Kategorie-Archiv: Ziele

“Working across boundaries”- wie Kooperation in Netzwerken gelingen kann

Welchen Nutzen bieten Social Media Nonprofit-Organisationen und wie arbeitet man erfolgreich in Netzwerken?

Die Chancen von Web 2.0/Social Media für Nonprofit-Organisationen wurden auf einer Fachtagung an der FH Osnabrück ausgelotet, auf der Bloggerkollegen wie Hannes Jähnert , Ole Seidenberg, Christian Kreutz und ich eingeladen waren, um über das Thema zu referieren. In den Workshops wurde mit Vertretern von Helpedia , Deine Stimme gegen Armut , Wikiwoods , Wikimedia , dem Spendwerk und anderen über Fundraising, Online-Volunteering und Campaigning diskutiert. Die Tagungsbeiträge kann man sich hier ansehen.

Mein Part war es, die Chancen von Web 2.0 für gemeinnützige Organisationen themenübergreifend darzustellen. Meine Argumentation war zweistufig:

Da Web 2.0 auf Vernetzung zielt, habe ich zuerst den Nutzen von Netzwerken für Nonprofits herausgearbeitet. Darauf aufbauend kann dann der Nutzen von Social Media für gemeinnützige Organisationen aufgezeigt werden, der in dem Potential liegt, Menschen und Organisationen untereinander verbinden zu können.

Ich bin überzeugt von folgendem: so lange der Nutzen kollaborativer Strukturen nicht durchgängig erkannt wird, so lange die Kooperation in Netzwerken als Aufwand betrachtet wird, der (zuviel) Zeit kostet, ineffektiv ist und Meinungsverschiedenheiten zwischen den Beteiligten sichtbar macht, die ansonsten verdeckt blieben – so lange wird man auch den Nutzen von Social Media im Nonprofit-Sektor nicht wertschätzen.

Netzwerke eröffnen Nonprofits neue Handlungsoptionen. Gemeinsam mit anderen können Ziele erreicht werden, die ohne eine Bündelung von Ressourcen unterschiedlicher Akteure nicht hätten erreicht werden können. Aber die Kooperation in Netzwerken und damit die Kooperation über Grenzen hinweg – seien sie organisationaler, individueller, sektoraler oder ideologischer Natur – ist eine Kunst, die man erlernen muss.

Nicht jedes kollaborative Projekt verläuft erfolgreich. Welche Voraussetzungen müssen gegeben sein, um die Zusammenarbeit zwischen Organisationen/Individuen erfolgreich zu machen?

Russel M. Linden hat vor Jahren in seinem Buch "Working across boundaries" (2002) einige Voraussetzungen aufgelistet, die notwendig sind, damit kollaborative Projekte im Nonprofit-Sektor auch funktionieren. Unter dem Stichwort "The Basics" zählt er auf (S. 74):

  • Die an der Kooperation Beteiligten müssen ein gemeinsames Ziel haben
  • Dieses Ziel muss so gestaltet sein, dass es die Beteiligten alleine nicht erreichen können, sondern nur in Kooperation mit anderen: dadurch entsteht für Organisationen/Individuen der Anreiz zur Zusammenarbeit
  • Die Beteiligten müssen bereit sein, in das gemeinsame Projekt zu investieren und – ganz wichtig – auch zu handeln, nicht nur zu reden.
  • Es müssen die "richtigen" Personen am Tisch sitzen. D.h. jene, die a) am gemeinsamen Ziel interessiert sind und b) verbindliche Zusagen im Namen ihrer Organisation treffen können
  • Der Umgang und die Verfahren müssen transparent, glaubwürdig und offen sein, – das Ergebnis darf nicht von einigen im Vorfeld abgesprochen sein, sonst wirkt die Partizipation vieler schnell als Farce (S. 82).
  • Es gibt unter den Beteiligten jemanden, der kraft seiner Glaubwürdigkeit und seines Durchsetzungsvermögens die Kooperation vorantreibt. Linden nennt diese Person den "Champion for the initiative" (S. 74).

Einfache Regeln, die im Einzelfall aber immer wieder die größten Probleme bereiten, weil

  • die Teilnehmer der Kooperation unter dem gemeinsamen Ziel etwas ganz unterschiedliches verstehen
  • viel Zeit mit Diskutieren vergeht und keine Bereitschaft zum Handeln sichtbar ist
  • die "falschen" Leute am Tisch sitzen, die das Ziel nicht erreichen, sondern verhindern wollen
  • Verfahren nicht transparent sind und der Umgang untereinander nicht vertrauenswürdig.

