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Grundlagen einer Social Media-Strategie von gemeinnützigen Organisationen

In der 12. Runde der NPO-Blogparade fragt Katrin Kiefer von netzwerkPR: “Welche Schritte müssen NPOs intern vollziehen, um Social Media erfolgreich einsetzen zu können?”

Social Media ermöglichen den Dialog und die Vernetzung mit den Stakeholdern. Aber wie Katrin Kiefer richtig feststellt, werden diese Potentiale des Mitmach-Internets von vielen Nonprofits noch nicht ausgeschöpft. Häufig folgen die Web 2.0-Aktivitäten von gemeinnützigen Organisationen der Logik des Monologs: Nonprofits treten als Sender auf und verbreiten ihre Botschaft. Wie der Empfänger darauf reagiert, interessiert nicht. Insbesondere an vielen Twitteraccounts von gemeinnützigen Trägern wird diese monologische Herangehensweise an Social Media sichtbar.

Der Wille, sich mit anderen Organisationen und Individuen über das Internet oder in der realen Welt zu vernetzen, entsteht dann, wenn

  • eine Organisation das Ausmaß ihrer eigenen Ressourcenabhängigkeit kennt
  • sie ihre Ressourcenquellen ausweiten und diversifizieren möchte
  • und sie den internen und externen Akteuren zutraut, als potentielle Ressourcenquellen in Frage zu kommen. Oder anders formuliert: wenn Stakeholder nicht als bedrohlich oder vernachlässigbar wahrgenommen werden, sondern als Chance.

Nun kennen gemeinnützige Organisationen ihre Abhängigkeit von monetären Ressourcen sehr gut – die Klagen über ihre finanzielle Notlage kann man beinahe täglich lesen oder hören. Ganz anders sieht die Sache jedoch aus, wenn es um nicht-monetäre Ressourcen für den Nonprofit-Sektor geht. Wie sehr vermissen gemeinnützige Organisationen Ideen, empirisches Wissen und Vorschläge aus der Bürgerschaft? Wie sehr wünschen sie sich Stakeholder, die sich aktiv einbringen und partizipieren? Der Wunsch nach Vernetzung und nach einem Ressourcenaustausch mit anderen entsteht erst, wenn man als Organisation die eigenen Schwächen, den eigenen Mangel und die eigenen Grenzen kennt, – und zwar auch jene, die über den finanziellen Bereich hinausgehen.

Für viele Nonprofits ist in erster Linie der eigene Finanzbedarf die wichtigste Ressourcenabhängigkeit, die gesehen wird. Und der Staat ist für die Träger sozialer Dienste die wichtigste Ressourcenquelle, – rund zwei Drittel ihrer Einnahmen kommen von hier, nur etwa 4% von privater Seite über Spenden.

Die Frage ist, ob gemeinnützige Organisationen eine Ausweitung und Diversifizierung ihrer Ressourcenquellen ernsthaft anstreben oder ob man sich im bestehenden System nicht gut eingerichtet hat? Zwar wird der Staat seine prominente Rolle als Finanzier im Sozialbereich nie verlieren können und dürfen, aber mehr Ressourcen aus dem gesellschaftlichen Sektor wären für gemeinnützige Organisationen sicher nützlich.

Ob man sich allerdings als Organisation mit bestehenden und neuen Stakeholdern enger vernetzt und den Ressourcenaustausch intensiviert, hängt auch damit zusammen, ob man den Menschen und Einrichtungen, die einen umgeben, überhaupt zutraut, eine relevante Ressourcenquelle zu sein – verglichen mit so potenten Akteuren wie dem Staat. Was kann eine gemeinnützige Organisation von ihren Ehrenamtlichen, von Klienten, Angehörigen, von Bürgern und von den anderen Nonprofits ihrer Gemeinde erwarten? Nur wenn eine Organisation von der Bedeutung der Ressourcen, die ihre Stakeholder bieten, überzeugt ist und sie wertschätzt, wird sie an einem engeren Austausch und an einer engeren Vernetzung interessiert sein.

Um auf die Frage von Katrin Kiefer nach den internen Schritten zurückzukommen, die NPOs unternehmen müssen, um Social Media erfolgreich einsetzen zu können:

Es ist sinnvoll, wenn Nonprofits ein internes Ressourcenassessment vornehmen, um die eigene Ressourcenabhängigkeit und die eigenen Ressourcenquellen zu analysieren. Die Abhängigkeit von wenigen Ressourcengebern deutet auf eine mangelhafte Vernetzung einer Organisation hin bzw. auf Defizite im Bereich soziales Kapital. Die Analyse der eigenen Abhängigkeit kann die Triebfeder für ein internes Programm sein, das auf den verstärkten Netzwerkaufbau – online und offline – zielt.

