Kategorie-Archiv: soziale Dienste

Bürger statt Klienten: mehr Mitbestimmung für behinderte Menschen

Dieser Artikel bildet den Auftakt einer 3-teiligen-Serie zum Thema “Partizipation behinderter Menschen”. Im nächsten Beitrag befasse ich mich mit ihrer digitalen Teilhabe (23.1.), danach mit der Frage des freiwilligen Engagements von Bürgern mit Behinderungen (30.1.). Ich freue mich über Feedback!

Im Bereich sozialer Dienste ist die politische Partizipation von Bürgern, d.h. deren Mitbestimmung an der Ausgestaltung von Programmen, Infrastruktur und Dienstleistungen, kein prominentes Thema. Während die Kinder- und Jugendhilfe hier schon weiterentwickelt ist, scheint Partizipation gerade im Feld von Behinderung “ein relativ neues Thema zu sein”, wie Iris Beck in einem Beitrag in der Teilhabe 1/2013 schreibt. Ihr zufolge ist die politische Partizipation in der Behindertenhilfe “weder in der Fachdiskussion noch in den Strukturen der professionellen Angebote als Handlungs- und Strukturprinzip” verankert (Beck 2013, 7f).

Zwar würde das zuständige Gesetzbuch (SGB IX) auf Mitbestimmung abzielen, aber die Impulse des Gesetzes “kommen (..) noch nicht in der Praxis an” (ebd., 8). Auch die in manchen Gemeinden vorhandenen Runde Tische oder die kommunale Teilhabeplanung für behinderte Menschen bringen oftmals die Mitbestimmung nicht wirklich voran, weil ihnen Verbindlichkeit fehlt oder die Ergebnisse zu wenig mit anderen Bereichen koordiniert werden (ebd., 9). Auch der Nationale Aktionsplan der Bundesregierung zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention (BRK) gibt dem Thema ‘Mitbestimmung’ keinen zusätzlichen Schub. Vielmehr wurde der Aktionsplan selbst wegen der mangelhaften Beteiligung von Behindertenorganisationen kritisiert (BRK-Allianz 2013, 5). Partizipation in all ihren Facetten steht aber im Zentrum der Behindertenrechtskonvention, die dem Leitbild folgt “Nothing about us without us”.

Es wäre wichtig, die Rechte Behinderter offensiver in ihr Verhältnis zum Staat, den sozialen Diensten und zum Gemeinwesen einzubringen. Ihr Status als Bürger – und nicht als Klient oder Hilfsempfänger – müsste noch stärker betont und gefestigt werden. Nicht um neue Hürden für jene aufzubauen, die keine Staatsbürger sind. Sondern um die politische und partizipative Dimension der Menschenrechte zu betonen, die nicht nur Abwehrrechte sind (“Freiheit von”), sondern auch das Recht sozialer und politischer Teilhabe umfassen (“Freiheit zu”). Alle Nutzer sozialer Dienste haben das Problem, dass sie zumeist als Klienten oder Kunden, aber nicht als mitentscheidungsfähige Bürger betrachtet werden. Während diese Praxis in manchen Bereichen hinterfragt wird, scheint die Behindertenhilfe hiervon noch ausgenommen zu sein (s. oben).

Die Mitsprache von behinderten Bürgern – und Bürgern allgemein – im Sozialsektor ist nur möglich, wenn sich die Rahmenbedingungen in den Diensten und in der politischen Steuerung verändern. Es muss der Schritt von der hierarchischen zur partizipativen Steuerung unternommen werden, der die Bürger-Nutzer in den Mittelpunkt stellt und nicht die Bedarfe der Organisation. Momentan sind Selbst- und Mitbestimmung behinderter Menschen im Sozialbereich nicht oder nur eingeschränkt möglich:

  • BürgerInnen sind an den Leistungs- und Preisverhandlungen zwischen Staat und sozialen Diensten nicht beteiligt (oder in der Minderheit)
  • das Persönliche Budget, das Selbstbestimmung erlaubt, wird nur von einer Minderheit bezogen
  • der Mehrkostenvorbehalt der Kostenträger verhindert die freie Wahl der Wohnform
  • es fehlen sozialräumliche Assistenzangebote
  • in stationären Einrichtungen kommt es durch die Sparpolitik zum Qualitätsabbau

Auch in Großbritannien macht man sich Gedanken darüber, wie man die Partizipation behinderter Bürger stärken und ihnen mehr Gestaltungsmöglichkeiten verschaffen kann. Inspiriert von einer nef-Studie (2012,11) habe ich das folgende Schaubild entworfen. Es verdeutlicht, dass die Rolle der Bürger-Nutzer bei der Programmformulierung gestärkt werden muss. Es zeigt aber auch, dass Dienste aus ihrem strengen Korsett, das ihnen die staatliche Steuerung auferlegt, befreit werden müssen (siehe meinen letzten Blog-Beitrag). Sie brauchen die Chance, flexibel, gemeinwesen- und outcome-orientiert arbeiten zu können und brauchen die Mittel, um Partizipationsprozesse umzusetzen. Gleichzeitig müssen Dienste ihre binnenorientierte Sicht der Dinge aufgeben und sich stärker dem Gemeinwesen zuwenden. Eine eigene Trägerphilosophie sollte nicht die Kooperation und wechselseitige Abstimmung mit anderen Akteuren verhindern. Vielmehr geht es darum, nach Gemeinsamkeiten zu suchen und Entscheidungsprozesse zu dezentralisieren, um passgenaue Lösungen bezogen auf den Stadtteil und Nutzer finden zu können.

Hierarchische-vs-partizipative-Steuerung-im-Sozialsektor

 

 

 

 

 

 

 

 

Wichtig ist die Unterstützung von Bürgern bei Partizipationsprozessen. Alle profitieren von politischer Bildung, einem Mitmach-Training, barrierefreier Information und Sprache, der Unterstützung durch Peers und einer Förderung der Selbstvertretung. Menschen mit Behinderungen brauchen darüber hinaus noch Assistenzangebote, um Mitmach-Möglichkeiten auch tatsächlich ergreifen zu können.

 

Staat und freie Wohlfahrtspflege – ein problematisches Verhältnis

Das Verhältnis zwischen Staat und gemeinnützigen Organisationen ist aktuell von Problemen geprägt. Mittelkürzungen, strengere Vergabekritierien für öffentliche Gelder, Verringerung inhaltlicher Handlungsspielräume, zu starke Steuerung und Kontrolle, Vereinnahmung als Dienstleister, – das sind die staatlich forcierten Entwicklungen, unter denen speziell die freie Wohlfahrtspflege leidet (Droß/Priller 2013). Das Bundesnetzwerk Bürgerschaftliches Engagement (BBE) hat dem belasteten Verhältnis zwischen Staat – Drittem Sektor – Zivilgesellschaft erst kürzlich einen Themenschwerpunkt im BBE-Newsletter gewidmet, der einen guten Überblick über die aktuellen Forschungsergebnisse und Diskurse zum Thema gibt.

Wie sich die Probleme zwischen Staat und freien Trägern im Alltag am Beispiel der Behindertenhilfe auswirken, macht ein Beitrag von Walter/Raß (2013) in der Zeitschrift für Sozialwirtschaft deutlich, der auch auf der ConSozial diskutiert wurde. Die Autoren sehen einige Stolpersteine, die die Zusammenarbeit zwischen öffentlichen Kostenträgern und Nonprofit-Organisationen in diesem Hilfefeld prägen:

  1. Der Preiswettbewerb verdrängt den Qualitätswettbewerb. Unter Qualität wird immer häufiger nur ein Mindeststandard verstanden. Innovative Dienste werden in vielen Regionen von ihren Kostenträgern ausgebremst. In der Fläche gibt es zu wenig Anreize für die Dienste, ihr Angebot effektiver oder innovativer zu gestalten, da dieses Engagement von den Kostenträgern nicht honoriert und als “mehr Arbeit” empfunden wird. Speziell in der Behindertenhilfe vermissen die Autoren in vielen Regionen den politischen Gestaltungswillen der Kostenträger, der notwendig wäre, um die UN-Behindertenrechtskonvention umzusetzen, die auf Inklusion zielt. In diesen Regionen wird die Teilhabe von öffentlicher Seite nicht forciert, so dass die Teilhabe-Landschaft sich in Deutschland immer mehr zu einem “Flickenteppich” entwickelt, mit ganz unterschiedlichen Chancen für die Realisierung von Inklusion (Walter/Raß 2013, 13).
  2. Der bürokratische Aufwand für die Sozialeinrichtungen nimmt erheblich zu aufgrund von mehrfachen und unterschiedlichen Dokumentationspflichten. Jede Behörde, mit der eine Einrichtung in der Behindertenhilfe zusammenarbeitet, – und sie ist mit dutzenden von Behörden in Kontakt (am Beispiel einer Behindertenwerkstätte sind dies 60-90 Ämter u.a. Bundesanstalt für Arbeit, Krankenversicherung, Pflegeversicherung, Sozialhilfeträger, Landesamt für Versorgung, Berufsgenossenschaft, Brandschutzbehörden, Landesbehörden, Baubehörden, Gewerbeaufsicht, kommunale Behörden, Integrationsamt usw.), – jede dieser Behörden hat ihre eigenen Qualitätsvorgaben und Prüfmethoden, denen die Sozialeinrichtung Rechnung tragen muss. Dazu kommen noch die unterschiedlichen Messverfahren, um den personenbezogenen Hilfebedarf zu erfassen. Hier herrscht keine Einigkeit zwischen Staat und freien Trägern. Im Gegenteil: die Messung des Hilfebedarfs und des notwendigen Personaleinsatzes sind ein Quell unendlicher Diskussionen zwischen Kostenträgern und der Sozialeinrichtung, die viele Ressourcen bindet (ebd., 14).
  3. Angesichts der staatlichen Regulierung ist es schwierig, inklusive Projekte in der Praxis umzusetzen, da hier erhebliche administrative Probleme auftauchen. Werden Kinder mit und ohne Behinderung gleichzeitig betreut, gelten für beide Gruppen ganz unterschiedliche Personalschlüssel und räumliche Vorgaben. Die Sozialeinrichtung muss gegenüber der staatlichen Aufsichtsbehörde sicherstellen, dass die unterschiedliche Leistungsbemessung exakt umgesetzt wird, – in einem inklusiven Projekt, das den Anspruch hat, Menschen zusammenzubringen und nicht zu trennen (ebd., 14). Heinze (2013) redet angesichts des hohen Regulierungsgrades im Sozialsektor von der “frozen welfare state”-Landschaft, die integrative Angebote erschwert.

Die geschilderten Rahmenbedingungen führen laut Klenk (2013) zu einer “institutionellen Auszehrung” des Dritten Sektors, d.h. zu einem Verlust von Autonomie, Ehrenamt und Glaubwürdigkeit gemeinnütziger Organisationen.

Wie kann der Dritte Sektor gegenüber dem Staat gestärkt werden? Zwei Bausteine werden wichtig: mehr Teilhabe und mehr Transparenz.