Social Media können Menschen untereinander vernetzen, aber sie können uns die Herausforderung der Kooperation, die viele Kompetenzen voraussetzt, nicht abnehmen.

NPO-Blogparade: Der Videoeinsatz von Nonprofits im Sozialbereich

In der 6. Runde der NPO-Blogparade fragt Ulrike Schmid von Kultur 2.0 , weshalb gemeinnützige Organisationen Bewegtbilder bzw. audiovisuellen Content wie Videos noch so wenig nutzen.

Nonprofits haben meines Erachtens mit professionell erstellten Videos kein inhaltliches Problem, sondern lediglich ein finanzielles. Denn zwischenzeitlich hat es sich auch im Nonprofit-Sektor herumgesprochen, dass man Videos sehr gut für das eigene Marketing oder für das Fundraising einsetzen kann. Vor zwei Jahren waren die Potentiale von Videos vielleicht noch unbekannter. Aber zwischenzeitlich zählen Videos zum Standard im Internet. Die Hälfte aller Onliner in Deutschland schaut sich Videos auf Videoportalen an. Bei den unter Dreissigjährigen liegt der Anteil der Videonutzer bei 84% (ARD/ZDF-Onlinestudie 2008 ). Dass Videos deshalb eine wichtige Rolle in der Öffentlichkeitsarbeit spielen können, ist bei den etablierten gemeinnützigen Trägern als Botschaft angekommen. Die großen Verbände nutzen zwischenzeitlich auch Videos, wie bspw. die Caritas, die derzeit mit einem beeindruckenden Beitrag auf Youtube zu sehen ist (via H. Schmidt ).

Wenn es von diesen professionell erstellten Videos immer noch nicht so viele gibt, dass sie auf jeder Webseite zum Standard gehören, dann wegen der chronischen Unterfinanzierung von Nonprofits. Angesichts der knappen Budgets beschränkt man sich häufig auf Texte und Photos. Der Mehrwert von Videos rechnet sich in einer solchen Konstellation laut Gerald Czech von Österreichischen Roten Kreuz nicht in jedem Fall.

Auch selbst erstellte (Amateur)Videos bekommen langsam ihren Platz im Nonprofit-Sektor. Erst heute habe ich im Netz entdeckt, dass die Akademie des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes eine Ehrenamtsvideothek und eine Selbsthilfevideothek eröffnet hat und die Zielgruppen einlädt, ihre Videos hochzuladen. Selbst für die Fortbildung der Mitarbeiter werden Videos langsam eingesetzt. Diese Aktivitäten befinden sich noch im Aufbau, gehen aber in Richtung einer stärkeren Video-Nutzung.

Was derzeit aber in der Fläche noch ziemlich fehlt, das sind Videos, die von den Stakeholdern einer Organisation gemacht und anschliessend auf die Webseite der Organisation gestellt werden (nicht auf eine gesonderte Plattform). Als Videoproduzenten kommen in Frage: Klienten, Ehrenamtliche, Mitarbeiter, Spender, Freunde und Unterstützer. Themen für Videos könnten sein: Veranstaltungen der NPO, Klientenbefragung, Motivation der Ehrenamtlichen, Dokumentation von Diskussionsprozessen, Entwicklung von Hilfsprojekten, Problemlagen im Stadtteil usw.

Stakeholder könnten für Nonprofits zu einer Art "Social reporter" werden, wie sie dem britischen Blogger und Community-Aktivist David Wilcox vorschweben, – Reporter, die gemeinsam mit der gemeinnützigen Organisation Ideen sammeln, Erfahrungen verarbeiten, Problemen und offenen Fragen nachspüren, um einen sozialen Mehrwert für die Organisation, die Klienten und die Bürgerschaft zu generieren. Und dies alles mit Hilfe von Social Media-Tools wie eben der Videotechnik.
Auch Hannes Jähnert betont die wichtige Rolle, die Ehrenamtliche spielen könnten, wenn es darum geht, Videos für eine NPO zu erstellen. Insbesondere die jüngeren Mitglieder/Zivis/Ehrenamtlichen könnten hier eine Schlüsselrolle spielen.

