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Vom Fundraising zum Resource-raising

Schon in der Vergangenheit habe ich mich kritisch mit der Tendenz des Fundraising auseinandergesetzt, Unterstützer von gemeinnützigen Organisationen auf die Rolle von “Geldspendern” zu reduzieren, – und all die anderen Ressourcen auszublenden, die von Stakeholder-Seite in Sozialeinrichtungen eingebracht werden können.

Eine Studie von Caroline Beaumont, die im Rahmen des britischen Clore Social Leadership Programme entstand und im Juli erschien, fordert gemeinnützige Organisationen nun auf, ihren Blick vom Fundraising hin zum Resource-raising zu lenken. In einem Schaubild zählt sie die Ressourcen auf, die für Nonprofits eine wichtige Rolle spielen können:

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Quelle:Caroline Beaumont (Juli 2011): From Fundraising to Resource-Raising, S. 10

Jede Organisation sollte sich für ihre Bedarfe einen ganz individuellen Ressourcenmix zusammenstellen. Viele Organisationen legen sich aber viel zu früh auf eine oder zwei Ressourcen fest und schränken so ihre Akquise ein.

Gemeinnützige Einrichtungen können in der Regel ihren finanziellen Bedarf gut identifizieren, – viel weniger genau aber ihre nicht-monetären Bedürfnisse (Beaumont, 13). Von den 76 für die Studie befragten Sozialorganisationen haben 80% keine Resource-raising-Strategie im Hinblick auf nicht-monetäre Ressourcen, sondern entscheiden von Fall zu Fall, mit dem Risiko, als “grateful receiver of anything that’s free” zu enden (S. 49). Die Professionalisierung des Fundraising gibt Beaumont zufolge keine ausreichende Antwort auf die Frage, welche Strategien und Fertigkeiten notwendig sind, um nicht-monetäre Ressourcen zu gewinnen (eine Ausnahme bildet der Bereich des volunteering)(S. 12).

Mit Sach- und Dienstleistungsspenden haben Sozialorganisationen in der Regel mehr Schwierigkeiten als mit Geldspenden. Als Nachteile werden genannt: Qualitätsprobleme, mangelnde Verlässlichkeit, mangelnde Nachhaltigkeit, ein Kontrollverlust seitens der Organisation, versteckte Kosten, ein hoher Zeit- und Managementaufwand (S. 5 und 9).

Der befürchtete Kontrollverlust seitens der Organisation spielt – aus anderer Perspektive betrachtet – auf die Gestaltungschancen an, die gespendete Dienstleistungen und gespendetes Wissen und Fertigkeiten den Stakeholdern von gemeinntzigen Einrichtungen eröffnen. Zwei der empirischen Beispiele, die Beaumont schildert, zeigen das Koproduktions-Potential auf, das in nicht-monetären Ressourcenspenden liegt. So arbeitet bspw. Transaid – eine NPO, die sich um die Verbesserung des Transportwesens in Entwicklungsländern bemüht – inhaltlich eng mit Fachleuten aus der Transportindustrie zusammen, die Fahrzeuge und Ausbilder für die Schulung von Fahrern in Tansania stellen. Und Macmillan Cancer Support entwickelte gemeinsam mit der Frisörkette Toni&Guy ein Trainingsprogramm für Frisöre, das diese in der Beratung und im Umgang mit Krebspatienten schult.

Unterstützer von gemeinnützigen Organisationen wollen nicht nur spenden, sie wollen partizipieren. Das Resource-raising ruft die Kompetenzen und Leistungen von Unterstützern ab und beschränkt sich nicht auf die Akquise finanzieller Mittel, die – wenn die Summen nicht sehr hoch sind – zumeist keine Beteiligungschancen eröffnen. Voraussetzung für das Resource-raising ist die Wertschätzung der vielseitigen Potentiale von Stakeholdern und die Entwicklung von organisationalen Strategien, um die Stakeholder-Ressourcen auch abrufen zu können.

Was wissen wir über den Dritten Sektor in unserem Land?

Die Datenlage über den Dritten Sektor in Deutschland ist miserabel. Daten liegen nur bruchstückhaft vor und sind häufig veraltet. Der letzte Versuch, den Dritten Sektor zu vermessen, fand 1995 im Rahmen des “John Hopkins Comparatve Nonprofit Sector Project” statt. Dessen Ergebnisse habe auch ich häufig zitiert, z.B. im Hinblick auf die Finanzierung der sozialen Dienste mit einem Anteil öffentlicher Mittel in Höhe von 66% (siehe Zimmer/Priller 2004, 61).