Auf jeden Fall ist es sinnvoller, eine interne Social Media-Strategie an den organisationalen Bedürfnissen festzumachen, als an einem kulturellen Wandel der Organisation hin zu mehr Offenheit und Dialog. Ein kultureller Wandel braucht Zeit. Und “welches Unternehmen ändert seine Unternehmenskultur, um dann später mal twittern zu können? Der Ansatz, auf die passende Unternehmenskultur zu warten, ist (..) unrealistisch”, wie mein Blogger-Kollege Henner-Fehr schreibt. Realistischer ist, dass die organisationale Ressourcenabhängigkeit einen adäquaten Social Media-Einsatz forciert.

Nun kann man einwenden, dass ein internes Ressourcenassessment ein hoher Aufwand ist, wenn es doch nur darum geht, einen Twitteraccount oder eine Facebook-Präsenz einzurichten. Aber wenn in einer Organisation der Social Media-Einsatz nicht organisch gewachsen ist – und das ist in den meisten etablierten NPOs nicht der Fall – dann sollte man sich dem Thema ‘Internet’ strategisch nähern. Und das eigene Social Media-Engagement auf ein gutes inhaltliches Fundament stellen. Nur auf dieser Basis wird das Engagement dauerhaft sein und den eigenen Bedürfnissen, den Bedürfnissen der Stakeholder und des Mediums gerecht werden können.

Vernetzung als Chance für gemeinnützige Organisationen

In Zeiten von Wirtschaftskrise und kommunaler Sparhaushalte sorgen sich gemeinnützige Organisationen um ihre Budgets. In der Regel wird ein linearer Zusammenhang zwischen den zur Verfügung stehenden Ressourcen und der Größe und Vitalität des Nonprofit-Sektors gezogen. Die Netzwerkforschung zeigt jedoch, dass es nicht so sehr auf den Ressourcenbestand ankommt, über den der Nonprofit-Sektor verfügt, sondern darauf, ob Ressourcen zwischen Organisationen ausgetauscht werden (Paarlberg/Varda 2009). Durch den Ressourcenaustausch erweitern Nonprofits ihre Handlungsoptionen, weil sie auf einen größeren Pool an Ressourcen zugreifen können, als wenn sie ausschliesslich über ihre eigenen Mittel und Möglichkeiten verfügen können.

Existieren in den Gemeinden Netzwerke zwischen gemeinnützigen Einrichtungen, örtlichen Institutionen und Bürgern, in denen Informationen und Wissen ausgetauscht, Kompetenzen und Ressourcen gebündelt und gemeinsame Projekte initiiert und umgesetzt werden?

Wie wichtig der Ressourcenaustausch zwischen Organisationen ist, zeigen Paarlberg/Varda zufolge auch die Beispiele der High-Tech-Gründerzentren Silicon Valley und Route 128: beide verfügten anfangs über eine ähnliche Ressourcenausstattung. Aber während das Silicon Valley aufgrund des hier existierenden Ressourcenaustausches zwischen Organisationen schnell prosperierte, hinkte das Projekt Route 128 in Boston hinterher. Die dort herrschende ‘Geheimhaltungskultur’ und die Selbstbezogenheit der Organisationen verhinderten einen regen wechselseitigen Austausch.

Wo Menschen der Zugang zu sozialen Diensten fehlt oder dieser Zugang erschwert ist, muss es sich laut Paarlberg/Varda nicht unbedingt um eine arme Gebietskörperschaft handeln. Der Mangel kann auch daran liegen, dass in der Kommune die gemeinnützigen Anbieter untereinander zu wenig im Austausch stehen bzw. sie ihre wechselseitigen Beziehungen nur mangelhaft steuern.

Wenn speziell der Austausch von Ressourcen einen Mehrwert schafft, dann rücken Beziehungen zwischen Tauschpartnern in den Vordergrund. Es geht dann darum, kommunale Netzwerke aufzubauen, die durch Wechselseitigkeit, Stabilität und Vertrauen gekennzeichnet sind. Aber viele Verantwortliche im Nonprofit-Sektor betrachten ihre Organisation als Solitär und investieren zu wenig in den Netzwerkaufbau (über ihr eigenes Milieu hinaus), weil sie noch daran glauben, den Weg alleine gehen zu können. Dass durch mangelhafte Kooperation langfristig nicht nur ihre Organisation Schaden nimmt, sondern der gesamte Dritte Sektor einer Stadt und das Gemeinwesen als Ganzes, ficht sie nicht an. Zu groß sind ihre Bedenken, wenn es um eine Öffnung nach außen geht, zu wenig wird von einer Kooperation erwartet. Letzteres kommt zum Teil daher, dass manche Kooperations- und Vernetzungsprojekte nicht wirklich soziales Kapital schaffen. Denn dieses entsteht nicht automatisch durch gemeinsame Sitzungen, sondern nur, wenn man Ressourcen aktiv untereinander teilt.