Für das anspruchsvolle Konzept der "Social reporter", das Stakeholder zu Partnern der Nonprofit-Organisation macht, wenn es um Strategiefindung, Advocacy usw. geht, brauchen Nonprofits Mut, das technische Knowhow und die finanziellen Mittel für Schulungen. Hier müßten nun der Staat und private Stiftungen unterstützend wirken. Ihre Aufgabe müßte es sein, Nonprofits bei dem Wandel in das digitale Zeitalter stärker unter die Arme zu greifen. Angesichts der prekären finanziellen Situation von Nonprofits wird es (zu) lange dauern, bis sie sich das notwendige Social Media- Wissen auf der Basis eigener Ressourcen angeeignet haben.

Wenn man einen starken und kompetenten Nonprofit-Sektor anstrebt (und fordern hier in Deutschland nicht alle eine Weiterentwicklung der Zivilgesellschaft?), dann muss die Allgemeinheit in die Kompetenzen von Nonprofits investieren. In meinem letzten Blogbeitrag habe ich berichtet, wie in Großbritannien das Knowhow von Nonprofits mit Hilfe öffentlicher Gelder weiterentwickelt wird. Und wie in den USA gemeinnützige Organisationen staatliche Unterstützung für den Ausbau der eigenen Kompetenzen einfordern, weil ein schlechter Nonprofit-Sektor niemandem dient, – schon gar nicht dem Staat und dessen Legitimation.

Die Videoproduktion könnten also einzelne Nonprofits im Rahmen öffentlicher (oder privat geförderter) Progarmme lernen und dieses Wissen dann als Multiplikatoren an andere gemeinnützige Organisationen weitergeben. Wie bspw. der Paritätische Wohlfahrtsverband Baden-Württemberg in der Vergangenheit als Multiplikator für das Podcasting unterwegs war, allerdings nur für die eigenen Verbandsmitglieder. Potentielle Träger eines solchen Förderprogrammes gibt es genug: die Palette reicht von den Landesmedien-
anstalten bis zu den Film- und Medienhochschulen. Aber auch die großen Stftungen sind gefragt, wenn es um die Weiterentwicklung der Kompetenzen von Nonprofits im Bereich Social Media geht.

Wenn Nonprofits hier in Deutschland in der Fläche noch so weit zurückliegen, was ihre Social Media-Kompetenzen betrifft, dann liegt dies auch daran, dass ihr politisches/administratives Netzwerk sie in dieser Sache zu wenig unterstützt. Und Nonprofits es versäumen, auf die staatlichen Akteure entsprechend Druck auszuüben und parallel sich nach zusätzlichen Unterstützern aus dem gesellschaftlichen Bereich umzusehen.

Nonprofits und der Aufbau von sozialem Kapital – Ziele für 2009

Unter sozialem Kapital versteht man die immateriellen/materiellen Ressourcen, die man aus sozialen Beziehungen gewinnen kann. Je besser und intensiver eine gemeinnützige Organisation mit anderen Menschen und Organisationen verbunden ist, desto stärker wird sie von deren Ressourcen profitieren können. Soziales Kapital wird langsam zu einem Thema in amerikanischen Blogs, die sich mit dem Nonprofit-Sektor befassen.

Vor dem Hintergrund der internationalen Finanzkrise, die amerikanische Nonprofits besonders hart trifft, wird jenes Kapital entdeckt, dass nicht aus Finanzmärkten, sondern aus menschlichen Beziehungen gezogen werden kann. Bei Beth Kanther heißt es: “Invest in Social Capital . It will be the only growing market in 2009″.

Michael Gilbert von den Nonprofit Online News thematisiert, dass gemeinnützige Organisationen sehr häufig das Ausmaß des sozialen Kapitals, über das sie verfügen, gar nicht genau kennen, weil bestehende Kontakte und Beziehungen nicht richtig ausgewertet werden. Zumeist wird nur eine Dimension eines Stakeholders wahrgenommen (des freiwilligen Helfers, des Spender usw.) und andere Kompetenzen und Handlungsoptionen, die er bietet, ausgeblendet. Gilbert fordert, sich im Jahr 2009 ganz auf die Entdeckung, die Pflege und den Aufbau von sozialem Kapital zu konzentrieren:

“We are sitting on top of social assets that we often ignore in the good times. We can no longer afford to do that. We must turn our attention, our resources, and our strategies to social capital. We must uncover the social capital we have, we must use it and nurture it, and we must grow more of it.”