Seit dieser letzten Erhebung von 1995 sind mehr als fünfzehn Jahre vergangen. Obwohl Nonprofit-Organisationen eine so wichtige Rolle in den unterschiedlichsten Bereichen unserer Gesellschaft spielen, wissen wir zu wenig über ihre Anzahl und ihre Größe, über ihre Einnahmen und Ausgaben, über ihre Leistungen und ihren demokratischen Mehrwert. Staatliche und private Förder- oder Kürzungsentscheidungen basieren folglich auf sehr unvollständigen Informationen über den Dritten Sektor. Aber auch die gemeinnützigen Organisationen selbst verfügen so über zu wenig Datenmaterial für Vergleiche untereinander, für ihre Planungen und für Forderungen an die Politik.

Das Projekt “Zivilgesellschaft in Zahlen”, getragen u.a. vom Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft, will diese eklatanten Datenlücken nach und nach schließen und ein “Informationssystem Zivilgesellschaft” aufbauen, das fortlaufend aktualisiert wird und in seiner Methodik auf UN-Vorgaben basiert, um die gesammelten Dritte Sektor-Daten international vergleichbar zu machen.

Veröffentlicht wurde nun im Rahmen des Projekts der Bericht “Daten zur Zivilgesellschaft” mit einer “Datenlandkarte” für den Dritten Sektor in Deutschland, die für elf Nonprofit-Bereiche die Datenlage aufzeigt. Hier (aus Platzgründen) nur ein Ausschnitt aus der Tabelle:

Datenlandkarte

Quelle: Norman Spengler/Jana Priemer: Daten zur Zivilgesellschaft. Eine Bestandsaufnahme, Edition Stifterverband 2011, Seite 15

Die grünen Felder bedeuten: es existieren Teildaten (valide, frei verfügbar und regelmässig aktualisiert). Die gelben und orangenen Felder stehen für vorhandene Daten für die Gesamtgruppe oder für Teilbereiche der Gruppe, die aber zum Teil nicht auf die Ebene der NPOs heruntergebrochen werden, zum Teil methodisch suboptimal und zum Teil auch nicht frei verfügbar sind. Und die roten Felder bedeuten, dass es bezüglich dieser Variablen keine Daten gibt.

Die ersichtlich mangelhafte Informationslage führt zu großen gesellschaftlichen Wissenslücken. “Für den Bereich Bildung und Forschung beispielsweise stehen allein 16 Datenquellen zur Verfügung. Trotzdem kann dieser Bereich noch nicht einmal genau quantifiziert werden. Weder die genaue Anzahl von Schulen in freier Trägerschaft noch die sonstiger Bildungseinrichtungen, die dem Dritten Sektor angehören, sind derzeit bekannt” (Spengler/Priemer 2011, 14). Im Umweltbereich gibt es noch größere Datenlücken im Hinblick auf die grundlegensten Fragen. So weiß derzeit niemand, wie hoch z.B. die Mitgliederzahlen in deutschen Natur- und Umweltschutzorganisationen sind (ebd., 14). Im Kulturbereich fehlen u.a. Daten über die Finanzierung der gemeinnützigen Einrichtungen, – angesichts kommunaler Sparbeschlüsse wären mehr Informationen hierzu politisch sinnvoll. In den Sozialen Diensten verfügen die großen Wohlfahrtsverbände über Zahlenmaterial, das aber bezüglich Ausmaß und Verfügbarkeit stark variiert (ebd., 38). Im Bereich Internationales lautet das Fazit der Autoren: “Umfassende und valide Statistiken zu den internationalen Aktivitäten deutscher Nonprofit-Organisationen gibt es nicht” (Spengler/Priemer 2011, 31).

Aus dem Datendilemma herausführen kann auch mehr Transparenz und Kooperationsbereitschaft auf Seiten der Verbände des Dritten Sektors, wenn es darum geht, die Arbeit der eigenen Organisation durchsichtiger zu machen.