Netzwerke für den Ressourcenaustausch sind lebensnotwendig für gemeinnützige Träger, wenn sie wachsen, gedeihen und effektiv sein wollen. Netzwerke bilden das soziale Kapital von Nonprofit-Organisationen, weil sie über Netzwerke Ressourcen akquirieren können.

Die Netzwerk-Perspektive bildet laut Michael C. Gilbert vom Nonprofit Online News – Blog den neuen “frame of reference” für gemeinnützige Organisationen. Nimmt man die Welt aus der Netzwerk-Perspektive wahr, dann sieht man auch Spender oder freiwillige Helfer nicht als isolierte Wesen, die mit einer Nonprofit-Einrichtung Verbindung aufnehmen. Sondern man sieht sie ebenfalls als Teil von Netzwerken. Was bedeutet, dass man als Nonprofit-Organisation Spender und Freiwillige nicht nur über Einzelwerbung und -ansprache erreichen kann, sondern auch über die eigene Vernetzung mit anderen Institutionen.

Das Internet ist eine große Hilfe, wenn Vernetzung angestrebt wird. Man kann sich hier nicht nur mit anderen direkt verbinden, sondern – wie im Fall von Xing oder Twitter – auch (indirekt) auf die Netzwerke anderer zugreifen. Allerdings bringt die Vernetzung allein noch keinen Mehrwert. Soziales Kapital entsteht erst – wie oben erwähnt – durch den Austausch und das Teilen von Ressourcen.

Online-Fundraising – neue Plattformen, neue Entwicklungen

Einige hochspannende Neuigkeiten im Online-Fundraising zeigen, wie sich die Dinge hier langfristig entwickeln werden und auf was sich Nonprofits einstellen müssen:

Da gibt es zum einen die in Planung befindliche britische Online Fundraising-Plattform See the Difference, deren Entwicklung von großen Firmen wie Microsoft und Accenture unterstützt wird und die Ende des Jahres den Betrieb aufnehmen soll. Das Besondere an der Plattform:

im Vordergrund stehen die Hilfsprojekte, nicht mehr die Träger selbst. Dieser Trend zum cause-related Fundraising ist auch bei anderen Plattformen wie globalgiving.com und betterplace.org sichtbar. Im Unterschied zu diesen wird auf See the Difference für Projekte aber nicht mehr nur mit Worten oder Fotos geworben, sondern mit Videos. Durch Videos sollen die Spender einen Einblick in das jeweilige Projekt erhalten. Nonprofits werden von den Plattform-Machern darin geschult, Videos zu konzipieren und drehen zu können. Nonprofits erhoffen sich, dass über diese Plattform speziell junge, internet-affine Zielgruppen erreicht werden können. Die Plattform-Betreiber ihrerseits wollen aus See the Difference die Fundraising-Plattform schlechthin machen, eine Art YouTube für den Nonprofit-Sektor, mit einem Logo, das überall sichtbar ist und die einzelnen Nonprofit-Marken überdeckt.

Die Plattform will Spender über die Entwicklung des jeweiligen Hilfsprojektes informieren und neue Projekte vorschlagen, an denen der Nutzer aufgrund seines Interessenprofils interessiert sein könnte. Wird dies so umgesetzt, dann liegt bei See the Difference die Betreuung der Spenderbeziehungen nicht mehr in der Hand der einzelnen Nonprofit-Organisation, sondern geht in den Besitz der Plattformbetreiber über. Oder wie Bryan Miller von Giving in a digital world es formuliert: “Put simply, if See the Difference grows the way that it hopes to then it could ultimately replace individual charity brands as the owners of relationships with online donors who fund their projects.”