Wichtig ist, dass gemeinnützige Organisationen diese Aufgabe nicht planlos angehen und es dem Zufall oder dem muddling through überlassen, wie gut der Aufbau von sozialem Kapital gelingt. Vielmehr muss dieses Ziel strategisch verankert werden und zwar auf allen Organisationsebenen, angefangen vom Dachverband bis hinunter zur Hilfseinrichtung vor Ort: “Social capital must be the strategic mantra of our organizations”, wie Gilbert formuliert.

Speziell die Einrichtungen vor Ort spielen beim Aufbau von Netzwerken eine wichtige Rolle, die unbedingt gestärkt werden muss. Dies kollidiert allerdings mit der Tendenz, die seit längerem im wohlfahrts-
verbandlichen Bereich zu beobachten ist: dass nämlich die Einrichtungen vor Ort immer häufiger als selbstständige Betriebe geführt werden, die sich auf ihr Kerngeschäft konzentrieren und von weiteren verbandlichen Aufgaben (wie Lobbying, Integrativen Funktionen usw.) befreit sind.

Es hängt dann vom Engagement der örtlichen Einrichtungsleitung ab, wie sehr man sich um Freiwillige bemüht und wie stark der Netzwerkaufbau mit dem lokalen Umfeld vorangetrieben wird. In den Verbänden gibt es deshalb die Forderung, die Öffnung zur Bürgerschaft und die Förderung des freiwilligen Engagements als verbandliche Ziele festzuschreiben. Nur so könne das bürgerschaftliche Engagement aus der randständigen Zone ins Zentrum rücken und eine erfolgreiche Vernetzung zwischen der Nonprofit-Organisation und ihrem Umfeld erzielt werden (Pott im BBE-Newsletter Nr. 25) .

Neue Ziele im verbandlichen Leitbild reichen aber nicht aus, um den Aufbau von sozialem Kapital voranzutreiben. Man benötigt auch die passenden Instrumente für deren Umsetzung. Gilbert fordert, alle IuK-Technologien und Managementmethoden, die eine gemeinnützige Organisation benutzt, daraufhin zu hinterfragen, ob sie der Pflege und dem Aufbau von Beziehungen dienen oder ob sie Beziehungen behindern, belasten, zerstören.

Sein Ratschlag lautet u.a.:

  1. Technologien und Methoden, die soziales Kapital beeinträchtigen, sofort einzustellen. Dazu gehören z.B. Kommunikationsabläufe, die Hürden aufrichten und den Dialog mit den Stakeholdern stören, statt ihn zu erleichtern.
  2. In Technologien, die soziales Kapital zwar nicht beeinträchtigen, aber auch nicht weiter voranbringen, nicht weiter zu investieren.
  3. Technologien und Methoden zu fördern, die soziale Beziehungen aufbauen und sichtbar machen können. Gilbert zielt hier auf Web 2.0-Technologien bzw. Social Media ab. Sie seien zwar nicht der einzige Weg, wie Beziehungen zwischen Menschen aufgebaut werden können. Aber im Unterschied zu anderen Medien sind die Beziehungen im Internet gut sichtbar und dementsprechend gut zu erheben und zu nutzen.

Aus meiner Sicht ist eine breite und intensive Vernetzung zwischen einer Nonprofit-Organisation und ihrem sozialen Umfeld (das dank Internet nicht auf einen Ort beschränkt bleiben muss) unabdingbar, um den Charakter einer gemeinnützigen Einrichtung zu erhalten. Denn das Besondere an Nonprofits sind nicht ihre sozialen Dienstleistungen – diese können in den meisten Fällen auch von gewerblichen oder staatlichen Trägern erbracht werden. Das Besondere sind vielmehr ihre Verbindungen zur Bürgerschaft, aus der Nonprofits ihre Energien und ihre Legitimation beziehen.

Wenn diese Verbindung zur Gesellschaft abreißt, kann eine Nonprofit-Organisation mit staatlicher Hilfe zwar weiterbestehen, aber sie verliert einen wichtigen Teil ihrer Identiät. Nämlich jenen, der darin besteht, eine Botschaft weiterzutragen und gemeinsam mit anderen an der Lösung von gesellschaftlichen Missständen zu arbeiten.