Walter/Raß (2013) weisen selbst daraufhin: die Nutzer sozialer Dienste, hier: der Behindertenhilfe, sind an den Preisverhandlungen zwischen öffentlicher Hand und freier Wohlfahrtspflege nicht beteiligt. Letztere kann sich mit ihren Vorstellungen gegenüber öffentlichen Kostenträgern nicht durchsetzen. Mehr Durchsetzungsvermögen könnten hier die Nutzer entwickeln, die mangelnde Qualität und Rationierungen am eigenen Leib erfahren. Die freie Wohlfahrtspflege sollte mehr Nutzer-Teilhabe in der Politikformulierung und in Leistungs- und Preisverhandlungen deshalb nicht als Störfaktor begreifen, sondern als Chance für ein Bündnis, um Interessen gegenüber staatlichen Akteuren besser durchsetzen zu können.

Ein weiterer wichtiger potentieller Bündnispartner, der bisher von der freien Wohlfahrtspflege vernachlässigt wird, ist die Öffentlichkeit bzw. sind die Bürger selbst, die es verstärkt anzusprechen gilt. Eine wichtige Voraussetzung hierfür ist mehr Transparenz: Bürger müssen von Problemen und Mißständen, wie den oben geschilderten, erfahren. Solange die freie Wohlfahrtspflege versucht, die Probleme ausschließlich hinter verschlossenen Türen, gemeinsam mit ihren staatlichen Partnern, zu besprechen, wird sich nichts grundlegend ändern. Oder anders gesagt: die Reform des Dreiecksverhältnisses aus Staat, freier Wohlfahrtspflege und Bürger-Nutzern können Nonprofits nicht alleine schultern, – sie brauchen dazu den offenen Diskurs mit Bürgern, um neue Mehrheiten zu bilden.

Auf der ConSozial wurde dieser Vorschlag in die Diskussion eingebracht, wurde aber von der Führungsebene eines Verbandes zurückgewiesen mit der Begründung: die Sachlage im Wohlfahrtsbereich bzw. das angesprochene Dreiecksverhältnis sei zu kompliziert, als dass Bürger dies verstehen könnten und entsprechende Debatten auf größeres Interesse in der Bürgerschaft oder unter Journalisten stoßen würden. Man solle deshalb bitte Verständnis dafür haben, dass Reformen in den bewährten Gremien zwischen freien Trägern und Staat ausgehandelt werden müssten.

Vielleicht ist es diese Haltung, die Bürgern die Solidarität mit den großen Wohlfahrtsverbänden schwierig macht. Mehr Transparenz auf verbandlicher Seite könnte dagegen neue Bündnisse zwischen freier Wohlfahrtspflege und der Zivilgesellschaft schmieden.

Von sozialen Diensten wird die Prüf- und Kontrollwut des Staates beklagt, hinter der die Annahme stehe, dass in eine Einrichtung “Qualität und Transparenz quasi ‘hineingeprüft’ werden können” (Walter/Raß 2013, 14), – Transparenz “hineinprüfen” kann man nicht wirklich, – aber was ist die Alternative dazu, wenn sich die freien Träger nicht von sich aus mehr nach außen hin öffnen?

 

Freiwilliges Engagement attraktiver machen – Auswertung der 26. NPO-Blogparade

Anlässlich der Woche des bürgerschaftlichen Engagements, die alljährlich vom BBE organisiert wird, luden Hannes Jähnert und ich zu einer neuen Runde der NPO-Blogparade ein, bei der wir die Frage zur Diskussion stellten “Freiwilliges Engagement attraktiver machen – aber wie?!”

Hannes’ Hoffnung, die Wochen des bürgerschaftlichen Engagements ins Netz zu holen, konnten wir mit der Blogparade nicht einlösen. Trotz Verlängerung blieben Beiträge aus den Kreisen des BBE und der Landesfreiwilligenagentur Berlin aus, so dass der sich entwickelnde Diskurs nicht über den Kreis der Blogosphäre hinausging. Dafür aber kamen aus unserem Blogger(innen)-Netzwerk einige sehr gute Beiträge. Beiträge, die ein Schlaglicht auf die vielen konstruktiven Ideen zum Thema werfen.

Wie kann man freiwilliges Engagement attraktiver machen?