Der britische Dachverband der Freiwilligen-Organisationen NCVO macht mit dem Aufruf “Setting NCVO’s data free” und dem Voluntary Sector Datastore vor, wohin die Reise geht, nämlich hin zu mehr Transparenz, der sich auch die hiesigen Dritte Sektor-Verbände nicht verschließen können. Allerdings ist der Weg dorthin steinig. David Kane vom britischen NCVO listet in einer Präsentation die Stolpersteine von open data für Nonprofits auf: fehlende verbandliche Ressourcen und Kompetenzen für das Datenthema, mögliche Wettbewerbs- und Rufschäden durch Datenveröffentlichungen, staatliche Zwangsregelungen für open data. Je weniger die gemeinnützigen Träger das Thema “mehr Datentransparenz” aussitzen, je konstruktiver sie sich in die Debatte einbringen, umso eher können sie diese auch beeinflussen.

Gestaltungsspielraum gibt es für Nonprofits wohl auch noch im Projekt “Zivilgesellschaft in Zahlen”. Hier wird, wie oben erwähnt, dem Datenthema die UN-Systematik zugrunde gelegt, die der Logik der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung folgt. Drei Variablen-Blöcke dominieren: monetäre, strukturelle und Leistungs- und Ertragsvariablen, – also die quantitative, output-orientierte Perspektive. Welchen outcome Nonprofits haben, bleibt dadurch unbeantwortet. In der Langfassung des oben genannten Berichts seitens der Wissenschaftler ist aber zu lesen: ” Bislang finden sich im UN HANDBOOK wie auch in der Literatur keine umfangreichen Konzepte der Leistungsmessung (…). Die hier getätigten Aussagen und Konzepte können als vorläufiger Grundstock verstanden werden, der in späteren Phasen des Berichtssystems durch zusätzliche Indikatoren angereichert werden soll. An dieser Schnittstelle würden Konzepte der sozialen Wirkungsmessung von Nonprofit-Organisationen ansetzen.” (Spengler/Hubrich/Tamm u.a. 2011: Landkarte zur Datenlage Dritter Sektor/Zivilgesellschaft, 21).

Die öffentliche Einmischung in das Projekt lohnt sich also. Die Entscheidung darüber, welche Daten zusätzlich zum vorhandenen Grundstock noch erhebenswert sind, sollte nicht allein von wissenschaftlicher Seite gefällt werden. Hier sind – über die involvierten Stiftungen hinaus – auch die Ideen anderer Teile des Dritten Sektors und von Bürgern gefragt.

Bürger beteiligen und Interessen vertreten – für ein neues Selbstverständnis im Dritten Sektor

Bürger verlangen mehr Mitsprache. Angesichts dieser Entwicklung stößt das reine Dienstleistungs-Paradigma weiter Teile des Dritten Sektors an seine Grenzen. Gemeinnützige Organisationen insbesondere im Sozialbereich brauchen ein neues Selbstverständnis: sie sollten nicht nur Produzenten sozialer Dienste, sondern auch Institutionen sein, die Partizipation ermöglichen und fördern. Gestärkt werden müssten insbesondere jene Engagementformen, die nicht nur auf die einzelne Einrichtung, sondern auf das Gemeinwesen bzw. den öffentlichen Raum zielen.

Wir brauchen nicht den Rückzug und die weitere Entpolitisierung des Dritten Sektors, die mit dessen Ökonomisierung verbunden ist, sondern eine bewusste und entschiedene Hinwendung von Nonprofits zum Gemeinwesen. Notwendig ist ein Blickwinkel, der über das eigene Fachgebiet hinausgeht und die eigene Rolle in der Gesellschaft stärker reflektiert. Welche konstruktiven Aufgaben können NPOs – über ihr Dienstleistungsangebot hinaus – im 21. Jahrhundert noch für die Gesellschaft wahrnehmen? Die Beteiligung von Bürgern und die Stärkung der Interessenvertretungsfunktion zeigen hier neue Wege auf.

Das Internet ermöglicht die Einbindung von Bürgern und die Vertretung von Interessen auf einfachere und weitreichendere Weise als in der Vergangenheit. Spricht man mit gemeinnützigen Einrichtungen über Social Media, bekommt man aber häufig die Antwort, dass eine Einrichtung dem Internet zwar nicht ablehnend gegenüber stehe, aber die Nutzung von Social Media in der eigenen Organisation leider nicht möglich sei, da hierfür kein Geld, kein Personal und keine Zeit zur Verfügung stünden. Dieser Dreiklang (“kein Geld, kein Personal, keine Zeit”) schallt einem wirklich an vielen Orten entgegen.