Dies wäre einerseits ein unglaublicher Ressourcen- und Steuerungsverlust für Nonprofits – wenn ein Teil des eigenen sozialen Kapitals plötzlich durch Dritte verwaltet würde. Und dies hätte auch ganz praktische Folgen für die Organisation gemeinnütziger Einrichtungen, die zukünftig auf eine eigene Spenderdatenbank und eigene Fundraisingaktivitäten verzichten könnten. Andererseits erschließt eine solche Fundraising-Plattform mit globalem Anspruch viele neue Unterstützer und bringt so das Kapital und die Unterstützung, die gemeinnützige Organisationen dringend brauchen.

Auch doGoodr, ein amerikanisches Start-up des doGoodr fund, beginnt mit dem Anspruch, das Online-Fundraising zu revolutionieren. doGoodr ist als Webseite abrufbar oder als open source-Applikation, die in jede beliebige Nonprofit-Webseite eingebaut werden kann, so dass die “Need – Offer – Match”-Funktionalität von doGoodr über die eigene Organisations-Webseite genutzt werden kann. Die Gründer erhoffen sich angesichts des open source-Charakters von doGoodr eine schnelle Verbreitung im Internet und in der Nonprofit-Welt . Auch doGoodr wird die Anbieter von Unterstützung und die Hilfesuchenden per Mail regelmäßig über neue interessante Angebote, die zum Profil des doGoodr-Nutzers passen, informieren.

Dass man sich als Akteur auf dem Sozialmarkt nicht von einer einzigen Plattform abhängig machen muss, die die Beziehungen zu den Spendern steuert, zeigt die Initiative der Social Actions API auf. Über diese open-source-Schnittstelle verbinden sich die Datenbanken von mehr als 60 Fundraising- und Engagementplattformen (u.a. globalgiving, fistgiving, change.org) zu einer großen, open source-Datenbank, in der Spendenwillige und Engagierte nach neue Unterstützungsmöglichkeiten suchen können. Bei diesem Modell bleibt die Marke des Datenlieferanten – in diesem Fall die einzelne Fundraising-Plattform – mit im Spiel und wird nicht von der neugeschaffenen Datenbank verdrängt.

Angesichts der Social Actions API drängt sich die Frage auf, weshalb in unserem Land die Verbände der freien Wohlfahrtspflege, in deren Hand fast 99 Tausend soziale Einrichtungen und Dienste sind, nicht schon längst die eigenen Einrichtungs- und Projektdatenbanken über eine solche Schnittstelle zu einer großen Datenbank zusammengeführt haben, in der Unterstützungswillige nach Engagementmöglichkeiten suchen können. In diesem Fall bliebe die Betreuung der Spenderbeziehungen in der Hand der freien Wohlfahrtspflege selbst, – ergänzend zu den anderen Plattformen, an denen freie Träger beteiligt sind, und die von Dritten verwaltet werden. Zwar hat derzeit nicht jede Online Fundraising-Plattform den Anspruch, die Spenderbetreuung selbst in die Hand zu nehmen. Aber die Entwicklung könnte durchaus verstärkt in diese Richtung gehen.

Um handlungsfähig zu bleiben, sollte der wohlfahrtsverbandliche Sektor immer auch selbstorganisierte Lösungen ins Auge fassen und den Unterstützern anbieten. Das Problem ist derzeit nur, dass man der verbandlichen Wohlfahrtspflege die Bereitschaft, untereinander stärker zu kooperieren, nicht abspürt. Als Bürgerin und Bürger kann man keine Strategie erkennen, mit der die verbandliche Wohlfahrtspflege – als Sektor – in das neue Jahrtausend gehen will. Es gibt immer nur die einzelnen Strategien der einzelnen Verbände oder die Stellungnahmen der Bundesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege, die auf staatliche Politiken und Vorschläge reagiert. Der Sektor wird aber nur durch eine engere Zusammenarbeit gewinnen und – vor allen Dingen – innovativ bleiben können. Heutzutage geht es darum, die Ressourcen zu bündeln, unterschiedliche Perspektiven zu integrieren und ins Gespräch mit der Bürgerschaft zu kommen. Nur so können gute Ideen und Lösungen entwickelt werden, die neue Wege beschreiten, um unsere Gesellschaft fairer zu machen und soziale Dienste klientenorientierter gestalten zu können.

Die Bundesarbeitsgemeinschaft der freien Wohlfahrtspflege müsste stärker die strategische Steuerung des wohlfahrtsverbandlichen Sektors übernehmen, um gemeinsame Antworten auf die Herausforderungen der Gegenwart zu entwickeln, – wie die Finanzkrise, das Internet, sie soziale Spaltung unserer Gesellschaft, die ungleichen Partizipationschancen usw. Auch die Kooperation des Sektors bezüglich des Fundraisings gehören auf eine solche Agenda.