Durch “Liquid Engagement”, – das war der Vorschlag von Stefan Zollondz. Unter Liquid Engagement versteht er “eine flexible Form der Beteiligung innerhalb der Bürgergesellschaft. Die Person, die sich liquid engagiert bringt ihr spezifisches Wissen selbstbestimmt an Stellen ein, wo sie einen hedonistisch geprägten Handlungsbedarf sieht. Dabei kommt es im besten Fall zu einer temporären Identifikation mit dem Empfänger des Engagements.” Für Organisationen ist es folglich wichtig, ganz unterschiedliche Andock-Möglichkeiten für das sie ‘umfliessende’ Bürgerengagement zu schaffen. Wie dies praktisch funktionieren kann, lässt sich bei Campact-Kampagnen beobachten, die Bürger in dezentralisierte, selbstorganisierte Events einbinden, – Carsten Direske beschreibt solche “decentralised events” im Campact-Blog.

Für Hannes Jähnert ist es wichtig, dass Bürgerinnen und Bürger ihre individuellen Kompetenzen im Rahmen eines Freiwilligenengagements weiterentwickeln können. Dabei sollten die Herausforderungen im Zeitverlauf immer anspruchsvoller werden, damit keine Langeweile aufkommt. Lisa Schürmann wies in ihrem Kommentar zu Hannes’ Beitrag daraufhin, wie wichtig es für Nonprofits sein muss, auch “ungewollte” Kompetenzen einbinden zu können, – das weiterzuentwickelnde Kompetenzthema also aus Bürgersicht und nicht nur aus der Perspektive der Organisation zu betrachten.

Engagement muss kritisch, attraktiv und/oder einfach umzusetzen sein, schreibt Julia Russau in ihrem Beitrag – es muss sich also für oder gegen etwas richten, das man “unbedingt verändern möchte”, dabei die “bessere” Alternative zu konkurrierenden Freizeitangeboten und außerdem möglichst einfach zu realisieren sein: “Wer Freiwillige gewinnen will, darf nicht darauf warten, dass die Freiwilligen von sich aus kommen. Im Gegenteil: Organisationen müssen Freiwillige gezielt ansprechen und Angebote so platzieren, dass sie für die Freiwilligen unübersehbar und mit einem möglichst geringen Aufwand verbunden sind”.

Tauschnetzwerke im Freiwilligenengagement könnten die Attraktivität des Ehrenamts steigern, – diese Idee brachten Martin Horstmann und Brigitte Reiser gemeinsam ein. Mit dem eignen Engagement credits erarbeiten, die einem anderen wiederum über freiwilliges Engagement zugute kommen können – solche Tauschringe müssten überörtlich und trägerbezogen gebildet werden. Die Etablierung entsprechender Tauschringe (“weg vom Raum, hin zum Träger”) wäre Aufgabe des Freiwilligenmanagements in Organisationen.

Katarina Peranic von openTransfer.de ist überzeugt davon, dass die Präsenz des Themas Freiwilligenengagements “in den Medien, analog und digital, eine viel größere Rolle spielen müsste, um Engagement attraktiver zu machen, mentale Hürden abzubauen und Einstiege zu erleichtern.” Ihr zufolge müssten gemeinnützige Organisationen ihre Budgets für Öffentlichkeitsarbeit und Fundraising stärker bündeln und einen Pool an guten Redner/innen zum Thema aufbauen, damit das Thema stärker in den Fokus rückt. Aber auch der einzelne Engagierte sollte häufiger soziale Medien nutzen, um über sein Engagement zu berichten und seine Begeisterung in die Öffentlichkeit zu transportieren.