Die Schwierigkeiten von Nonprofits, Social Media und damit Partizipations- und Interessenvertretungsmöglichkeiten zu nutzen, scheinen das Ergebnis zu bestätigen, dass der gemeinnützige Sektor Probleme hat, wenn es um die Einführung von Innovationen in das eigene Programm- und Dienstleistungsangebot geht. Die amerikanische Studie von Salamon/Geller/Mengel (2010) , für die über 400 gemeinnützige Organisationen aus dem sozialen und kulturellen Bereich befragt wurden, zeigt, dass insbesondere die schlechte Ressourcenausstattung für die Nicht-Einführung von Innovationen verantwortlich ist.

So machen 86% der befragten Einrichtungen fehlende Fördermittel dafür verantwortlich, dass Innovationen im Programm- und Dienstleistungsbereich nicht realisiert werden konnten. 74% beklagen das Fehlen von Kapital, um Innovationen durchgängig zu implementieren und nicht nur in einzelnen Modellprojekten. 70% kritisieren zu enge staatliche Programmrichtlinien, die Neuerungen nicht zuließen. 69% bemängeln, dass Stiftungen Innovationen zwar anschöben, aber nicht langfristig finanzierten. 69% machen fehlende Mitarbeiterstunden, 49% mangelndes KnowHow und 47% die fehlende technologische Ausstattung für die Nicht-Umsetzung von Innovationen verantwortlich (Salamon/Geller/Mengel 2010, 6).

Unter dieser defizitären Situation scheint auch die Einführung von Social Media im Dritten Sektor zu leiden. Online-Dialoge mit Bürgern und deren Teilhabe über das Internet kosten Zeit und Geld, setzen entsprechende Kompetenzen und eine gewisse technologische Ausstattung voraus. All dies kann in gemeinnützigen Organisationen nicht automatisch als gegeben vorausgesetzt werden.

Die Forschungsarbeit von Suárez (2009) relativiert jedoch die Bedeutung von Ressourcen, wenn es um die Einführung von Social Media im gemeinnützigen Sektor geht. Seine empirische Studie (mit 200 geführten Interviews) zeigt, dass im Fall von Online-Beteiligungsangeboten von gemeinnütziger Seite die Mission und das Selbstverständnis einer Einrichtung die entscheidende Rolle spielen, – und nicht die jeweilige Ressourcenausstattung. Wie wichtig nimmt eine gemeinnützige Organisation die Forderungen nach mehr Transparenz und bürgerschaftlicher Teilhabe? Inwieweit begreift sich eine Organisation nicht nur als sozialer Dienstleister, sondern auch als “Policy Entrepreneur”?

Weniger als 3% der gemeinnützigen Dienstleister in den USA betreiben eine aktive Interessenvertretung (Suárez 2009) und die, die sich als aktive Lobbyisten begreifen, verhalten sich angesichts staatlicher Regulierungen und Förderpolitiken sehr vorsichtig. Menschenrechts- und Umweltgruppen machen jedoch erfolgreich vor, wie gut e-advocacy und e-participation miteinander verbunden werden können. Und welch wichtige Rolle die Kampagnenfähigkeit von gemeinnützigen Organisationen spielt, wenn sich ein Träger nicht nur als soziales Unternehmen, sondern auch als bürgerschaftlicher Akteur begreift, der eine Brücke zwischen dem einzelnen und dem Gemeinwesen bzw. dem öffentlichen Raum bildet.

In Deutschland versucht die re:campaign als gemeinnützige Fachkonferenz, Nonprofits im Online-Campaigning zu schulen. Viele interessante Vorträge und Workshops wird es am 16. und 17. April in Berlin geben. Best Practices aus Deutschland und der ganzen Welt, Online-Strategien, Monitoring und Beteiligungsmöglichkeiten an Kampagnen werden gezeigt und diskutiert werden.

Wichtig ist aber, dass man über den instrumentellen Blick auf Kampagnen hinaus – einer Gefahr, der manche Campaigner erliegen – im Blick behält, welche Veränderungen im Selbstbild einer Einrichtung das Campaigning voraussetzt und welche Umdefinition der Rolle des Dritten Sektors in unserer Gesellschaft durch die Stärkung der Interessenvertretungsfunktion notwendig wird. Gemeinnützige Dienstleister werden zu aktiven Mitgestaltern unseres Gemeinwesens und – ganz wichtig – unserer Demokratie. Sie übernehmen die Rolle von “laboraties for citizenship” (Suárez 2009, 270) indem sie Bürger durch Teilhabemöglichkeiten ermächtigen, eine aktive Rolle in unserer Gesellschaft zu spielen.