Einbeziehung von Betroffenen für Organisationen und die kommunale Ebene birgt, zeigt ein Aufsatz von Frieze/Wheatley (2011), die über Columbus, die Hauptstadt von Ohio/USA, berichten (via Michelle Martin). Dort wenden viele Institutionen – die Universität, die Kommunalverwaltung, die örtliche Ärztevereinigungen und Nonprofits wie Obdachlosen- und Jugendhilfeeinrichtungen sowie die regionale Lebensmittelhilfe (Foodbank)- den crowdsourcing-Ansatz an, der das Engagement und das Wissen von Betroffenen abrufen will.

Man nutzt dafür Methoden wie World Cafés, Gesprächskreise und Open Space-Technologien, bei denen jeder einen Input liefert.

So hat bspw. die regionale gemeinnützige Lebensmittelhilfe in Columbus mit der traditionellen, hierarchischen Art der Entscheidungsfindung gebrochen und 2005 hundert Stakeholder zu einem World Café eingeladen um die Frage zu klären, wie es der Einrichtung gelingen kann, nicht nur reaktiv mit dem Thema Armut und Hunger umzugehen, sondern etwas an den Ursachen dieses Problems zu verändern.

Die Ergebnisse dieses World Cafés, das die Ideen der Beteiligten abrief, führte u.a. dazu, dass sich die Lebensmittelhilfe für eine wohnortnahe Nahrungsmittelproduktion einsetzt, Community- Gärten anlegt und die örtlichen Tafeln so gestaltet, dass die Bürger, die Hilfe brauchen, Wahlmöglichkeiten erhalten (Frieze/Wheatley 2011).

Der kooperative Ansatz, Stakeholder in die Entscheidungsfindung einzubeziehen, wird von der Lebensmittelhilfe in Columbus in allen Bereichen genutzt – im Fundraising, bei Besprechungen des Führungspersonals und im Vorstand. Dazu Matt Habash, der Präsident und CEO der Foodbank: “I don’t hardly talk at board meetings anymore (…) I used to run them – you know, the world according to Matt. Instead, we move to a strategic level of conversation by using Café or sitting in circle” (Frieze/Wheatley 2011, 6).

Die Notwendigkeit, dass gemeinnützige Organisationen sich nach außen hin öffnen und das Wissen der Bürger und anderer Institutionen auf lokaler Ebene stärker nutzen, wird auch von der Wissenschaft bestätigt, derzufolge die Fähigkeit, über organisationale Grenzen hinweg zu arbeiten, an Bedeutung gewinnt. Das Selbstverständnis der Führungskräfte muss sich vom Fokus auf die eigene Organisation hin zum Netzwerk aus Bürgern und Einrichtungen entwickeln, die mit der eigenen Organisation verbunden sind (vgl. Paarlberg/Varda 2009, 609). Im letzten Blogbeitrag (“Vereine brauchen mehr Demokratie und Netzwerke”) habe ich schon erwähnt, dass die Fähigkeit zum Ressourcenaustausch wichtiger wird als der eigene begrenzte Ressourcenpool, – dies gilt speziell für den Bereich des Wissens.

Bezieht man Bürger in die Entscheidungsfindung mit ein, kann man mit mehr Unterstützern rechnen, – eine Perspektive, die insbesondere für Vereine, die mit dem Rückgang von ehrenamtlichem Engagement und der Bereitschaft zur Amtsübernahme konfrontiert sind, interessant ist. So wird es auch möglich, sich neue Unterstützerkreise zu erschließen. In diesen Tagen erst war zu lesen, dass die Diakonie zwar viele ehrenamtliche Helfer hat, die meisten aber über 60 Jahre alt sind. Zu wenig wurde unternommen, um junge Menschen oder mittlere Altersgruppen zu gewinnen. Verbände und Vereine müssen für “attraktivere Arrangements” (Röbke 2011) in ihrem Verbands- und Vereinsleben sorgen, – das Abrufen des Stakeholderwissens könnte ein guter Schritt dahin sein.

Häufig bilden das professionelle Selbstverständnis und der Unwille, an den bestehenden Macht- und Entscheidungsstrukturen etwas zu ändern, die größten Hindernisse auf dem Weg zu mehr Bürgerbeteiligung. Dies werden deshalb auch die größten “Baustellen” sein, an denen Gemeinnützige arbeiten müssen, wollen sie mehr Bürger zum Mitmachen gewinnen.

Die Art of Hosting-Community und die Open Space-Bewegung sind davon überzeugt, dass Bürger-Wissen wichtig ist und sich durch die gemeinschaftliche Bearbeitung von Themen komplexe Probleme eher lösen lassen als durch die traditionelle “Hero”-Vorgehensweise, bei der die Leitung Entscheidungen fällt, – ohne das Umfeld der Mitglieder, der Ehrenamtlichen, der Freunde und Unterstützer ausführlicher einzubeziehen.

Soziale Medien können die sogenannten “Co-Creation” (oder Koproduktions)- Prozesse unterstützen, – es gibt unzählige Tools, mit deren Hilfe man online zusammenarbeiten kann, – ein kleiner Überblick findet sich hier. Auch World Cafés selbst können online durchgeführt werden, – allerdings wird hier noch experimentiert, welches Tool bzw. welche Plattform sich am besten eignet, siehe diverse Erfahrungsberichte hier und hier.