Das Thema ‘Geld’ schneidet auch Stefan Nährlich in seinem Kommentar an. Er geht davon aus, dass mehr Mittel – aber nicht von staatlicher Seite – die Unabhängigkeit von Nonprofits steigern können. Er verweist auf das Modell der “Percentage Philanthropy oder 1%-Philanthropie. Steuerzahler können 1-2 Prozent ihrer Einkommensteuer nicht an den Staat, sondern an eine gemeinnützige Organisation ihrer Wahl durch das Finanzamt überweisen lassen. Kein Weg der alle Probleme löst, aber die Finanzierungsbasis vergrößert” – und Organisationen mehr Spielraum gibt, um Engagement attraktiver zu machen.

Engagement braucht Pluralität – das ist ein erstes Fazit, das Brigitte Reiser aus den eingegangenen Beiträgen zieht. So vielfältig, wie die Motive und Wünsche der Freiwilligen sind, so vielfältig sollten auch die organisationalen Kontexte sein, in denen freiwilliges Engagement stattfindet. Zumeist dominiert aber in Nonprofits bezogen auf das Bürgerengagement das Dienstleistungs- und Arbeitsplatzmodell. Diese Form des Engagements (“Engagement als Beschäftigung”) kann laut Hannes Jähnert unserer Gesellschaft nicht das Sozialkapital und den Mehrwert verschaffen, den sie sich erhofft. Es kommt ihm zufolge “auf das Wie des freiwilligen Engagements an!”: statt nur Dienstleistungen zu erbringen ist Mitwirkung angesagt. Dies könnte laut Hannes auch das Band zwischen Organisation und Basis verstärken. Brigitte Reiser bringt hierfür alternative Modelle für das Freiwilligenmanagement ins Spiel: mit dem Co-Working- und Aktivismus-Modell könnte der Paradigmenwechsel von der helfenden Hand zur mitgestaltenden Kraft befördert werden.

Freiwilliges Engagement attraktiver machen – als Erkenntnis aus der NPO-Blogparade können wir mitnehmen, dass eine gemeinnützige Organisation, aber auch die lokalen Freiwilligenagenturen, an vielen Stellschrauben und Angeboten arbeiten müssen, wenn sie mehr Bürger/innen für ein Engagement gewinnen möchten. Vor diesem Hintergrund ist es unverständlich und schade, dass das Freiwilligenmanagement in unserem Land diese Pluralität der Zugänge nicht bietet, sondern allein vom Arbeitsplatz- bzw. workplace-Paradigma dominiert wird, d.h. von der Vorstellung des “Engagements als Beschäftigung”.

Kein anderer Ansatz konnte sich bisher in der Praxis durchsetzen. Das workplace-Paradigma wird Tag für Tag in zahllosen Einrichtungen und Kommunen im Freiwilligenmanagement umgesetzt und wir fragen uns, ob überhaupt im Moment konkurrierende Ansätze, die mehr Pluralität bieten, entwickelt werden? Welche Forschungsinstitute und welche Organisationen arbeiten an mehr Vielfalt im Freiwilligenengagement und -management? Dieses Thema, das im Fokus von Nonprofits stehen sollte, um Engagement attraktiver zu machen, steht offensichtlich eher am Rand.

Vielleicht kann die Skizzierung eines neuen Freiwilligenmanagements das Thema einer der nächsten NPO-Blogparaden sein…. Vorerst danken wir aber allen herzlich, die an dieser Blogparade mitgewirkt und ihr Wissen beigesteuert haben. Wir wollen versuchen, die Ergebnisse dieser Blogparade noch in einen Aufsatz zu packen, – Mitwirkende aus dieser Runde sind herzlich willkommen.

Der Twichat zur Blogparade (#npochat) findet am Dienstag, 15. Oktober, von 11-12 Uhr statt. Bis dahin gibt es vielleicht noch neue Antworten auf die Frage, wie freiwilliges Engagement attraktiver gemacht werden kann. Gerne hier in den Kommentaren, oder drüben im Blog von Hannes Jähnert, der den gemeinsamen Auswertungsartikel ebenfalls posten wird.